Dienstag, 28. Dezember 2010

Wachgerüttelt

So berichtete Tagesschau online über das Erdbeben.


Rumms!!! Was ein Schlag! Eben noch im Tiefschlaf, bin ich von einer Sekunde auf die andere hellwach. Die Wände wackeln, das hölzerne Dachgebälk knirscht mächtig. Die Vibration kommt von ganz tief unten, geht durch Mark und Bein. Drei Alternativen. Wenn es anfängt zu krachen: sofort unter das Bett. Wenn es nur weiter wackelt: raus aus dem Haus. Oder es hört einfach gleich auf.

Es hört auf. Puh... Was ein Schreck! Es ist 4.35 Uhr in der Nacht, zweiter Weihnachtsfeiertag. Ich wusste nicht, dass der Kopf so schnell von null auf hundert fahren kann. Ich liege im Bett meines Einzelzimmers in Christchurch. Draußen höre ich Stimmen, sie klingen nicht panisch. Scheint, dass so ein Erdbeben hier noch zum Standard gehört. Immerhin liegt die Südinsel Neuseelands genau an der Stelle, wo sich zwei Kontinentalplatten übereinander schieben. Kleinere Erdbeben gehören zum Tagesgeschäft.

Ein Feuerwehrwagen ist zu hören. Kurze Zeit später noch einer. Dann ist Ruhe. Okay, kann also nicht so schlimm gewesen sein, denke ich mir. Und versuche, wieder einzuschlafen. Immerhin muss ich schon in anderthalb Stunden aufstehen, weil ich den Bus nach Picton nehmen will. Allein, es gelingt mir nicht. Zum einen sausen noch so viele Stress-Hormone durch meinen Körper, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Zum anderen gibt es auch noch Nachschub durch zwei kräftige Nachbeben.

Als ich dann später am Morgen durch Christchurch zur Busstation laufe, erkenne ich keinerlei Schäden, keine sonstigen Auffälligkeiten. Erst später bei Tagesschau online sehe ich, dass es Verletzte und beschädigte Gebäude gegeben hat. Das wundert mich nicht, weil der Schlag schon ordentlich war. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert.

Das Ganze war zugleich Schlusspunkt meiner Zeit in Neuseeland. Ich bin inzwischen zurück nach Auckland gefahren, um dort den Flieger nach Melbourne zu nehmen. Eigentlich war das zu wenig Zeit für die beiden Inseln, aber mehr als ein Schnupperaufenthalt war auch nicht geplant. Die Welt ist definitiv zu groß, um alles in einem Jahr zu sehen. Aber immerhin weiß ich hinterher, wo ich noch einmal hinfahren muss...

Samstag, 25. Dezember 2010

Weihnachten bei den Kiwis

Blick aus xdem Zugfenster: An Heiligabend durchquere ich per Bahn die neuseeländischen Südalpen.
Regen in Auckland, Regen auch in Wellington - und die Aussichten sind besch...eiden. Die örtliche Tageszeitung zeigt einen trotz eines Regenschirms durchnässten Passanten als Titelbild, dazu die Schlagzeile: "Latest christmas forecast". Eigentlich war mein Plan, auf die Südinsel überzusetzen und dort ein paar Tage im Abel-Tasman-Nationalpark zu verbringen. Doch das überlasse ich lieber den regenfesten Hardcore-Travellern. Ich bin ein Warmduscher und entscheide mich für die Weichei-Variante: Ich fahre nach Christchurch und mache von dort aus an Heiligabend eine Sightseeing-Tour mit dem Zug. Garantiert trocken!
Abends gibts Glühwein im Hostel.

TranzAlpine heißt die Strecke, die von der Ost- auf die Westseite der Insel führt und dabei die Südalpen durchquert. Billig ist der Spaß nicht: Für die 4 Stunden 40 Minuten nach Greymouth und zurück werden schlappe 100 Euro fällig. Aber dafür sitze ich trocken und bequem im Sessel, derweil das Berg-Panorama vor meinem Fenster vorbei zieht.

