Freitag, 29. Oktober 2010

Tauchen in Taganga

In Honduras habe ich Blut geleckt - oder muss es heißen: Salzwasser? -, auf jeden Fall gibts jetzt eine Fortsetzung. In Taganga, einem kleinen Ort bei Santa Marta, mache ich meinen zweiten Tauchkurs, den Advanced Open Water Diver. 

Schönstes Erlebnis: der Nacht-Tauchgang. Nur vom Schein der Lampen erhellt, sieht die Unterwasser-Welt nochmal ganz anders aus. Und ich wusste auch noch nicht, dass Plankton im Dunkeln leuchtet, wenn man mit der Hand ein wenig im Wasser herumrührt. Ich liebe diesen Anblick...

Doch mit dem Tauchen ist es jetzt schon wieder vorbei. Nach sieben Tauchgängen in drei Tagen geht es gleich mit dem Nachtbus in die Hauptstadt - nach Bogotá, zur großen Halloween-Feierei.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Die Heimat des Kokain

An diesem Hang wurden bis vor zwei Jahren Koka-Pflanzen angebaut.
Immer noch: Kolumbien ist ein Hauptexporteur von Kokain. Dabei hat der Staat den Kampf gegen die Drogen seit Jahren forciert. Mit beachtlichen Erfolgen. Und mit sichtbaren: Seit gestern bin ich zurück von meinem fünftägigen Urwald-Trip zur Ciudad Perdida. Dieser Trip  war zugleich ein Lehrpfad zur Drogenherstellung in Kolumbien - der Weg zur Ruinenstadt führt durch ein ehemaliges Koka-Anbaugebiet.

Auffällig sind auf den ersten zehn Kilometern des Weges vor allem die vielen Berghänge, auf denen nichts wächst. Außer Gras. Aber von Kühen oder anderem Vieh ist weit und breit nichts zu sehen. Weshalb der Urwald hier einst gerodet wurde, ist nicht ersichtlich. Die Erklärung gibt einer unserer Tour-Führer: Es handelt sich um ehemalige Anbauflächen für die Koka-Pflanze.

Auf Nachfrage bekommen wir am zweiten Tag unseres Trips in einem Camp die ganze Geschichte erzählt - von einem Einheimischen. Demnach haben gut 100 Familien in der Region viele Jahre vom Kokain-Anbau gelebt. Gut gelebt. Denn auch wenn vom Schwarzmarkt-Wert der Droge nur ein Bruchteil beim Erzeuger landete, so war der Anbau dennoch deutlich lukrativer als der anderer Pflanzen.

Ein Koka-Strauch
Ein willkommenes Zubrot kam bis vor zwei Jahren noch von Touristen auf dem Weg zur Ciudad Perdida: Gegen eine Art "Eintrittsgeld" in Höhe von umgerechnet rund zehn Euro wurde den Reisenden gezeigt, wie aus der Koka-Pflanze die Droge hergestellt wird. Ein überaus aufwändiger Prozess: Sechs Chemikalien - darunter auch hochexplosive und giftige - sowie eine mehrtägige komplizierte Prozedur sind nötig, um Kokain herzustellen.

Doch mit dem Geschäft war es bald vorbei: Unter den Touristen, die sich in der Drogenküche umschauten, war vor zwei Jahren - so bekamen wir es erzählt - auch eine Journalistin aus Bogotá, die die Story nach ihrer Rückkehr öffentlich machte. Titel: "Drogen-Tourismus im Dschungel".
Das war es dann: Das Militär rückte kurz danach mit rund 3000 Mann an und rupfte jede Planze mitsamt Wurzel aus der Erde. Seitdem sind die Berghänge weitgehend kahl. Vereinzelt sieht man zwar auch Kakao-Pflanzen, die als Ersatz hochgezogen wurden - aber die längst nicht so lukrativ sind. 

Trotzdem: Auf unserem weiteren Weg sehen wir tatsächlich vereinzelt wieder einige Koka-Sträucher wachsen - etwa bei einem Indianer-Dorf. Aber diese Pflanzen dienen wohl eher dem Eigengebrauch. Für kommerziellen Handel sind es nicht genügend. Das aber heißt freilich nicht, dass in Kolumbien kein Koka mehr angebaut würde. Die Produktion wurde lediglich in andere Landesteile verlegt, die noch schlechter zugänglich sind. Heißt: Bis der Staat das Drogenproblem unter Kontrolle bekommt, ist es noch ein weiter Weg. Buchstäblich.

