Dienstag, 28. Dezember 2010

Wachgerüttelt

So berichtete Tagesschau online über das Erdbeben.


Rumms!!! Was ein Schlag! Eben noch im Tiefschlaf, bin ich von einer Sekunde auf die andere hellwach. Die Wände wackeln, das hölzerne Dachgebälk knirscht mächtig. Die Vibration kommt von ganz tief unten, geht durch Mark und Bein. Drei Alternativen. Wenn es anfängt zu krachen: sofort unter das Bett. Wenn es nur weiter wackelt: raus aus dem Haus. Oder es hört einfach gleich auf.

Es hört auf. Puh... Was ein Schreck! Es ist 4.35 Uhr in der Nacht, zweiter Weihnachtsfeiertag. Ich wusste nicht, dass der Kopf so schnell von null auf hundert fahren kann. Ich liege im Bett meines Einzelzimmers in Christchurch. Draußen höre ich Stimmen, sie klingen nicht panisch. Scheint, dass so ein Erdbeben hier noch zum Standard gehört. Immerhin liegt die Südinsel Neuseelands genau an der Stelle, wo sich zwei Kontinentalplatten übereinander schieben. Kleinere Erdbeben gehören zum Tagesgeschäft.

Ein Feuerwehrwagen ist zu hören. Kurze Zeit später noch einer. Dann ist Ruhe. Okay, kann also nicht so schlimm gewesen sein, denke ich mir. Und versuche, wieder einzuschlafen. Immerhin muss ich schon in anderthalb Stunden aufstehen, weil ich den Bus nach Picton nehmen will. Allein, es gelingt mir nicht. Zum einen sausen noch so viele Stress-Hormone durch meinen Körper, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Zum anderen gibt es auch noch Nachschub durch zwei kräftige Nachbeben.

Als ich dann später am Morgen durch Christchurch zur Busstation laufe, erkenne ich keinerlei Schäden, keine sonstigen Auffälligkeiten. Erst später bei Tagesschau online sehe ich, dass es Verletzte und beschädigte Gebäude gegeben hat. Das wundert mich nicht, weil der Schlag schon ordentlich war. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert.

Das Ganze war zugleich Schlusspunkt meiner Zeit in Neuseeland. Ich bin inzwischen zurück nach Auckland gefahren, um dort den Flieger nach Melbourne zu nehmen. Eigentlich war das zu wenig Zeit für die beiden Inseln, aber mehr als ein Schnupperaufenthalt war auch nicht geplant. Die Welt ist definitiv zu groß, um alles in einem Jahr zu sehen. Aber immerhin weiß ich hinterher, wo ich noch einmal hinfahren muss...

Samstag, 25. Dezember 2010

Weihnachten bei den Kiwis

Blick aus xdem Zugfenster: An Heiligabend durchquere ich per Bahn die neuseeländischen Südalpen.
Regen in Auckland, Regen auch in Wellington - und die Aussichten sind besch...eiden. Die örtliche Tageszeitung zeigt einen trotz eines Regenschirms durchnässten Passanten als Titelbild, dazu die Schlagzeile: "Latest christmas forecast". Eigentlich war mein Plan, auf die Südinsel überzusetzen und dort ein paar Tage im Abel-Tasman-Nationalpark zu verbringen. Doch das überlasse ich lieber den regenfesten Hardcore-Travellern. Ich bin ein Warmduscher und entscheide mich für die Weichei-Variante: Ich fahre nach Christchurch und mache von dort aus an Heiligabend eine Sightseeing-Tour mit dem Zug. Garantiert trocken!
Abends gibts Glühwein im Hostel.

TranzAlpine heißt die Strecke, die von der Ost- auf die Westseite der Insel führt und dabei die Südalpen durchquert. Billig ist der Spaß nicht: Für die 4 Stunden 40 Minuten nach Greymouth und zurück werden schlappe 100 Euro fällig. Aber dafür sitze ich trocken und bequem im Sessel, derweil das Berg-Panorama vor meinem Fenster vorbei zieht.

Die Strecke bietet immer wieder spektakuläre Aussichten - auf schneebedeckte Berge, Flüsse und Täler. Knapp 800 Höhenmeter erreicht der Zug, um dann bei Arthur's Pass in einem acht Kilometer langen Tunnel zu verschwinden. Dann kommen wir auf der anderen Seite der Wasserscheide wieder heraus und rollen Richtung Greymouth. Unterwegs kommen mehrere heftige Regenschauer herunter. Herrlich!

Am Strand steht eine Tanne.
Den Heiligen Abend verbringe ich im Hostel, dort wird im Garten mit allen Gästen gegrillt. Ich komme ins Gespräch mit vier Schwaben und einen Schweizer, die Zutaten für Glühwein gekauft haben. Und weil es nach Sonnenuntergang doch recht frisch wird, machen wir es uns mit Glühwein in der Küche gemütlich.

Dabei lerne ich, was der Rösti-Graben ist (Grenze zwischen deutscher und welscher Schweiz), warum Stuttgart 21 doof ist ("und wenn dann die ganzen Thermalquellen weg sind...") und dass man nicht erst Bier, dann Glühwein und dann noch neuseeländischen Riesling trinken sollte! 

Obwohl der Kopf noch brummt, fahren wir am ersten Feiertag zum Strand, picknicken. Dort hat sogar jemand eine Tanne aufgestellt. Ungeschmückt, aber immerhin. Weihnachten bei den Kiwis! Echte Weihnachtsgefühle kommen zwar auch dadurch nicht bei mir auf. Aber ein paar warme Sonnenstrahlen auf der Haut sind durchaus ein guter Ersatz... Merry christmas!

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Neuseeland: Auf dem Sprung

Auf der Suche nach Adrenalin: Touristen springen vom Fernsehturm in Auckland.
So gehört sich das für eine ehemalige britische Kolonie: Neuseelands Geschichte und Gegenwart sind voller skurriler Begebenheiten und unerwarteter Details. Das fängt schon mit den Kiwifrüchten an. Die stammen nämlich aus China, und der größte Produzent der Welt, noch vor China, ist - Italien. Und wer wusste schon, dass Friedensreich Hundertwasser in der 1400-Seelen-Gemeinde Kawakawa eine öffentliche Toilettenanlage hinterlassen hat? Architektur, die erleichtert.

Bemerkenswert ist auch, wie sich die Briten in Besitz des Landes brachten. Die Gegend um die Hauptstadt Wellington etwa räumten die ansässigen Maori angeblich im Tausch gegen 100 Musketen, 100 Decken, 60 rote Nachtmützen und ein Dutzend Regenschirme. Das auf diese Weise erworbene Land vermehrte sich 1855 auf ungewöhnliche Weise: Bei einem Erdbeben wurde der Boden um bis zu sechs Meter angehoben, im Hafenbereich immer noch um gut zwei Meter. Das bedeutete 250 Meter Landgewinn, er wurde zum Bau des Stadtzentrums genutzt.

Vielleicht ist es diese Tradition des leicht Abwegigen, der dazu geführt hat, dass Neuseeland heute eine Nation auf dem Sprung ist. Auf meiner bisherigen Reise hatte ich ja den Eindruck, dass es die Australier sind, die sich furchtlos überall hinunter stürzen müssen und auch sonst keinem Adrenalinkick aus dem Weg gehen. Seit ich hier bin, weiß ich, dass sie von den Kiwis noch in den Schatten gestellt werden. Man könnte glauben, das ganze Land sei ein einziger Abenteuerspielplatz.

Adrett und nett: Wellington
Das fängt schon in Auckland an, wo die meisten internationalen Touristen ankommen. Hier kann man sich vom größten Fernsehturm der südlichen Hemisphäre stürzen. Oder wahlweise einfach oben auf der Plattform spazieren gehen. Draußen, direkt am Rand natürlich.