Die Strecke bietet immer wieder spektakuläre Aussichten - auf schneebedeckte Berge, Flüsse und Täler. Knapp 800 Höhenmeter erreicht der Zug, um dann bei Arthur's Pass in einem acht Kilometer langen Tunnel zu verschwinden. Dann kommen wir auf der anderen Seite der Wasserscheide wieder heraus und rollen Richtung Greymouth. Unterwegs kommen mehrere heftige Regenschauer herunter. Herrlich!

Am Strand steht eine Tanne.
Den Heiligen Abend verbringe ich im Hostel, dort wird im Garten mit allen Gästen gegrillt. Ich komme ins Gespräch mit vier Schwaben und einen Schweizer, die Zutaten für Glühwein gekauft haben. Und weil es nach Sonnenuntergang doch recht frisch wird, machen wir es uns mit Glühwein in der Küche gemütlich.

Dabei lerne ich, was der Rösti-Graben ist (Grenze zwischen deutscher und welscher Schweiz), warum Stuttgart 21 doof ist ("und wenn dann die ganzen Thermalquellen weg sind...") und dass man nicht erst Bier, dann Glühwein und dann noch neuseeländischen Riesling trinken sollte! 

Obwohl der Kopf noch brummt, fahren wir am ersten Feiertag zum Strand, picknicken. Dort hat sogar jemand eine Tanne aufgestellt. Ungeschmückt, aber immerhin. Weihnachten bei den Kiwis! Echte Weihnachtsgefühle kommen zwar auch dadurch nicht bei mir auf. Aber ein paar warme Sonnenstrahlen auf der Haut sind durchaus ein guter Ersatz... Merry christmas!

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Neuseeland: Auf dem Sprung

Auf der Suche nach Adrenalin: Touristen springen vom Fernsehturm in Auckland.
So gehört sich das für eine ehemalige britische Kolonie: Neuseelands Geschichte und Gegenwart sind voller skurriler Begebenheiten und unerwarteter Details. Das fängt schon mit den Kiwifrüchten an. Die stammen nämlich aus China, und der größte Produzent der Welt, noch vor China, ist - Italien. Und wer wusste schon, dass Friedensreich Hundertwasser in der 1400-Seelen-Gemeinde Kawakawa eine öffentliche Toilettenanlage hinterlassen hat? Architektur, die erleichtert.

Bemerkenswert ist auch, wie sich die Briten in Besitz des Landes brachten. Die Gegend um die Hauptstadt Wellington etwa räumten die ansässigen Maori angeblich im Tausch gegen 100 Musketen, 100 Decken, 60 rote Nachtmützen und ein Dutzend Regenschirme. Das auf diese Weise erworbene Land vermehrte sich 1855 auf ungewöhnliche Weise: Bei einem Erdbeben wurde der Boden um bis zu sechs Meter angehoben, im Hafenbereich immer noch um gut zwei Meter. Das bedeutete 250 Meter Landgewinn, er wurde zum Bau des Stadtzentrums genutzt.

Vielleicht ist es diese Tradition des leicht Abwegigen, der dazu geführt hat, dass Neuseeland heute eine Nation auf dem Sprung ist. Auf meiner bisherigen Reise hatte ich ja den Eindruck, dass es die Australier sind, die sich furchtlos überall hinunter stürzen müssen und auch sonst keinem Adrenalinkick aus dem Weg gehen. Seit ich hier bin, weiß ich, dass sie von den Kiwis noch in den Schatten gestellt werden. Man könnte glauben, das ganze Land sei ein einziger Abenteuerspielplatz.

Adrett und nett: Wellington
Das fängt schon in Auckland an, wo die meisten internationalen Touristen ankommen. Hier kann man sich vom größten Fernsehturm der südlichen Hemisphäre stürzen. Oder wahlweise einfach oben auf der Plattform spazieren gehen. Draußen, direkt am Rand natürlich.