Montag, 25. Oktober 2010

In der verlorenen Stadt

Die zentralen Plattformen in der Ciudad Perdida. Darauf standen Häuser aus Holz und Lehm.
Was mache ich eigentlich hier? Welcher Teufel hat mich bloß geritten, um die halbe Welt zu reisen, damit ich jetzt klatschnass und frierend im strömenden Regen sitze? Irgendwo im kolumbianischen Regenwald gestrandet, es gibt kein Vor und kein Zurück. Weshalb bin ich nicht einfach zu Hause geblieben, daheim im kuscheligen Bett?

Es hat gerade mal zwei Stunden gedauert, um das Hochgefühl des Morgens gen Nullpunkt sinken zu lassen. Hoch, das sind die Ruinen der verlorenen Stadt, der Ciudad Perdida. Sie ist neben Machu Picchu die größte präkolumbische Stadt in Südamerika. Drei Tage lang sind ich und 13 andere Touristen durch den Dschungel gestapft, um dorthin zu gelangen. Weil es keine andere Möglichkeit gibt, denn die Ruinen liegen abseits aller Verkehrswege.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Cartagena - sicherste Stadt seit Mexico

Man soll das aktuelle Reiseland ja nicht vor der nächsten Grenze loben. Aber bis jetzt erscheint mir Kolumbien für lateinamerikanische Verhältnisse ziemlich sicher und stabil. In Cartagena zum Beispiel habe ich mehrere Einheimische gefragt, wie man sich ein sicheres Taxi organisiert. Erfahrung macht klug. Jedesmal habe ich in große, erstaunte Augen geschaut. Unsichere Taxis, nein, die gebe es hier nicht. Wow, dafür verleihe ich der Stadt das Prädikat "Sicherste Stadt seit Mexico".

Ansehnlich ist sie übrigens auch. Die Altstadt mit den alten Wehranlagen ist proper herausgeputzt und sprudelt nur so vor Leben. Salsa-Musik und Mojitos. Die Mischung passt hier besser als in Havanna.
Trotzdem ist schon nach drei Tagen wieder Abreise angesagt: Der Urwald ruft. Nächstes Ziel ist die Ciudad Perdida. Das ist neben Machu Picchu die größte präkolumbianische Stadt Südamerikas. Allerdings liegt sie von Bäumen überwuchert abseits aller Verkehrswege. Dorthin gelangt man nur zu Fuß. Drei Tage dauert allein der Hinweg.

Heute bin ich in den kleinen Küstenort Taganga gefahren. Dort startet morgen die Wanderung. Also wieder sechs Tage ohne Internet, so langsam gewöhne ich mich dran... Waidmanns Heil!

Montag, 18. Oktober 2010

Hier gehts um die Nuss

"Du gehst mir auf die Nuss!" - "Sieh bloß zu, dass Du Land gewinnst!" Keine Ahnung, wie viele Traveller sich so oder so ähnlich gegenseitig angemacht haben nach ihrem Segeltrip von Panama nach Kolumbien... Aber es dürften einige gewesen sein - nach fünf Tagen an Bord einer bescheiden großen Segelyacht.

In meinem Fall ist sie 38 Fuß lang, Name: Maluco, Heimstatt für sechs zahlende Gäste plus das Gastgeber-Paar. Das reicht nicht mal für einen sicheren Schlafplatz unter Deck. Trotz allen Zusammenrückens muss immer jemand draußen schlafen. Ohne Regenschutz. In der Regenzeit.

Je 400 US-Dollar ist das wert: Andi (30) und Laura (25) aus London, die nächstes Jahr heiraten und in fünf Jahren Kinder haben wollen, Daniela (34) aus Utrecht, Dauer-Traveller James (33) aus Australien und Andi (22) aus Bayern. Wir haben nicht viel gemeinsam außer der Fähigkeit, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Und diese Fähigkeit ist auf einem Segelboot von unschätzbarem Wert!

Doch warum sollte man überhaupt von Panama nach Kolumbien segeln? Weil es keine Straße gibt. Kaum zu glauben, aber wahr: Der Panama-Kanal wurde vor mehr als 100 Jahren mit Blut, Schweiß und Tränen in die Landschaft gegraben. Für eine Straße von Mittel- nach Südamerika aber hat es nicht gereicht.