Und solche Angebote ziehen sich quer durchs Land: Bungee jumping, quad bikes und heli hikes gehören zum Standardprogramm. Und dann gibt es noch Neu-Erfindungen wie die so genannten Jet Boats, in denen 20 Touristen 30 Minuten über das Wasser geschleudert werden. O-Ton: "You'll thrill to the experience of travelling across just centimetres of water or rotating through a 360° spin, famous features of the amazing jetboat technology, first invented in New Zealand!" Hauptstadt des Adrenalins ist Queenstown, wo angeblich das Bungee jumping erfunden wurde. Auf der Homepage http://www.queenstown.com gibt es sogar eine Top 3-Hitliste mit den aktuell beliebtesten Extremsportarten. Zurzeit vorne: der Shotover Jet.

Das lockt Rucksack-Touristen, das füllt die Kassen. Ausgerechnet in einer Nation, die ansonsten eher ruhig und adrett erscheint. Die ehemalige Kolonie wirkt wie alle Zöglinge, die niemals rebelliert haben -  ein bisschen langweilig. Die Städte sind klein und haben nicht sonderlich viel zu bieten. Das gilt auch für die Hauptstadt Wellington, wo ich gerade bin.

Der größte Trumpf Neuseelands ist aber ohnehin die Natur. Denn nirgendwo sonst gibt es Berge, Fjorde, Regenwald und so viele verschiedene Klimazonen derart dicht beisammen. Deshalb will ich morgen auf die Südinsel, auf der Suche nach Natur pur. Dann wollen wir mal sehen, ob Neuseeland auch noch spannend ist, wenn man sich nicht irgendwo hinunter stürzen kann...

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Sexy und übergeschnappt

Bunt bemalte Häuser im Stadtteil La Boca.
Ich habe ja schon viel Mist gelesen in den Lonely Planet-Reiseführern, aber die Beschreibung von Buenos Aires ist nicht nur originell, sie trifft auch noch zu. Die These: "Die Raffinesse eines geschliffenen Diamanten trifft auf den Charme eines unrasierten Casanovas. Der Geist eines durchgeknallten Wahnsinnigen paart sich mit der Attitüde eines berühmten Supermodels." Kurzum: Wenn Berlin arm, aber sexy ist, ist Buenos Aires sexy, aber übergeschnappt.

Straßenszene in San Telmo.
Eine Woche habe ich Zeit für diese Stadt, die den Abschluss meiner Reise durch Lateinamerika bildet. Zugegeben, eine Woche ist nicht genug für ein profundes Urteil. Aber ich erlebe mehr als einmal, dass den Porteños (so nennen sich die Hauptstädter) alles Diplomatische, also Takt, Zurückhaltung und Höflichkeit, völlig abgeht. Geh' aufs Ganze, jetzt oder nie - so lautet die Devise. Auch zugegeben: Das hat was!

Das alles spielt sich ab in einer Stadt, die ihre Blütezeit augenscheinlich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte, noch von dieser Zeit zehrt und auch noch ihren Duft verströmt. Die meisten Metro-Stationen stammen aus dieser Zeit ebenso viele zehn-, elf- oder gar zwölfgeschossige Häuser im Jugend- bzw. verwandten Stilen - mit hohen Decken!

Erst vor kurzem hat der Spiegel Buenos Aires zur spannendsten Stadt der Welt erklärt. Ob's stimmt? Ich versuche es herauszufinden - auf dem Antikmarkt von San Telmo, in den Kneipen von Palermo und im Hafen- und Künstlerviertel La Boca. Ich staune über die gut sanierten Viertel genauso wie über die maroden - und die erstaunlich vielen Müllhaufen auf den Gehwegen im Zentrum.

Andy und Laura (M.) haben für Karneval eingekauft.
Zum letzten Mal treffe ich dabei Laura und Andy aus London. Nachdem sich unsere Wege seit Panama immer wieder gekreuzt haben, laden die beiden "ze german" (ausgesprochen: "si german") - in Anspielung auf die deutsche Unfähigkeit ein englisches "th" auszusprechen - zum Abschiedsessen ein. Für das Paar geht's nach anderthalb Jahren auf Tour kurz vor Weihnachten zurück nach Hause. Vorher aber decken sie sich noch für Karneval ein: Mit Ledermasken auf dem Straßenmarkt von San Telmo.

Auch für mich steht ein Abschied an: Nach sechs Monaten verlasse ich Lateinamerika, morgen geht mein Flug nach Neuseeland. Ein bisschen wehmütig bin ich schon, denn ich habe mich sehr an diese Kultur gewöhnt. So verschieden die Länder von Mexico bis Argentinien auch alle sein mögen, so gibt es doch auch viel Gemeinsames - und wenn es nur der unvermeidliche Enrique Iglesias ist, der von Chihuahua bis Puerto Madryn "Cuando me enamoro" seufzt.

Sexy und übergeschnappt
Und so verlasse ich Buenos Aires mit dem Gefühl, dass das mit der aufregendsten Stadt womöglich seine Richtigkeit hat, dass Salsa und Reggaeton einen festen Platz im Schunkelzentrum meines Gehirns erobert haben - und dass ich auf jeden Fall nochmal mit mehr Zeit wiederkommen will, nach Buenos Aires und nach Lateinamerika!

Cogeré la libertad!

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Von Pinguinen und Mate

Pinguin mit Nachwuchs.
Wir werden ziemlich eindringlich gewarnt. Falls ein Wal zur linken Seite des Bootes auftauche, möge bitte nicht jedermann von der rechten Seite herüberstürmen. Gleiches gelte umgekehrt. Denn das eine wie das andere würde unser Bötchen zweifelsohne zum Kentern bringen. Gleichgewichtsübungen für 50 Touristen - auf einem zwar hinreichend großen, aber doch etwas wackeligem Schlauch-Boot vor der Küste der Halbinsel Valdés in Argentinien.

Whale Watching ist angesagt. Bis Mitte Dezember sind hier Südkapern unterwegs, so heißt eine Glattwal-Art. Die Tiere kommen jede Saison hierher, um sich fortzupflanzen und Junge zur Welt zur bringen. Es zeigt sich, dass die 80-Tonnen-Kolosse durchaus wendig und rasch unterwegs sind. So manch ein Wal ist längst wieder abgetaucht, bevor die "Watcher" überhaupt die Kamera gezückt haben. Immerhin: Trotzdem gelingt der eine oder andere Schnappschuss von den bis zu 18 Meter langen Meeressäugetieren.

Ein Glattwal auf dem Sprung.
Und so ist das Ganze auch noch eine gute Übung für den nächsten Tag. Da steht Delfin-Gucken auf dem Programm. Und die Biester sind nun wirklich schnell. Selbst wer die Kamera blind draufhält und sofort auf den Auslöser drückt, wenn ein Delfin auch nur die Nase aus dem Wasser hält, hat keinerlei Chance. Für ihre eleganten Sprünge brauchen diese Tierchen gerade mal einige Zehntelsekunden.

Das bringt die Reisegruppe schier zum Verzweifeln. Wo springen sie denn jetzt? Hier, nein dort, nein da drüben... Manche fotografieren aus lauter Frust willkürlich auf die Wasseroberfläche in der Hoffnung auf einen Schnappschuss. So ähnlich gelingt mir dann tatsächlich auch das einzig einigermaßen gescheite Foto von einem Delfin. Unter dem Strich siegt aber das Tier eindeutig im Wettkampf mit der Auslöse-Technik.