Und solche Angebote ziehen sich quer durchs Land: Bungee jumping, quad bikes und heli hikes gehören zum Standardprogramm. Und dann gibt es noch Neu-Erfindungen wie die so genannten Jet Boats, in denen 20 Touristen 30 Minuten über das Wasser geschleudert werden. O-Ton: "You'll thrill to the experience of travelling across just centimetres of water or rotating through a 360° spin, famous features of the amazing jetboat technology, first invented in New Zealand!" Hauptstadt des Adrenalins ist Queenstown, wo angeblich das Bungee jumping erfunden wurde. Auf der Homepage http://www.queenstown.com gibt es sogar eine Top 3-Hitliste mit den aktuell beliebtesten Extremsportarten. Zurzeit vorne: der Shotover Jet.

Das lockt Rucksack-Touristen, das füllt die Kassen. Ausgerechnet in einer Nation, die ansonsten eher ruhig und adrett erscheint. Die ehemalige Kolonie wirkt wie alle Zöglinge, die niemals rebelliert haben -  ein bisschen langweilig. Die Städte sind klein und haben nicht sonderlich viel zu bieten. Das gilt auch für die Hauptstadt Wellington, wo ich gerade bin.

Der größte Trumpf Neuseelands ist aber ohnehin die Natur. Denn nirgendwo sonst gibt es Berge, Fjorde, Regenwald und so viele verschiedene Klimazonen derart dicht beisammen. Deshalb will ich morgen auf die Südinsel, auf der Suche nach Natur pur. Dann wollen wir mal sehen, ob Neuseeland auch noch spannend ist, wenn man sich nicht irgendwo hinunter stürzen kann...

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Sexy und übergeschnappt

Bunt bemalte Häuser im Stadtteil La Boca.
Ich habe ja schon viel Mist gelesen in den Lonely Planet-Reiseführern, aber die Beschreibung von Buenos Aires ist nicht nur originell, sie trifft auch noch zu. Die These: "Die Raffinesse eines geschliffenen Diamanten trifft auf den Charme eines unrasierten Casanovas. Der Geist eines durchgeknallten Wahnsinnigen paart sich mit der Attitüde eines berühmten Supermodels." Kurzum: Wenn Berlin arm, aber sexy ist, ist Buenos Aires sexy, aber übergeschnappt.

Straßenszene in San Telmo.
Eine Woche habe ich Zeit für diese Stadt, die den Abschluss meiner Reise durch Lateinamerika bildet. Zugegeben, eine Woche ist nicht genug für ein profundes Urteil. Aber ich erlebe mehr als einmal, dass den Porteños (so nennen sich die Hauptstädter) alles Diplomatische, also Takt, Zurückhaltung und Höflichkeit, völlig abgeht. Geh' aufs Ganze, jetzt oder nie - so lautet die Devise. Auch zugegeben: Das hat was!

Das alles spielt sich ab in einer Stadt, die ihre Blütezeit augenscheinlich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte, noch von dieser Zeit zehrt und auch noch ihren Duft verströmt. Die meisten Metro-Stationen stammen aus dieser Zeit ebenso viele zehn-, elf- oder gar zwölfgeschossige Häuser im Jugend- bzw. verwandten Stilen - mit hohen Decken!

Erst vor kurzem hat der Spiegel Buenos Aires zur spannendsten Stadt der Welt erklärt. Ob's stimmt? Ich versuche es herauszufinden - auf dem Antikmarkt von San Telmo, in den Kneipen von Palermo und im Hafen- und Künstlerviertel La Boca. Ich staune über die gut sanierten Viertel genauso wie über die maroden - und die erstaunlich vielen Müllhaufen auf den Gehwegen im Zentrum.

Andy und Laura (M.) haben für Karneval eingekauft.
Zum letzten Mal treffe ich dabei Laura und Andy aus London. Nachdem sich unsere Wege seit Panama immer wieder gekreuzt haben, laden die beiden "ze german" (ausgesprochen: "si german") - in Anspielung auf die deutsche Unfähigkeit ein englisches "th" auszusprechen - zum Abschiedsessen ein. Für das Paar geht's nach anderthalb Jahren auf Tour kurz vor Weihnachten zurück nach Hause. Vorher aber decken sie sich noch für Karneval ein: Mit Ledermasken auf dem Straßenmarkt von San Telmo.