Man könnte fliegen, aber das geht schnell und freudlos. Bleibt also noch der Segeltrip, der sich unter Rucksack-Reisenden längst etabliert hat. Fast täglich läuft ein Boot aus. In unserem Fall das von Eileen und John aus Venezuela, die sich so in der Emigration ihren Lebensunterhalt verdienen.

An einem Mittwochmorgen legen wir ab - und steuern gleich mal in ein Gewitter. Wir Nicht-Seebären bleiben voller Ehrfurcht unter Deck. Das Boot neigt sich gefährlich zur Seite, Töpfe und sonstiges Geschirr fliegt uns um die Ohren. Meinen Laptop schiebe ich aus Sicherheitsgründen in den Backofen - mit Müh und Not. Zwei Stunden und viele Tabletten gegen Seekrankheit später beruhigt sich die Lage. Das macht doch schonmal Lust auf Meer!

Zum Glück wird die Lage dann wirklich sehr viel ruhiger. Wir schippern zwischen den San Blas-Inseln herum, die zwar offiziell zu Panama gehören, aber einen weitgehenden Autonomie-Status haben. Das einheimische Volk der Kuna zählt rund 25 000 Köpfe und die verteilen sich auf etwa 370 Inseln und Inselchen. Kleine karibische Paradiese.


Nuss-Schalen-Feeling

Dort ankern wir für drei Tage - an verschiedenen Inseln. So etwas nennt man wohl Easy-going: schnorcheln, lesen, liegen, schwimmen, lesen, liegen - und Eileen kocht für uns. Jetzt weiß ich, weshalb mein Kollege Peter ständig Segeln geht. Es ist einfach die gemütlichste Art der Fortbewegung!

Abends treffen wir uns auf einer der Inseln mit einer Gruppe von einer anderen Yacht, die ebenfalls dort ankert. Gemeinsam grillen wir Fisch. Dabei erfahren wir, dass es auch zu easy gehen kann. Deren Käpt'n trinkt zuviel, seit fünf Tagen sitzen die Guten hier schon fest und warten auf Weiterreise. Au wei!

Solche Probleme haben wir zum Glück nicht. Eileen und John sorgen gut für uns - und klären uns auch über die Eigenheiten der Kuna auf. Die sind ein friedliebendes, offenes und gastfreundliches Völkchen. Allerdings sollte man sie nicht einfach fotografieren, dafür wollen sie Geld. Und zwar genau einen US-Dollar, seit ein Kuna in Panama-City eine Postkarte von einem Kuna gesehen hat, die einen Dollar gekostet hat. So weit die Legende. Keine Mär freilich ist es, dass bei der Kokosnuss der Spaß aufhört. Wer sich als Tourist einfach eine Frucht nimmt, die ihm nicht gehört - und selbst wenn sie auf einem unbewohnten Eiland herumliegt - kriegt Ärger. Wenn es um die Nuss geht, kennen die Kuna kein Pardon...

Käpt'n John zerlegt einen Fisch, den wir von Bord aus gefangen haben.
Wir verlegen uns deshalb aufs Fischen. Käpt'n John weiß wie es geht - und auch, wie man die Beute zerlegt. Gegessen wird das Vieh roh...

Nach drei Tagen und zwei Nächten geht's dann zur Sache: Auf hohe See in Richtung Kolumbien. Die Wettervorhersage ist verheerend, doch wir haben Glück. Es bleibt überwiegend trocken. Die See ist unruhig, aber ganz dolle kommt es nicht. Das Boot bleibt in touristenverträglich-stabiler Lage - und ich die meiste Zeit unter Deck. Dort fühle ich mich sicher, auch wenn ich so nicht Segeln lernen kann. Das ist zwar irgendwie schade, aber erstmal gehts ums Überleben. Für die Kür ist dann später noch Zeit.

Nach 30 Stunden Hochsee-Schaukeln kommt der erlösende Ruf: Land in Sicht! Wir haben es geschafft! Und auch wenn wir zahlenden Gäste rein gar nichts zum Gelingen der Reise beigetragen haben, sind wir alle mächtig stolz! Zwar hat keiner von uns Segeln gelernt - aber wir haben uns auf kleinstem Raum vertragen, das ist doch auch schon was!

PS: Inzwischen bin ich schon ein paar Stunden von Bord, aber im Kleinhirn schaukelt es immer noch. Gibt es auch Pillen gegen Landkrankheit?