Mate-Tee: Wer Nein sagt, beleidigt Argentinien.
Letzter Höhepunkt meiner Tage in Puerto Madryn - dort habe ich Quartier genommen - ist eine Tour zur größten Pinguin-Kolonie außerhalb der Antarktis. 600 000 bis eine Million Tiere leben dort - und sind erstaunlich gelassen ob der vielen Menschen. Bis auf wenige Zentimeter lassen sie die großen Zweibeiner an sich heran. Die müssen sich an strenge Regeln halten: Watschelt ihnen etwa ein Pinguin über den Weg, dann hat der strikt Vorfahrt. Alles andere würde das Tier verstören. Auch müssen die Hauptwege der Vögel stets freibleiben, deshalb gibt es Fußgängerbrücken an den entsprechenden Stellen...


Delfine bringen Touris zur Verzweiflung.
Auf dem Rückweg erklärt uns unser Tourguide dann noch die Geheimnisse des Mate-Tee-Trinkens. Das Nationalgetränk der Argentinier schmeckt zwar nicht sonderlich gut, darf aber nirgendwo fehlen. Und das sind die drei goldenen Regeln: 
  1. "Wenn der Mate zu heiß ist, trink ihn wie ein Gaucho: Lächele - und verstecke Deinen Schmerz hinter dem Lächeln."
  2. "Wenn Dir dabei doch eine Träne ins Auge steigt, mache es wie ein Gaucho und sage: Das ist keine Träne, das ist der patagonische Wind.'"
  3. "Und schließlich: Es gibt nur drei Antworten, die in Frage kommen, wenn Du zu einem Mate eingeladen wirst. Por supuesto (,Selbstverständlich'), Si (,Ja') oder Gracias (ablehnendes Danke) - wer Nein sagt, beleidigt ganz Argentinien!"
Gut zu wissen, bevor ich gleich mit dem Nachtbus in die Hauptstadt fahre...

Montag, 6. Dezember 2010

Im Gleichgewicht

Ideal zum Paddeln: Das Seengebiet der argentinischen Anden.

Und schon wieder eine Premiere. Diesmal traue ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in ein Kajak. Zugegeben, viel Mut gehört gerade nicht dazu. Denn es ist ein wunderschöner Tag in Bariloche, der Stadt im Seengebiet der argentinischen Anden. Blitzblanker Himmel, die Sonne wärmt, nicht ein Hauch von Wind könnte ein wackeliges Kajak mit einem Anfänger darin zum Kippen bringen.

Der Anfänger selbst freilich kann es ganz schnell. Denn der will sich gerade nur einmal fürs Foto Umdrehen - und denkt dabei so gar nicht ans Gleichgewicht. Ui, das schwankt schon ganz erheblich! Was ein Glück, dass eine kajak-erfahrene Frau aus Bielefeld (40, Sabbatjahr, Lehrerin) mit im Boot sitzt. Sie behält die Nerven - und balanciert dagegen. Wir bleiben über Wasser. Das freut auch unseren Tourleiter, der seine Schäfchen ebenfalls lieber trocken hat...

Die Schäfchen bleiben trocken.
Der Rest unserer Paddelei ist das pure Vergnügen. Still und konzentriert gleiten wir über das stahlblaue Wasser des Bergsees. Die beiden Anfängerinnen im anderen Kajak hängen wir locker ab. Warum musste ich eigentlich erst 39 werden, um herauszufinden, dass Kajakfahren so ein Vergnügen sein kann?

Samstag, 4. Dezember 2010

Fürs gute Glück

Häuser im deutschen Freilicht-Museum von Frutillar in Chile.
"Ich dachte mir schon, dass Sie wiederkommen! Die meisten kommen wieder." Franz (77) verkauft ein Stück vom Glück. Und zwar in Hufeisenform. Solche graviert er nach den Wünschen seiner Kunden. "Fürs gute Glück", verspricht ein Schild. Und weil jeder ein bisschen davon nötig hat, kaufen die Besucher reichlich - auch wenn sie manchmal ein bisschen Besinnungszeit brauchen. Aber Franz kann warten.

Auch ich habe erstmal abgewunken. Ein Hufeisen fünf Monate durch die Weltgeschichte schleppen, nein, dafür ist es definitiv zu schwer - und dran glauben tue ich schon gar nicht. Ich laufe längst durch andere Gebäude des deutschen Freiluft-Museums im chilenischen Frutillar, als mir einfällt, dass in meiner Familie bald eine Hochzeit ansteht. Und so ein Hufeisen aus Chile eigentlich ein nettes Mitbringsel ist...

Franz graviert Hufeisen fürs "gute Glück".
Also zurück in die historische Schmiede, wo Franz arbeitet. "Eine gute Entscheidung", meint er. "Das hilft Ihnen während der ganzen Reise." - "Aber das Hufeisen ist gar nicht für mich", wende ich ein. Doch das Argument gilt nicht: "Solange sie das Hufeisen bei sich haben, wirkt es auch für Sie!" Dann kann ja nichts mehr schief gehen...

Und Franz muss es wissen: Seit 1948 arbeitet er als Schmied. Mit 15 hat er das Handwerk von seinem Vater gelernt, 20 Jahre haben sie zusammen geschafft, seit 42 Jahren ist Franz allein am Werk - erzählt er mir auf Nachfrage. Dass er inzwischen mitsamt der Schmiede im Museum gelandet ist, dürfte wohl eine einzigartige Karriere sein.

Franz spricht übrigens perfekt Spanisch und Deutsch. Als Sohn deutscher Einwanderer ist er in dieser Gegend aufgewachsen. Als einer von vielen Deutschstämmigen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie gezielt angeworben. Sie bauten Häuser in deutscher Land-Architektur, gründeten Familien und deutsche Schulen. Viele Orte der Gegend um Osorno sehen heute noch deutsch aus, Frutillar vielleicht am deutlichsten. Sogar der spanische Wortschatz wurde hier um ein deutsches Wort bereichert: Kuchen!

Nach Osorno bin ich übrigens geflüchtet, weil sich in Pucon - meinem eigentlichen Ziel - das Wetter über Nacht deutlich verschlechtert hatte. An eine Besteigung des Vulkans Villarica war nicht zu denken. Also bin ich direkt weitergereist. Von hier aus geht's morgen weiter nach Bariloche in Argentinien. Mit einem Hufeisen und viel Glück im Gepäck!

PS: Wer wissen will, welche Reiseziele als Nächstes geplant sind, findet die Antwort in meiner Reisekarte.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Abschied im Laufschritt

Auf diesem Bild rennen Andrea und Martin zum falschen Bus. Den richtigen haben sie später trotzdem noch bekommen.
Vor drei Minuten habe ich mich von Andrea und Martin verabschiedet. Am Busbahnhof von Talca trennen sich unsere Wege: Ich fahre nach Pucon, die beiden wollen zum Vulkan Antuco, um dort zu wandern. Das jedenfalls ist der Plan. Doch gerade rennen die beiden mit ihren schweren Rucksäcken wieder an mir vorbei. "Waren im falschen Terminal", keucht Andrea, "müssen hier zum Bussteig 37." Und rennt weiter. Glück gehabt: Dort steht noch ein Bus. Zwei Minuten vor Abfahrtzeit, das war knapp.

Davor haben wir schon im falschen Linienbus gesessen (fuhr nicht zum Busterminal), uns von einer Ortskundigen den falschen Weg erklären lassen (vielleicht war auch unser Spanisch zu schlecht) und haben dann in höchster Zeit-Not in einem Taxi gesessen, das nicht angesprungen ist (das nächste funktionierte dann zum Glück). Aber jetzt ist ja alles gut...

Alles gut? Zehn Minuten später im anderen Terminal: Die beiden rennen tatsächlich schon wieder an mir vorbei. "Martin hat die Sitzplatznummer mit der Bussteignummer verwechselt", raunt Andrea. "Aber sag's ihm nicht." Weil ihr Bus zehn Minuten Verspätung hat, kommen sie trotzdem noch mit. Ich halte an mich und verabschiede mich - ganz ernsthaft und ohne ein spottendes Wort - ein drittes Mal von Martin. Schön war die gemeinsame Woche, das kann man schließlich auch gar nicht oft genug sagen!