Auch für mich steht ein Abschied an: Nach sechs Monaten verlasse ich Lateinamerika, morgen geht mein Flug nach Neuseeland. Ein bisschen wehmütig bin ich schon, denn ich habe mich sehr an diese Kultur gewöhnt. So verschieden die Länder von Mexico bis Argentinien auch alle sein mögen, so gibt es doch auch viel Gemeinsames - und wenn es nur der unvermeidliche Enrique Iglesias ist, der von Chihuahua bis Puerto Madryn "Cuando me enamoro" seufzt.

Sexy und übergeschnappt
Und so verlasse ich Buenos Aires mit dem Gefühl, dass das mit der aufregendsten Stadt womöglich seine Richtigkeit hat, dass Salsa und Reggaeton einen festen Platz im Schunkelzentrum meines Gehirns erobert haben - und dass ich auf jeden Fall nochmal mit mehr Zeit wiederkommen will, nach Buenos Aires und nach Lateinamerika!

Cogeré la libertad!

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Von Pinguinen und Mate

Pinguin mit Nachwuchs.
Wir werden ziemlich eindringlich gewarnt. Falls ein Wal zur linken Seite des Bootes auftauche, möge bitte nicht jedermann von der rechten Seite herüberstürmen. Gleiches gelte umgekehrt. Denn das eine wie das andere würde unser Bötchen zweifelsohne zum Kentern bringen. Gleichgewichtsübungen für 50 Touristen - auf einem zwar hinreichend großen, aber doch etwas wackeligem Schlauch-Boot vor der Küste der Halbinsel Valdés in Argentinien.

Whale Watching ist angesagt. Bis Mitte Dezember sind hier Südkapern unterwegs, so heißt eine Glattwal-Art. Die Tiere kommen jede Saison hierher, um sich fortzupflanzen und Junge zur Welt zur bringen. Es zeigt sich, dass die 80-Tonnen-Kolosse durchaus wendig und rasch unterwegs sind. So manch ein Wal ist längst wieder abgetaucht, bevor die "Watcher" überhaupt die Kamera gezückt haben. Immerhin: Trotzdem gelingt der eine oder andere Schnappschuss von den bis zu 18 Meter langen Meeressäugetieren.

Ein Glattwal auf dem Sprung.
Und so ist das Ganze auch noch eine gute Übung für den nächsten Tag. Da steht Delfin-Gucken auf dem Programm. Und die Biester sind nun wirklich schnell. Selbst wer die Kamera blind draufhält und sofort auf den Auslöser drückt, wenn ein Delfin auch nur die Nase aus dem Wasser hält, hat keinerlei Chance. Für ihre eleganten Sprünge brauchen diese Tierchen gerade mal einige Zehntelsekunden.

Das bringt die Reisegruppe schier zum Verzweifeln. Wo springen sie denn jetzt? Hier, nein dort, nein da drüben... Manche fotografieren aus lauter Frust willkürlich auf die Wasseroberfläche in der Hoffnung auf einen Schnappschuss. So ähnlich gelingt mir dann tatsächlich auch das einzig einigermaßen gescheite Foto von einem Delfin. Unter dem Strich siegt aber das Tier eindeutig im Wettkampf mit der Auslöse-Technik.

Mate-Tee: Wer Nein sagt, beleidigt Argentinien.
Letzter Höhepunkt meiner Tage in Puerto Madryn - dort habe ich Quartier genommen - ist eine Tour zur größten Pinguin-Kolonie außerhalb der Antarktis. 600 000 bis eine Million Tiere leben dort - und sind erstaunlich gelassen ob der vielen Menschen. Bis auf wenige Zentimeter lassen sie die großen Zweibeiner an sich heran. Die müssen sich an strenge Regeln halten: Watschelt ihnen etwa ein Pinguin über den Weg, dann hat der strikt Vorfahrt. Alles andere würde das Tier verstören. Auch müssen die Hauptwege der Vögel stets freibleiben, deshalb gibt es Fußgängerbrücken an den entsprechenden Stellen...