370 solcher Inseln bilden das autonome Gebiet der Kuna

Dienstag, 12. Oktober 2010

Ausgeraubt: So schön ist Panama

Es ist vollbracht. Ich bin zum ersten Mal ausgeraubt worden. Nach fünf Monaten auf Tour hat es mich ausgerechnet in Panama-City (Foto) erwischt. Dabei ist die Stadt noch vergleichsweise sicher im Verhältnis zu anderen in Mittelamerika. Vielleicht war ich deshalb hier nicht vorsichtig genug. Was ein Taxifahrer und sein Komplize gleich mal ausgenutzt haben.

Der Schaden ist ärgerlich, aber hält sich in Grenzen. Aus Sicherheitsgründen trage ich in der Regel weder Kreditkarte, noch Uhr, Handy oder Ausweis mit mir.
Auf eine detaillierte Schilderung der Aktion vezichte ich an dieser Stelle, damit sich niemand unnötig beunruhigt. Auf jeden Fall war alles halb so wild und die Reise geht wie geplant weiter.

Dabei ist Panama-City sowieso nur eine Durchgangsstation. Selbstverständlich habe ich mir den Panama-Kanal angesehen - aber eigentlich warte ich hier auf ein Segelboot, das mich mit nach Kolumbien nimmt. Morgen gehts los. Der Trip führt erst zu den San Blas-Inseln und geht dann übers offene Meer. Internet ist also nicht. Dafür hoffentlich eine steife Brise. Ahoi!

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Abflug

Innerlich ist mir ein kleiner Stoßseufzer entfahren, als ich vorhin den Ausreiseschalter passiert habe. Ich sitze in der Abflughalle des Flughafens, der Spuk ist vorbei. Zumindest für mich. Die Woche in Kuba war insgesamt eine spannende und aufschlussreiche Zeit. Trotzdem beneide ich den jungen kanadischen Amateur-Boxer nicht, den ich gestern noch im Hotel kennengelernt habe. Er gönnt sich drei Monate Trainingslager in Havanna - und wird die ganze Zeit in der Stadt bleiben.

Nun ist Kuba sicherlich nicht die Hölle auf Erden. Und augenscheinlich ist es auch so, dass der Staat seinen armen Bürgern eine bessere Existenz bietet als viele andere lateinamerikanische Staaten. Das sieht man zum Beispiel an der Zahnpflege (vergleiche Eintrag vom 1. September), Zahnlücken sind verhältnismäßig selten. Analphabetismus und Kindersterblichkeit liegen auf dem Niveau westlicher Industrieländer. Die Schulpflicht wird offenbar durchgesetzt, jedenfalls habe ich keine Kinder arbeiten oder betteln sehen wie in Mexico oder Nicaragua (vgl. Eintrag vom 24. September).

Aber das alles kann keine Diktatur rechtfertigen, die ihren Bürgern Meinungs- und Reisefreiheit vorenthält. Allerdings glaube ich, dass dieses System in dieser Form ohnehin nicht mehr lange bestehen wird. Entweder es ändert sich von innen, wie es etwa in China langsam geschieht - oder es brechen die Dämme, wenn die Brüder das Zeitliche segnen. Klar scheint mir jedenfalls, dass die Abschottung in dem Maße nicht länger funktionieren kann, in dem man (aus wirtschaftlichen Zwängen) immer mehr Touristen ins Land lässt. Denn längst nicht alle sitzen in den Ressorts. Viele fahren auf eigene Faust durch das Land, knüpfen Kontakte. Gleichzeitig zwingen die ökonomischen Probleme zu Reformen. Es heißt, nur die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen würden effizient genutzt, stattdessen müssen Lebensmittel importiert werden. Auch das wird dieser Staat nicht mehr lange durchhalten können.

Mein Eindruck: Wenn auch nicht in Form einer Revolution - die Wende wird kommen. Sie ist nur eine Frage der Zeit. Und Abflug!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Wie dunnemals

Die Autobahn erinnert an den autofreien Sontag einst in Deutschland: Es sind derart wenige Fahrzeuge unterwegs, dass man sich fragt, weshalb Kuba überhaupt Autobahnnen gebaut hat. Da sich die wenigsten Kubaner ein fahrtüchtiges Auto leisten können, hätte es eine einfache Landstraße auch getan. Sei es drum. So ist der Bus, der mich gestern von Viñales nach Trinidad gebracht hat, vielleicht ein paar Minuten früher dort angekommen. Und Platz für Radfahrer war auch noch (Foto)...