Mein Bus fährt eine halbe Stunde später, diesmal geht's - wie gesagt - nach Pucon. Laut Reiseführer der touristischste Ort südlich von Costa Rica. Klingt nicht gerade wie eine Auszeichnung. Aber in ungefähr acht Stunden kann ich mich selbst davon überzeugen...

Dienstag, 30. November 2010

Erdbeben

Erdbeben-Schäden in Talca.
Was das große Februar-Erdbeben auf dem Friedhof von Valparaiso angerichtet hat, war ja bereits einigermaßen makaber. Aber was wir in Talca zu sehen bekommen, ist im Vergleich fast schon schockierend. Die Stadt befindet sich relativ nah am damaligen Epizentrum, die Folgen des Erdbebens sind überall zu sehen. Fast alle Häuser älteren Datums haben erhebliche Schäden davon getragen. Manche in einfacherer Bauweise sind auch komplett eingestürzt.

Für die Aufbauarbeiten sind viele Bauarbeiter in der Stadt, die Hotels und Hostals sind deshalb weitgehend ausgebucht. Die Traveller weichen in eine Lodge vor den Toren der Stadt aus. Auch Andrea, Martin und ich. Von dort aus machen wir eine Tageswanderung im Nationalpark "Altos de Lircay" und besuchen für drei Tage die Lama-Lodge in den Bergen, die den selben Besitzern gehört. Dort wiederum sind wir einen Tag per Pferd unterwegs und genießen ansonsten die Abgeschiedenheit.
Trauma vorbei: Versöhnung zu Pferd.

Allerdings wackelt auch dort die Erde. Einmal nachts, einmal am Morgen. Für chilenische Verhältnisse sind das bloß Mini-Erdbeben. Mir aber reicht's für einen ordentlichen Schrecken.

Dafür hat der gemeinsame Ausritt immerhin ein altes Trauma geheilt. Wie bereits berichtet, hat Andrea vor mehr als 20 Jahren meinen ersten Reitversuch subversiv unterlaufen (siehe Eintrag vom 20. Juli). Jetzt feiern wir Versöhung zu Pferd...

Donnerstag, 25. November 2010

Sehr morbider Charme

Blick vom Balkon der Casa Kreyenberg auf das nächtliche Valparaiso.
Von Wuppertal bis Lüderitz wird so mancher Stadt unterstellt, sie hätte einen morbiden Charme. Für Valparaiso in Chile allerdings würde ich das sofort unterschreiben. Nicht nur, weil sie seit ihrer Blütezeit vor rund 100 Jahren reichlich Patina angesetzt hat, sondern auch weil die Naturgewalten hier ausgerechnet dem Friedhof so zugesetzt haben, dass es fast schon makaber ist.

Valparaiso liegt mehr als fünf Autostunden vom Epizentrum des großen Erdbebens im Frühjahr entfernt. Größere Schäden an der Bausubstanz hat es augenscheinlich nicht gegeben. Erstaunlich ist dafür, wie stark der Friedhof in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Andrea bekommt einen Knochen in die Hand gedrückt.
Eigentlich ist er wegen der großen Schäden nur noch für Angehörige geöffnet. Doch Andrea, Martin und ich haben Glück: Wie wir vor dem verschlossenen Tor stehen (nachmittags ist die Anlage komplett geschlossen), kommt einer der Wächter und bietet uns eine Führung über das Gelände an. Das macht er offenbar öfters, auch wenn es nicht erlaubt ist. Aber dem Mann ist vermutlich einigermaßen langweilig. Und auf diese Weise kann er sich auch noch das eine oder andere Taschengeld dazu verdienen.

Wie auch immer: Wir staunen über die Verwüstungen. Umgestürzte Kreuze, eingestürzte Grabkammern, zertrümmerte Grabplatten. Hier und da lugen Knochen aus den Trümmern. Einen Unterarmknochen bekommt Andrea prompt in die Hand gedrückt. Irgendwie ganz schön gruselig. Ich will gar nicht wissen, was die Wachhunde hier schon so alles angestellt haben...

15 dieser Aufzüge sind noch in Betrieb.
Berühmt ist die Stadt ansonsten für ihre öffentlichen Aufzüge, mit denen man die höher gelegenen Viertel erreichen kann. Gebaut wurden sie Ende des 19. Jahrhunderts, und den entsprechenden Charme haben sie noch.

Wie überhaupt die halbe Stadt wie ein Freiluftmuseum wirkt - mit all ihren wellblechverkleideten Häusern aus der Zeit der vorvorigen Jahrhundertwende. Kein Wunder, dass sie Unesco-Weltkulturerbe ist.

Auch viele Deutsche scheinen sich seinerzeit hier niedergelassen zu haben. Wir residieren etwa in der Casa Kreyenberg, einem alten deutschen Haus mit herrlichem Blick über die Stadt. Leider nur eine Nacht, dann geht es schon wieder weiter...

Dienstag, 23. November 2010

Erichs Geist

Es ist ein ganz besonderer Moment für mich: Seit mehr als sechs Monaten bin ich unterwegs, in fremden Ländern inmitten von fremden Menschen. In Santiago treffe ich nun vertraute Gesichter: meine alte Schulfreundin Andrea mit ihrem Freund Martin. Die beiden machen gut drei Wochen Urlaub in Chile, ein paar Tage davon wollen wir gemeinsam verbringen.

Im Gepäck haben sie, was ich unterwegs so schmerzlich vermisse: einen aktuellen Spiegel (den letzten habe ich mir für 13 Euro in Kolumbien gegönnt) und deutsche Bücher. Klasse!

Nachdem wir uns in einem Hotel eingerichtet haben, machen wir, was wir schon als Teenager in Wiesbaden gerne gemacht haben: Schnapsideen in die Tat umsetzen. Wir wollen wissen, wo die sterblichen Überreste von Erich Honecker sind. Die Internet-Recherche ergibt: Die Urne liegt im Garten des Hauses, wo seine Frau Margot heute noch lebt. Auch die Adresse finden wir heraus: Straße Carlos Silva Vildosola Nummer 8978 G in Santiago de Chile.

Per Metro und Taxi geht es dorthin. Es ist ein kleines Kunststück, denn die Straße gibt es gleich mehrfach in der Stadt - aber wir schaffen es. Klar, es steht kein Name am Klingelschild und auch sonst gibt es keinerlei Hinweis auf die Bewohnerin. Ein hohes Tor versperrt den Blick auf das Grundstück - und von Erichs Urne ist schon gar nichts zu sehen. Trotzdem machen wir ein Erinnerungsbild, vom Mann in der Pforte kritisch beäugt.

Kurios: Wir machen drei verschiedene Fotos, und alle kommen uns abhanden. Auf unerklärliche Weise sind kurze Zeit später alle Bilder von Martins Kamera gelöscht. Mit Hilfe meines Laptops versuche ich, die Daten auf seiner Speicherkarte zu rekonstruieren. Das klappt auch: Rund 200 Fotos werden wieder hergestellt, bloß die Bilder vor Margots Haustür bleiben verschwunden. Ein Mirakel! Wir sind uns sicher: Erichs Geist muss in die Kamera gefahren sein.

Wie auch immer: Weil es in Santiago sonst nicht allzuviel zu tun gibt, fahren wir heute erst noch auf den Hausberg wegen der guten Aussicht - und dann weiter in die Stadt Valparaiso...