Delfine bringen Touris zur Verzweiflung.
Auf dem Rückweg erklärt uns unser Tourguide dann noch die Geheimnisse des Mate-Tee-Trinkens. Das Nationalgetränk der Argentinier schmeckt zwar nicht sonderlich gut, darf aber nirgendwo fehlen. Und das sind die drei goldenen Regeln: 
  1. "Wenn der Mate zu heiß ist, trink ihn wie ein Gaucho: Lächele - und verstecke Deinen Schmerz hinter dem Lächeln."
  2. "Wenn Dir dabei doch eine Träne ins Auge steigt, mache es wie ein Gaucho und sage: Das ist keine Träne, das ist der patagonische Wind.'"
  3. "Und schließlich: Es gibt nur drei Antworten, die in Frage kommen, wenn Du zu einem Mate eingeladen wirst. Por supuesto (,Selbstverständlich'), Si (,Ja') oder Gracias (ablehnendes Danke) - wer Nein sagt, beleidigt ganz Argentinien!"
Gut zu wissen, bevor ich gleich mit dem Nachtbus in die Hauptstadt fahre...

Montag, 6. Dezember 2010

Im Gleichgewicht

Ideal zum Paddeln: Das Seengebiet der argentinischen Anden.

Und schon wieder eine Premiere. Diesmal traue ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in ein Kajak. Zugegeben, viel Mut gehört gerade nicht dazu. Denn es ist ein wunderschöner Tag in Bariloche, der Stadt im Seengebiet der argentinischen Anden. Blitzblanker Himmel, die Sonne wärmt, nicht ein Hauch von Wind könnte ein wackeliges Kajak mit einem Anfänger darin zum Kippen bringen.

Der Anfänger selbst freilich kann es ganz schnell. Denn der will sich gerade nur einmal fürs Foto Umdrehen - und denkt dabei so gar nicht ans Gleichgewicht. Ui, das schwankt schon ganz erheblich! Was ein Glück, dass eine kajak-erfahrene Frau aus Bielefeld (40, Sabbatjahr, Lehrerin) mit im Boot sitzt. Sie behält die Nerven - und balanciert dagegen. Wir bleiben über Wasser. Das freut auch unseren Tourleiter, der seine Schäfchen ebenfalls lieber trocken hat...

Die Schäfchen bleiben trocken.
Der Rest unserer Paddelei ist das pure Vergnügen. Still und konzentriert gleiten wir über das stahlblaue Wasser des Bergsees. Die beiden Anfängerinnen im anderen Kajak hängen wir locker ab. Warum musste ich eigentlich erst 39 werden, um herauszufinden, dass Kajakfahren so ein Vergnügen sein kann?

Samstag, 4. Dezember 2010

Fürs gute Glück

Häuser im deutschen Freilicht-Museum von Frutillar in Chile.
"Ich dachte mir schon, dass Sie wiederkommen! Die meisten kommen wieder." Franz (77) verkauft ein Stück vom Glück. Und zwar in Hufeisenform. Solche graviert er nach den Wünschen seiner Kunden. "Fürs gute Glück", verspricht ein Schild. Und weil jeder ein bisschen davon nötig hat, kaufen die Besucher reichlich - auch wenn sie manchmal ein bisschen Besinnungszeit brauchen. Aber Franz kann warten.

Auch ich habe erstmal abgewunken. Ein Hufeisen fünf Monate durch die Weltgeschichte schleppen, nein, dafür ist es definitiv zu schwer - und dran glauben tue ich schon gar nicht. Ich laufe längst durch andere Gebäude des deutschen Freiluft-Museums im chilenischen Frutillar, als mir einfällt, dass in meiner Familie bald eine Hochzeit ansteht. Und so ein Hufeisen aus Chile eigentlich ein nettes Mitbringsel ist...