Trindidad ist ein kleiner, hübscher Ort, der sich seit Kolon
ialzeiten kaum verändert hat. Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Städtchen wie Antigua (Guatemala) oder Granada (Nicaragua) geht es hier auch noch fast so genauso gemächlich zu wie anno dunnemals. Kein McDo, kein Starbucks, kein Burger King - und auch nur relativ wenige Touristen.

Diese allerdings müssen ständig auf der Hut sein. Gerade eben habe ich auf der Plaza Mayor mit einem deutschen Pärchen gesprochen, die sichtlich froh waren, mal mit einem Landsmann zu sprechen, der es ebenso satt hat, ständig behumpst zu werden. Die beiden schätzen ihren "Schaden" nach ein paar Tagen auf Kuba auf mehr als 50 CUC (also US-Dollar). Meine Verluste dürften in ähnlicher Größenordnung liegen, obwohl ich mich nach Kräften wehre.

Meistens allerdings ist das vergeblich. In der Höhlen-Disco gestern Abend (sie ist tatsächlich in eine echte Tropfstein-Höhle gebaut), hat mir der Barkeeper zum Beispiel das Bier trotz ausdrücklicher Bitte nicht zum regulären Preis verkaufen wollen, sondern einen Aufschlag von 0,75 Cent verlangt. Da kann man sich auf den Kopf stellen, das Geld wird einkassiert.

Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat Yohanka, meine Zimmer-Wirtin. Bei ihr habe ich es gewagt, einmal nicht vorher nach dem Preis für etwas zu fragen. Hinterher sollte ich dann zwölf US-Dollar für ein paar gewaschene Kleidungsstücke zahlen. Nach meinem Protest rückte sie zwar davon ab. Aber das Vertrauensverhältnis ist dahin, ich bin bedient.

Bei dieser Geschäftstüchtigkeit ist es kein Wunder, dass Yohankas Familie einen bemerkenswerten Lebensstandard hat. Sogar Computer und Spiele-Konsole gibt es, während nur drei Straßen weiter die Menschen in Armut leben. Wer reich oder arm ist, hat indessen nichts mit Leistung zu tun, sondern nur mit der Frage, ob man Zugang zu CUC hat. Wer mag es also den Ärmeren verdenken, dass sie auch versuchen, den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen?


Trotzdem habe ich die Nase voll und frage mich, wie lange eine Gesellschaft eine solche Ungerechtigkeit aushält? Vor allem die jüngeren Kubaner wirken unzufrieden. In der Disco lief etwa ein Song einer Band aus Havanna, darin geht es um eine us-amerikanisch/kubanische Romanze, die mangels Reisefreiheit keine Chance hat.

Doch eine Umsturzbewegung wie seinerzeit in der DDR ist nicht erkennbar. Ein Grund mag sein, dass der Staat durch die Insellage gegen Informationen von außen besser abgeschottet ist als es der Arbeiter- und Bauernstaat war. Sogar gegen das Internet: Es heißt, weniger als zwei Prozent der Bevölkerung hätten Zugang. Nein, es riecht nicht nach Revolution...

PS: Ein mir bis dato unbekanntes Insekt lerne ich am Strand von Trinidad kennen. Sieht fast aus wie ein kleiner Krebs, kneift aber netterweise nicht...

Sonntag, 3. Oktober 2010

Verteilungskampf in Viñales

Ein Sturm bricht los, als sich die Türen des Reisebusses öffnen. Dutzende Frauen halten den verdutzten Reisenden Zettel, Flyer und Bilder unter die Nase. Sie überbieten sich gegenseitig in Lautstärke und unterbieten sich im Preis. Alle wollen Touristen beherbergen in ihren Häusern, alle wollen Dollars. Ich bin für zwei Tage nach Viñales gefahren, dem Hauptort in einer der schönsten Landschaften Kubas. Hier leben fast alle vom Tourismus. Es ist Nebensaison, und deshalb ist der Verteilungskampf besonders heftig. Ich mag die Schreierei nicht und wimmele alle ab. Auf eigene Faust suche ich eine Privat-Unterkunft.

Ich finde sie bei Nela, die zwei Tage lang rührend für mich sorgt. Das Zimmer, das Essen - alles ist perfekt. Überhaupt ist das Örtchen ziemlich aufgeräumt. Hier leben offenb
ar alle relativ gut vom Tourismus. Wenn man vom merkwürdigen Empfang absieht, ist es hier völlig ruhig. Niemand spricht mich an, wenn ich durch die Straßen des Ortes laufe, niemand will etwas von mir. Sehr angenehm nach den Tagen in Havanna.