Montag, 22. November 2010

Schlagbaum mit Anschluss

Flamingos machen den Abflug: Laguna de Chaxa im Salar de Atacama (Chile).
  Es ist ein mittelprächtiger Kulturschock. Er beginnt etwa 300 Meter hinter der Grenze. Diesseits bin ich seit Tagen auf Schotterpisten unterwegs gewesen. Staubig und gar nicht gut fürs Kreuz. Die letzte Asphaltstraße, die ich irgendwo hinter La Paz gesehen habe, ist gefühlte Wochen weit weg. Jenseits geschieht dann das Wunder: Mitten in der Wüste hebt sich ein Schlagbaum (der buchstäblich im Nichts steht und den sich die Bolivianer gönnen, obwohl es an der Grenze zu Chile nicht mal einen Zaun gibt) und nach nur wenigen Minuten erreicht der Bus eine geteerte Straße. Laufruhig und sauber, unfassbar!

Rund 2000 Höhenmeter geht es runter, dann landen wir im Tal, in dem sich die chilenische Atacama-Wüste erstreckt. Zwar habe ich es eilig, weil ich zwei Tage später meine alte Schulfreundin Andrea in Santiago de Chile treffen will. Aber ich liebe Wüsten - für ein klein bisschen Power-Sightseeing muss einfach Zeit sein!

Valle de la Luna
Und so klappt das: Mittags bin ich im Städtchen San Pedro de Atacama angekommen. Drei Stunden später sitze ich bereits im Tour-Bus uns sehe mir mit einer Reisegruppe das Tal des Mondes an. Der Name lügt nicht, es sieht tatsächlich aus wie auf dem Mond. Das Besondere: Die Wände des canyonartigen Tals bestehen u.a. aus Salz, überzogen mit einer dünnen Schicht Erde. Würde es einmal regnen - der Canyon wäre an vielen Stellen weiß! Und weil die extremen Temperaturen in der Wüste das Salz ausdehnen und zusammenziehen, knackt es in den Wänden, als würde ein Einsturz unmittelbar bevor stehen.

Am Sonntag schaffe ich dann - bevor es am Nachmittag per Bus Richtung Santiago geht - noch eine Tour, diesmal in den Salar de Atacama. Anders als im bolivianischen Pendent ist die Salzpfanne hier nicht hart und platt, sondern sehr uneben - Folge stark schwankender Wasserstände. Schon kurz nach Sonnenaufgang sind wir da, um die Flamingos zu beobachten. Okay, es ist kalt und ich habe nur vier Stunden geschlafen. Aber das macht mir gar nichts: Bis in die Hauptstadt braucht der Bus nachher satte 23 Stunden! Genug Zeit zum Aufwärmen - und zum Ausschlafen...

Mehr Fotos aus der Atacama-Wüste

Sonntag, 21. November 2010

Salz

Salar de Uyuni, eine spektakulär schöne Landschaft.
Eine Blitzreise ist, wenn man erst um 20.15 Uhr von der Radtour auf der Todesstraße zurück in La Paz ankommt und um 21 Uhr schon im Nachtbus nach Uyuni sitzt. Spart Übernachtungskosten und Zeit - bereits am nächsten Morgen ist man in diesem merkwürdigen Wüstendorf angekommen, in dem es weder Wifi noch Kontaktlinsenflüssigkeit gibt. Die Restaurantszene besteht aus einem Dutzend Pizzerien, desweiteren gibt's einen Bahnhof (vier Züge je Woche) und sonst rein gar nichts. Man könnte dieses Nest getrost gottverlassen nennen, wenn nicht die örtliche Kirche vom Gegenteil zeugen würde.

Wie auch immer: Uyuni selbst ist sowieso nur Durchgangsstation zur gleichnamigen Salzwüste. Von hier aus starten die Tourveranstalter. Ich folge einer Empfehlung und buche bei Colgue Tours. Was sich am nächsten Morgen insofern als Fehler herausstellt, weil eine 14-köpfige Pauschal-Touristen-Gruppe aus Frankreich dasselbe getan hat. Nichts gegen Franzosen. Aber diese (gefühltes Alter zwischen 50 und 100) gehen mir an die Nerven.

Auf der Insel Incahuasi wachsen viele Säulen-Kakteen.
Wir - sowie ein mitreisenden argentinisches Pärchen - werden auf drei Jeeps verteilt. Die Gleichung 17 durch drei geht freilich nicht auf. Das sorgt für Missmut. Die Franzosen im ersten Jeep sind der Meinung, der Wagen sei mit fünf Personen voll genug, ich solle in einen anderen einsteigen. Im zweiten Jeep fällt den Franzosen das erst nach einem Tag ein - man will mich wiederum umverteilen und verweigert mir spontan den Zutritt zum Wagen. Erst ein Machtwort des Veranstalters setzt der Posse ein Ende.

Sei es drum. Die Hauptsache ist die Landschaft. Und die ist tatsächlich atemberaubend. Nicht nur wegen der großen Höhe (3600 bis 4200 Meter), sondern weil wir durch eine irreale Szenerie fahren. Blendend weiß leuchtet die platte Salzkruste, die bis zum Horizont reicht. Hintergrund: Die Salar de Uyuni ist Teil eines prähistorischen Salzsees, von dem an dieser Stelle eine Salzwüste übrig  geblieben ist.

Der steinerne Baum
Mitten aus dieser bizarren Landschaft ragt eine Insel heraus. Bewachsen mit vielen wunderschönen Kakteen. Hier Fotos zu machen, ist eine wahre Freude - jeder Schuss ein Treffer.

Weniger erfreulich sind dafür die Unterkünfte während dieser Tour. Nur so viel: Drei Tage ist keine Dusche in Sicht... Immerhin: Die erste Nacht ist insofern reizvoll, als wir in einem Salzhotel schlafen. Die Wände, die Stühle, die Tische - alles ist aus Salzziegeln gebaut.

Am zweiten Tag geht's dann weiter zu verschiedenen Lagunen im Südwesten Boliviens. Dort gibt es jede Menge Flamingos, einen "steinernen Baum" - und viele Pampas-Hasen (oder sind es Vischachas?). Es ist unfassbar, wie schön Wüsten sein können!

Bedauerlichweise gibt es auch einen Abgang zu beklagen. Eine von meinen drei Jeans kolabiert. Es ist ein hässliches Geräusch, mit dem sich ihr Verableben ankündigt. Raaaaaaaatsch macht es beim Einsteigen in den Jeep - und es gibt ein Loch an einer nicht gesellschaftsfähigen Stelle. Kurz darauf platzt auch noch der Hauptknopf ab. Da ist nichts mehr zu retten. Zum Glück habe ich in Peru einen Poncho gekauft. Bisher war es mir zu peinlich, ihn zu tragen. Jetzt verhütet er Peinlicheres...


Laguna Colorada: Eigentlich war mir der Poncho peinlich, jetzt verhütet er Peinlicheres.
An Tag drei geht's dann noch zu heißen Geysiren und Quellen. Morgens um fünf, noch vor Sonnenaufgang, starten wir. Die Tourguides ködern uns mit dem Versprechen, dass wir so früh das schönste Licht - und damit die schönsten Fotos hätten. Stimmt. Leider ist deshalb drei Stunden Dauerschnattern angesagt. Bei minus sechs Grad machen wir Sightseeing. Ich bin für solche Temperaturen nicht gerüstet und schlottere mich durch den Morgen.

Den anderen geht es allerdings ähnlich: Der Wind ist so stark, dass es niemand länger als zwei oder drei Minuten außerhalb des Jeeps aushält. Das warme Natur-Thermalbad, wo sich die anderen Touristen aufwärmen, scheint daher verlockend. Aber allein die Idee, auch nur ein Kleidungsstück abzulegen, ist völlig undenkbar. 

Für meine französischen Freunde und mich ist derweil der Moment des Abschieds gekommen. Nächstes Ziel unserer Jeeps ist die bolivianisch-chilenische Grenze. Von hier aus werden wir mit dem Bus nach San Pedro de Atacama gefahren. Das Ende unseres gemeinsamen Trips. Merci - und auf Nimmerwiedersehen!