Franz graviert Hufeisen fürs "gute Glück".
Also zurück in die historische Schmiede, wo Franz arbeitet. "Eine gute Entscheidung", meint er. "Das hilft Ihnen während der ganzen Reise." - "Aber das Hufeisen ist gar nicht für mich", wende ich ein. Doch das Argument gilt nicht: "Solange sie das Hufeisen bei sich haben, wirkt es auch für Sie!" Dann kann ja nichts mehr schief gehen...

Und Franz muss es wissen: Seit 1948 arbeitet er als Schmied. Mit 15 hat er das Handwerk von seinem Vater gelernt, 20 Jahre haben sie zusammen geschafft, seit 42 Jahren ist Franz allein am Werk - erzählt er mir auf Nachfrage. Dass er inzwischen mitsamt der Schmiede im Museum gelandet ist, dürfte wohl eine einzigartige Karriere sein.

Franz spricht übrigens perfekt Spanisch und Deutsch. Als Sohn deutscher Einwanderer ist er in dieser Gegend aufgewachsen. Als einer von vielen Deutschstämmigen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie gezielt angeworben. Sie bauten Häuser in deutscher Land-Architektur, gründeten Familien und deutsche Schulen. Viele Orte der Gegend um Osorno sehen heute noch deutsch aus, Frutillar vielleicht am deutlichsten. Sogar der spanische Wortschatz wurde hier um ein deutsches Wort bereichert: Kuchen!

Nach Osorno bin ich übrigens geflüchtet, weil sich in Pucon - meinem eigentlichen Ziel - das Wetter über Nacht deutlich verschlechtert hatte. An eine Besteigung des Vulkans Villarica war nicht zu denken. Also bin ich direkt weitergereist. Von hier aus geht's morgen weiter nach Bariloche in Argentinien. Mit einem Hufeisen und viel Glück im Gepäck!

PS: Wer wissen will, welche Reiseziele als Nächstes geplant sind, findet die Antwort in meiner Reisekarte.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Abschied im Laufschritt

Auf diesem Bild rennen Andrea und Martin zum falschen Bus. Den richtigen haben sie später trotzdem noch bekommen.
Vor drei Minuten habe ich mich von Andrea und Martin verabschiedet. Am Busbahnhof von Talca trennen sich unsere Wege: Ich fahre nach Pucon, die beiden wollen zum Vulkan Antuco, um dort zu wandern. Das jedenfalls ist der Plan. Doch gerade rennen die beiden mit ihren schweren Rucksäcken wieder an mir vorbei. "Waren im falschen Terminal", keucht Andrea, "müssen hier zum Bussteig 37." Und rennt weiter. Glück gehabt: Dort steht noch ein Bus. Zwei Minuten vor Abfahrtzeit, das war knapp.

Davor haben wir schon im falschen Linienbus gesessen (fuhr nicht zum Busterminal), uns von einer Ortskundigen den falschen Weg erklären lassen (vielleicht war auch unser Spanisch zu schlecht) und haben dann in höchster Zeit-Not in einem Taxi gesessen, das nicht angesprungen ist (das nächste funktionierte dann zum Glück). Aber jetzt ist ja alles gut...

Alles gut? Zehn Minuten später im anderen Terminal: Die beiden rennen tatsächlich schon wieder an mir vorbei. "Martin hat die Sitzplatznummer mit der Bussteignummer verwechselt", raunt Andrea. "Aber sag's ihm nicht." Weil ihr Bus zehn Minuten Verspätung hat, kommen sie trotzdem noch mit. Ich halte an mich und verabschiede mich - ganz ernsthaft und ohne ein spottendes Wort - ein drittes Mal von Martin. Schön war die gemeinsame Woche, das kann man schließlich auch gar nicht oft genug sagen!

Mein Bus fährt eine halbe Stunde später, diesmal geht's - wie gesagt - nach Pucon. Laut Reiseführer der touristischste Ort südlich von Costa Rica. Klingt nicht gerade wie eine Auszeichnung. Aber in ungefähr acht Stunden kann ich mich selbst davon überzeugen...