Zu tun gibt es hier einiges. Ich reite unter Führung eines Einheimischen durch die Landschaft. Dabei besuche eine Zigarrenproduktion (angeblich kommen von hier die besten Zigarren), schwimme in einem See. Später besichtige ich ein riesiges Höhlensystem mit 45 Kilometern Länge auf acht Ebenen. Ja, es ist ein kleines Paradies hier. Kein Wunder, dass es angeblich der Lieblingsort von Fidel Castro sein soll. Vielleicht stehen auch deshalb fast in jedem Garten Schilder mit Solidaritätsbekundungen? Sind sie ehrlich gemeint oder eher folkloristische Dekoration? Schwer einzuschätzen...


Abends gibts in der Casa de Cultura Live-Musik mit Touri-Bespaßung: "Where are you from? From Austria!? Applause for Austria!!!" Und alle klatschen für Österreich. Wie gesagt: Man lebt hier gut vom Tourismus...

Freitag, 1. Oktober 2010

Havanna, zweiter Tag

Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich heute mitten in einer Großstadt von krähenden Hähnen geweckt worden.

Habe mich nach dem Frühstück erstmal um einen Anschluss ans Internet bemüht. Das ist gar nicht so einfach, weil es fast nirgendwo welches gibt, auch nicht bei mir im Hotel. Und wo es welches gibt - etwa im Fünf-Sterne-Hotel in der Nähe - zu Preisen wie in einer deutschen Apotheke. Acht Dollar für eine Stunde am Rechner. 35 für fünf Stunden Wifi. Noch nie habe ich so teuer gesurft.


Danach Sightseeing im Museum der Revolution. An der Garderobe warnt ein Hinweisschild, man solle seine Sachen direkt nach Abholen auf Vollständigkeit überprüfen. So
weit hat es die Revolution also gebracht...

Der Zeitraum, auf den sich die Ausstellung bezieht, umfasst die Jahre bis 1990. Und seither ist an der Dauerausstellung auch offenbar nichts aktualisiert worden. Mit verblassten Fotografien wird der Bau von modernen Plattenbau-Siedlungen der 70er-Jahre immer noch als sozialistische Leistung bejubelt, derweil vor der Tür die Häuser der vorvergangenen Jahrhundertwende zu Ruinen zerfallen. Die DDR lässt grüßen.

Es gibt einen Che Guevara-Gedenkraum mit einer bizarren Nachstellung des Heldenkampfes im Dschungel. Im Stile von Madame Tussaut schlägt sich Che als Wachsfigur durch den Urwald. Im Nebengebäude gibt es dann noch eine kleine, skurrile Schau historische
r Waffen, inklusive eines Panzers und mehrerer Klein-Flugzeuge. Im Museums-Shop wird Revolutions-Kitsch verkauft. Dazu gibts Eis am Stil von Nestlé. Das alles zu Dollar-Preisen.

Der Dollar heißt hier übrigens CUC, das ist die Abkürzung für "peso cubano convertible". Dieses Geld ist unmittelbar an den Dollar gekoppelt (im Verhältnis 1:1), aber weil der Dollar hier wegen seiner Herkunft verpönt ist und nicht so heißen darf, wurde der CUC erfunden. Er ist die zweite Währung des Landes. Mit dem einheimischen Peso bekommt man als Tourist de facto kaum etwas.

In einem Reisebüro lerne ich einen Kubaner kennen, der auch Deutsch spricht. Wir verstehen uns gut und treffen uns abends, um Essen zu gehen. Es ist sehr hilfreich, mal die Binnensicht erklärt zu bekommen. Das Restaurant bietet gehobenes Niveau, das Essen ist gut. Aber Kartoffeln sind leider gerade aus.
Angestaubte Helden
Danach spazieren wir noch durch den schöneren Teil der Altstadt. Hier gibt es Restaurants und Bars. Live-Musik, Salsa und Mojitos, den kubanischen Mythos. Alles läuft mit CUC, die Touristen sind quasi unter sich.

Gerade sitze ich wieder auf dem Balkon vor dem Zubettgehen. Noch nie habe ich in einer Großstadt so gut den Sternenhimmel sehen können.