Mehr Fotos aus dem Salar de Uyuni

Mittwoch, 17. November 2010

Die gefährlichste Straße der Welt

Auf 4700 Metern Höhe geht es los.
In La Paz gibt es allerlei wunderliche Freizeitbeschäftigungen für Touristen. Da gibt es etwa das Cholita-Wrestling. Cholitas nennt man die bolivianischen Frauen mit den traditionellen langen Zöpfen und den aparten Hüten. Die sonntäglichen Schaukämpfe im Stadion - natürlich wird kräftig an den Haaren gezogen - erfreuen sich bei Einheimischen wie bei Zugereisten großer Beliebtheit (http://www.nationalgeographic.de/reportagen/topthemen/2008/keiner-kaempft-wie-die-cholitas).

Oder lieber ein Besuch im Knast? Auch der ist bei Travellern schwer angesagt. Das "Eintrittsgeld" geht an einen der Gefangenen, der einen dafür als Angehörigen ausgibt, ins Gefängnis einlädt - und dort eine Führung veranstaltet. Klingt unglaublich, ist aber wahr (http://www.plattfuss.org/blog/2002/san-pedro-la-paz)!

Rene rollt
Ganz oben auf der Liste absonderlichen Tuns steht auch die angeblich gefährlichste Straße der Welt. Auf jeden Fall dürfte es nicht viele Straßen auf dieser Welt geben, die einen größeren Höhenunterschied überwinden: Von 4700 Metern geht es runter bis auf 1200. Die Fahrbahn, an manchen Stellen nur 3,20 Meter breit, ist teilweise in extrem steile Berghänge gebaut. Seit 1998 bietet die Agentur Gravity (steht für "Gravity Assisted Mountain Biking") Fahrradtouren auf dieser Strecke an. Und damit auch viele Touristen buchen, ist es eben die gefährlichste Straße der Welt - egal ob es irgendwo in Nepal eine gefährlichere oder engere gibt.

Wonach sollte man die Gefährlichkeit auch bemessen? In La Paz jedenfalls führt man diverse Todesopfer ins Feld. Genüsslich erzählen die Tourguides, an welcher Stelle ein Radfahrer aus Versehen zur falschen Seite abgestiegen ist oder vor welcher Kurve ein anderer die Vorderbremse zu stark beansprucht hat... Gott hab' sie seelig!

Und ja, ich habe es mitgemacht. Nach dem Vulcano Boarding in Nicaragua war mir mal wieder nach einer Herausforderung. Und da ich für Elends-Tourismus nichts übrig habe, habe ich die Sache mit dem Knast sein lassen.

Morgens um halb acht fahren wir los, 13 zahlende Touristen (um je 75 Euro erleichtert) werden per Bus auf den nahe gelegenen La Cumbre-Pass gebracht. Dort, in 4700 Metern Höhe, bekommen wir die Ausrüstung. Helm, Ganzkörper-Anzug (gegen die Kälte), Handschuhe - und natürlich die Räder. Alles ist in gutem Zustand.

Dann geht's los. Bei idealem Wetter (trocken, sonnig) starten wir in den ersten Abschnitt. Der ist einfach zu fahren, weil die Straße asphaltiert und relativ breit ist. Störend sind nur die langsamen LKWs, die wir überholen müssen. Ja, es geht recht zügig runter, wobei ich im Vergleich eher zu den Langsameren gehöre.

Auf der Asphaltstraße müssen wir Lkws überholen.
Alle paar Kilometer machen wir eine Pause, dann wird gewartet bis alle beisammen sind. Das freilich dauert zunächst ziemlich lange: Eine japanische Journalistin will die Landschaft genießen und bremst sich gemütlich die Straße herunter. Das bringt ihr den Unmut der wartenden Traveller ein. Die haben nix mit Sightseeing am Hut. Wer die gefährlichste Straße der Welt runterrast, will Extremerfahrung - und keine Landschaftimpressionen. Das wird der Journalistin auch rasch deutlich gemacht. Die zickt zwar erst ein wenig rum, fügt sich schließlich aber dem Gruppenzwang.

Dann geht's zügig weiter - in den Regen. Nicht etwa, weil es sich zuzieht, sondern weil wir von oben in die Regenwolken hinein rollen. Das ist ziemlich unangenehm, weil die Anzüge nicht wasserdicht sind. Die anfangs gute Laune sinkt schnell. Und dann liegen auch noch acht Kilometer aufwärts radeln vor uns, bevor es nur noch bergab geht. Zwei Holländer, wer sonst, sind die Einzigen, die sich das jetzt zutrauen. Der Rest der Gruppe nimmt das Angebot an, sich mit dem Bus rüberfahren zu lassen. Das T-Shirt "I survived the death road" gibt es trotzdem für jeden. Versichert der Tour-Leiter, ein junger blondgelockter Australier.

Die Fahrbahn ist nur gut drei Meter breit.
Also Bus. Vielleicht eine Viertelstunde später stehen wir am Anfang der echten "Death Road". Die ist nämlich nicht asphaltiert, sondern besteht nur aus Schotter. Und wird von Autos zum Glück kaum noch benutzt, seit es eine asphaltierte Umgehungsstraße gibt. Der Fahrweg jedoch ist tatsächlich kaum mehr als drei Meter breit - und jenseits des Abhangs geht es steil runter. Das aber sehen wir zum Glück nicht. Wir sind noch in den Wolken und neben dem Weg ist es einfach nur weiß. Wie schön, das verschont mich von Schwindelgefühlen.

Dennoch fahre ich nicht sonderlich schnell. Um ehrlich zu sein: Ich bin bekennender Starkbremser. Auf nassem Schotter mag ich einfach nicht rasen. Weshalb ich mich am Ende des Feldes etabliere.

Und so geht es weiter hinunter, Etappe für Etappe. Wir rollen unten aus den Wolken heraus, erreichen die Vegetationsgrenze - und mit der Zeit wird es auch wärmer. Wir legen Klamotten ab, in den Tourwagen, der uns folgt.

Der Nebel verbirgt gnädig den Abhang.
Je weiter wir herunterrollen, desto trockener und sonniger wird das Wetter. Umso weniger steil sind die Abhänge. Jetzt macht es sogar fast schon Spaß. Nach gut fünf Stunden und 3500 Höhenmetern ist das Ziel erreicht. Alle sind heil im Tal angekommen, niemand ist gestürzt. Alle sind stolz. Doch der Schrecken holt uns wieder ein: Bei der Rückfahrt mit dem Bus über die selbe Straße. Oben angekommen verdeckt keine gütige weiße Wolke die extrem steilen Abhänge. Meine Sitznachbarin stöhnt ein ums andere Mal auf, wenn es mal wieder so aussieht, als würde der Bus die Kurve nicht kriegen.

Ja, die "Death road" bringt den Kick. Aber als bekennender Warmduscher und Starkbremser wäre mir eine gemütliche Sightseeing-Tour lieber gewesen. Ich kann auch ohne Kick...

PS: Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber nach einem halben Jahr unterwegs habe ich einen Heißhunger auf deutsche Küche entwickelt. In La Paz war ich in einem deutschen Restaurant und konnte mich eine Viertelstunde nicht zwischen Grünkohl mit Mettwurst, Gulasch und Kasseler mit Sauerkraut entscheiden. Letzteres ist es dann geworden. Hm...

Sonntag, 14. November 2010

Sonne in der Regenzeit

Über dem Festland hängen Wolken, die Isla del Sol aber macht ihrem Namen Ehre!
Mir ist es herzlich egal, ob der Titiacacasee "der höchste schiffbare See der Welt" ist (Lonely Planet Südamerika, 1. Auflage, 2007, Seite 989) oder ob "er nicht, wie vielfach zu lesen ist, der höchste schiffbare See der Welt" ist (Lonely Planet Südamerika, 1. Auflage, 2007, Seite 236) - ich bin einfach nur froh, hier endlich mal eine Sonneninsel gefunden zu haben inmitten der Regenzeit. Die verfolgt mich nämlich schon seit Mexico.

Es war Anfang Juni, ich war noch keine zwei Wochen in Puerto Vallarta, als dort die trockenen Tage zu Ende gingen. Stattdessen kam dort an jedem der folgenden Nachmittage ein ordentlicher Guss runter. Seitdem startete die saisonale Regenzeit bemerkenswerterweise immer just dann, wenn ich irgendwo ankam - oder kurz davor. Das war in Guatemala so (August), in Nicaragua (September), Kolumbien (Oktober) und Peru (November).

Doch jetzt kann ich endlich Sonne tanken - auf der Isla del Sol. Die befindet sich auf der bolivianischen Seite des Titicacasees und macht ihrem Namen alle Ehre. Während das Festland rundherum mehr oder weniger unter Wolken liegt, blitzt über der Insel die Sonne. Kein Wunder, dass diese laut Inka-Mythologie hier erschaffen worden sein soll.

Leider habe ich hier nur Zeit für eine Übernachtung auf der Insel. Schade, denn es ist auch sagenhaft billig hier. Für mein Zimmer habe ich umgerechnet rund drei Euro bezahlt. Gut, die Ausstattung ist eher schlicht. Aber dafür habe ich sogar Meerblick.

Jedoch der Zeitplan drängt: Gleich geht es schon wieder mit dem Boot zurück - Richtung La Paz, der Hauptstadt Boliviens. Mal sehen, ob es dort auch regnet...


Samstag, 13. November 2010

Clear the idea

"Group, where are you?"
"Ungefähr 1.040.000 Ergebnisse" liefert Google auf die Suchfrage "Machu Picchu blog". Und seit ich auf "Post veröffentlichen" gedrückt habe, gibt es noch ein Ergebnis mehr. Ich finde, das reicht. Ich schenke mir daher eine detailreiche Schilderung über die Anfahrt im Touristen-Zug mit spektakulären Aussichten, über das Geschiebe der vielen Menschen auf den Wegen in und rund um die Ruinenstadt - und über den Tourguide, der gefühlt seine dreimillionste Gruppe herumführte. Legendär seine Ausrufe: "Group, where are you?" - und: "Clear the idea!" Was immer Letzteres bedeuten sollte. 

Ich mache es also kurz. Nur so viel: Die Landschaft alleine ist schon so spektakulär, dass man Stunden einfach nur dasitzen und staunen möchte. Dass sich dort oben auf dem Berg auch noch die Ruinen einer Stadt befinden, macht den Ort schlicht sensationell. Bei unserem Besuch - ich war wiederum mit dem englischen Pärchen Laura und Andy unterwegs (die beiden mögen "zee germans") - war es ziemlich regnerisch, was die bezaubernde Atmosphäre eher noch verstärkt hat.

Klar, dass Machu Picchu alle anderen Ruinen in den Schatten stellt. Trotzdem lohnt auch ein Besuch an anderen historischen Stätten im "Heiligen Tal". Weil die Inka bevorzugt auf den Bergen gebaut haben, gibt es auch dort großartige Architektur und tolle Aussichten!

Meine nächste gibt es übrigens am Titicaca-See. Heute Nacht gehts mit dem Bus dorthin. Und bis es soweit ist, denke ich darüber nach, was "Clear the idea" laut Online-Übersetzungssoftware auf Deutsch bedeuten soll: "Klären Sie die Idee". Ich versuch's!

Dienstag, 9. November 2010

KO

Dünne Luft in Bogotá - 2600 Meter über dem Meeresspiegel


Zwischen faszinierend und schockierend! Selten hat mich eine Stadt so oft und so schnell hin- und hergerissen wie Bogotá. Eine Stadt so groß wie London. Kreativ, inspirierend, aufregend, brutal.

Die heitere Seite lernen wir an Halloween kennen. Wir, das sind Laura, Andy und ich. Die beiden Engländer kenne ich vom Segelboot nach Kolumbien. In der Hauptstadt treffen wir uns wieder. Und die ist im Ausnahmezustand. Halloween wird hier gefeiert wie anderswo Karneval. Im Zentrum und im Einkaufs- und Vergnügungsviertel der Stadt drängen sich die Menschen auf der Straße. Mit schauerlichen Kostümen ziehen Familien oder Freundesgruppen umher - sehen und gesehen werden. Drei Tage wird gefeiert, rund um die Uhr! 

Halloween wird hier gefeiert wie anderswo Karneval
Weniger heiter ist, dass mir dabei unter äußerst dubiosen Umständen das Portmonnee gestohlen wird. Der Verlust des Bargeldes ist noch verschmerzbar. Aber dass die Karten weg sind, macht die Sache richtig heikel. Denn natürlich lasse ich sie sperren - und drehe mir damit selber den Geld-Hahn ab. Finanzieller KO.

Zum Glück leihen mir Laura und Andy eine größere Summe. Damit kann ich die Zeit überbrücken, bis mir mein Vater etwas rüberschickt. Schließlich liefert mir Visa nach ein paar Tagen eine Notfall-Karte. Damit bin ich bis auf Weiteres erstmal wieder flüssig. Ein schönes Gefühl, nachdem ich zwischenzeitlich umgerechnet keine zwei Euro mehr in der Tasche - aber eine offene Hotelrechnung hatte.

Ich ziehe mit einer mexikanischen Totenmaske los


Was fährt der Jung' auch nach Kolumbien, mag man sich da denken. Auch auf die Gefahr hin, dass das an dieser Stelle jetzt nicht sonderlich glaubwürdig klingt: Das Land ist inzwischen relativ sicher geworden. Entführungen - früher an der Tagesordnung - gibt es keine mehr. Wohl aber noch die übliche Kriminalität, wie in anderen Ländern auch.

Deren Ursache ist auch hier die Armut. Einerseits ist Bogotá eine Stadt der Ersten Welt. Es gibt diverse Shopping-Center europäischen Standards, mitunter auch echten Luxus. Die historische Altstadt ist hergerichtet und ein charmant-lebendiges Studenten- und Szene-Viertel. Und zwischendrin gibt es immer wieder den Anblick schockierenden Elends. Alte, Kranke, Verstümmelte. Nicht mehr vergessen werde ich den Bettler ohne Gliedmaßen auf einer der Haupteinkaufsstraßen. Sie alle kommen aus den Armenviertel der Stadt, und von denen gibt es mehr als genug. Es ist diese Mischung, die dazu führt, dass die Stadt nicht nur heiter und charmant, sondern auch rau und wild wirkt.

Es mag an meiner Extrem-Situation liegen, mit Sicherheit aber auch an den Temperaturen, dass ich nach dieser Geschichte erstmal krank werde. Bogotá liegt auf 2600 Metern Höhe - und entsprechend kalt ist es. Nachts friere ich unter fünf Decken. Jetzt hilft nur noch strenge Bettruhe: Fünf Tage hüte ich das Bett. Tatsächlich wünsche ich mich in dieser Zeit zurück in mein eigenes.

Gold-Engel
Stadt-Esel
Dann geht es endlich besser, die Lebensgeister kehren zurück: Ich mache noch ein bisschen Sightseeing (unter anderem im berühmten Gold-Museum), stürze mich noch einmal ins Nachtleben (siehe Eintrag vom 6. November) und bereite nach mehr als zehn Tagen in Bogotá meinen Abflug vor. Weil ich hier so viel Zeit verloren habe, fällt der Ausflug zum Amazonas leider aus. Auch die peruanische Hauptstadt Lima muss ich mir ein andermal anschauen. Dort werde ich nur umsteigen - direkt nach Cusco und Machu Picchu.

Samstag, 6. November 2010

Nachts in Bogotá

Freitagnacht, Hinfahrt. Der Fahrer des Taxis VDS432, ein junger Mann um die 30, drückt mächtig auf die Tube. Tempo 80 in der Innenstadt? Kein Problem, wenn keine Polizei in Sicht ist, sich stattdessen aber eine Lücke zwischen zwei vorausfahrenden Autos bildet. Das eine fährt brav auf der linken Fahrbahn, das andere schön auf der rechten. Wir hupend dazwischen - und vorbei. Puh, das war knapp.

Wenigstens fährt mein Chauffeur an roten Ampeln etwas langsamer - um zu schauen, ob jemand von rechts oder links kommt. Besser so, sonst würde mir sogar auf dem Rücksitz schwindelig. Da: Eine Polizeikontrolle! Lässig wirft sich Herr Conductor den Gurt über die Schulter, freilich ohne die Schnalle einrasten zu lassen. Ich hätte auch gerne einen Gurt, aber für Fahrgäste ist das nicht vorgesehen.

Dann wieder Beschleunigung, noch um zwei Ecken rum, schon sind wir am Ziel. Angeblich. Als Taxi VDS432 schon sechs Straßen weiter ist, realisiere ich, dass ich am falschen Ort gelandet bin.

Freitagnacht, Rückfahrt. Drei andere habe ich schon gefragt, der Fahrer des Taxis SIB690 ist der Erste, der keinen überzogenen Preis verlangt. Er wird um die 55 sein, fährt zügig, aber mit Gurt.

Eine dreispurige Hauptverkehrsstraße in der Innenstadt: Etwa 50 Meter vor uns läuft ein junger Mann über die Straße, womöglich betrunken, sein Schritt wirkt nicht sehr sicher. Der Taxi-Fahrer zieht nach rechts, um ihm auszuweichen. Der Mann aber läuft in dieselbe Richtung, um dem Taxi auszuweichen. Ich erkenne das Gesicht des Fußgängers. Ich höre den Schlag - zum Glück nur in meiner Vorstellung. Denn der Fahrer hat das Auto geistesgegenwärtig noch mal scharf nach rechts gezogen. Diesmal gelingt es ihm, die Gefahr zu umfahren. Puh, das war knapp.

Eine echte Schrecksekunde. Und Gesprächsstoff für den Rest der Fahrt. Obwohl ich Einbahnstraßenhalber vorschlage, mich vorher abzusetzen, besteht der Taxi-Fahrer darauf, mich vor der Hoteltür abzusetzen. Das sei sicherer. Dort wartet er, bis mir jemand geöffnet hat und ich drinnen verschwunden bin.

Dazwischen. Ein Club in Bogotá-Chapinero. Eine aufgekratzte Air France-Stewardess erzählt einem Einheimischen, dass ihr die Stadt super gefällt. Und dass sie heute Abend zum ersten Mal Kokain genommen hat, das bringt sie zwischen Gekicher auch noch heraus. Er reagiert deutlich angewidert, versucht ihr zu erklären, dass Drogen ein großes Problem für das ganze Land sind. Europa trifft auf Kolumbien. Freitagnacht auf der Raucherterrasse des Theatron in Bogotá-Chapinero. Ich gehe wieder tanzen. Vor lauter Fremdschämen mag ich nicht länger zuhören. Und das Rauchen habe ich schon vor einem halben Jahr aufgegeben...

Freitag, 29. Oktober 2010

Tauchen in Taganga

In Honduras habe ich Blut geleckt - oder muss es heißen: Salzwasser? -, auf jeden Fall gibts jetzt eine Fortsetzung. In Taganga, einem kleinen Ort bei Santa Marta, mache ich meinen zweiten Tauchkurs, den Advanced Open Water Diver. 

Schönstes Erlebnis: der Nacht-Tauchgang. Nur vom Schein der Lampen erhellt, sieht die Unterwasser-Welt nochmal ganz anders aus. Und ich wusste auch noch nicht, dass Plankton im Dunkeln leuchtet, wenn man mit der Hand ein wenig im Wasser herumrührt. Ich liebe diesen Anblick...

Doch mit dem Tauchen ist es jetzt schon wieder vorbei. Nach sieben Tauchgängen in drei Tagen geht es gleich mit dem Nachtbus in die Hauptstadt - nach Bogotá, zur großen Halloween-Feierei.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Die Heimat des Kokain

An diesem Hang wurden bis vor zwei Jahren Koka-Pflanzen angebaut.
Immer noch: Kolumbien ist ein Hauptexporteur von Kokain. Dabei hat der Staat den Kampf gegen die Drogen seit Jahren forciert. Mit beachtlichen Erfolgen. Und mit sichtbaren: Seit gestern bin ich zurück von meinem fünftägigen Urwald-Trip zur Ciudad Perdida. Dieser Trip  war zugleich ein Lehrpfad zur Drogenherstellung in Kolumbien - der Weg zur Ruinenstadt führt durch ein ehemaliges Koka-Anbaugebiet.

Auffällig sind auf den ersten zehn Kilometern des Weges vor allem die vielen Berghänge, auf denen nichts wächst. Außer Gras. Aber von Kühen oder anderem Vieh ist weit und breit nichts zu sehen. Weshalb der Urwald hier einst gerodet wurde, ist nicht ersichtlich. Die Erklärung gibt einer unserer Tour-Führer: Es handelt sich um ehemalige Anbauflächen für die Koka-Pflanze.

Auf Nachfrage bekommen wir am zweiten Tag unseres Trips in einem Camp die ganze Geschichte erzählt - von einem Einheimischen. Demnach haben gut 100 Familien in der Region viele Jahre vom Kokain-Anbau gelebt. Gut gelebt. Denn auch wenn vom Schwarzmarkt-Wert der Droge nur ein Bruchteil beim Erzeuger landete, so war der Anbau dennoch deutlich lukrativer als der anderer Pflanzen.

Ein Koka-Strauch
Ein willkommenes Zubrot kam bis vor zwei Jahren noch von Touristen auf dem Weg zur Ciudad Perdida: Gegen eine Art "Eintrittsgeld" in Höhe von umgerechnet rund zehn Euro wurde den Reisenden gezeigt, wie aus der Koka-Pflanze die Droge hergestellt wird. Ein überaus aufwändiger Prozess: Sechs Chemikalien - darunter auch hochexplosive und giftige - sowie eine mehrtägige komplizierte Prozedur sind nötig, um Kokain herzustellen.

Doch mit dem Geschäft war es bald vorbei: Unter den Touristen, die sich in der Drogenküche umschauten, war vor zwei Jahren - so bekamen wir es erzählt - auch eine Journalistin aus Bogotá, die die Story nach ihrer Rückkehr öffentlich machte. Titel: "Drogen-Tourismus im Dschungel".
Das war es dann: Das Militär rückte kurz danach mit rund 3000 Mann an und rupfte jede Planze mitsamt Wurzel aus der Erde. Seitdem sind die Berghänge weitgehend kahl. Vereinzelt sieht man zwar auch Kakao-Pflanzen, die als Ersatz hochgezogen wurden - aber die längst nicht so lukrativ sind. 

Trotzdem: Auf unserem weiteren Weg sehen wir tatsächlich vereinzelt wieder einige Koka-Sträucher wachsen - etwa bei einem Indianer-Dorf. Aber diese Pflanzen dienen wohl eher dem Eigengebrauch. Für kommerziellen Handel sind es nicht genügend. Das aber heißt freilich nicht, dass in Kolumbien kein Koka mehr angebaut würde. Die Produktion wurde lediglich in andere Landesteile verlegt, die noch schlechter zugänglich sind. Heißt: Bis der Staat das Drogenproblem unter Kontrolle bekommt, ist es noch ein weiter Weg. Buchstäblich.