Dienstag, 9. November 2010

KO

Dünne Luft in Bogotá - 2600 Meter über dem Meeresspiegel


Zwischen faszinierend und schockierend! Selten hat mich eine Stadt so oft und so schnell hin- und hergerissen wie Bogotá. Eine Stadt so groß wie London. Kreativ, inspirierend, aufregend, brutal.

Die heitere Seite lernen wir an Halloween kennen. Wir, das sind Laura, Andy und ich. Die beiden Engländer kenne ich vom Segelboot nach Kolumbien. In der Hauptstadt treffen wir uns wieder. Und die ist im Ausnahmezustand. Halloween wird hier gefeiert wie anderswo Karneval. Im Zentrum und im Einkaufs- und Vergnügungsviertel der Stadt drängen sich die Menschen auf der Straße. Mit schauerlichen Kostümen ziehen Familien oder Freundesgruppen umher - sehen und gesehen werden. Drei Tage wird gefeiert, rund um die Uhr! 

Halloween wird hier gefeiert wie anderswo Karneval
Weniger heiter ist, dass mir dabei unter äußerst dubiosen Umständen das Portmonnee gestohlen wird. Der Verlust des Bargeldes ist noch verschmerzbar. Aber dass die Karten weg sind, macht die Sache richtig heikel. Denn natürlich lasse ich sie sperren - und drehe mir damit selber den Geld-Hahn ab. Finanzieller KO.

Zum Glück leihen mir Laura und Andy eine größere Summe. Damit kann ich die Zeit überbrücken, bis mir mein Vater etwas rüberschickt. Schließlich liefert mir Visa nach ein paar Tagen eine Notfall-Karte. Damit bin ich bis auf Weiteres erstmal wieder flüssig. Ein schönes Gefühl, nachdem ich zwischenzeitlich umgerechnet keine zwei Euro mehr in der Tasche - aber eine offene Hotelrechnung hatte.

Ich ziehe mit einer mexikanischen Totenmaske los


Was fährt der Jung' auch nach Kolumbien, mag man sich da denken. Auch auf die Gefahr hin, dass das an dieser Stelle jetzt nicht sonderlich glaubwürdig klingt: Das Land ist inzwischen relativ sicher geworden. Entführungen - früher an der Tagesordnung - gibt es keine mehr. Wohl aber noch die übliche Kriminalität, wie in anderen Ländern auch.

Deren Ursache ist auch hier die Armut. Einerseits ist Bogotá eine Stadt der Ersten Welt. Es gibt diverse Shopping-Center europäischen Standards, mitunter auch echten Luxus. Die historische Altstadt ist hergerichtet und ein charmant-lebendiges Studenten- und Szene-Viertel. Und zwischendrin gibt es immer wieder den Anblick schockierenden Elends. Alte, Kranke, Verstümmelte. Nicht mehr vergessen werde ich den Bettler ohne Gliedmaßen auf einer der Haupteinkaufsstraßen. Sie alle kommen aus den Armenviertel der Stadt, und von denen gibt es mehr als genug. Es ist diese Mischung, die dazu führt, dass die Stadt nicht nur heiter und charmant, sondern auch rau und wild wirkt.

Es mag an meiner Extrem-Situation liegen, mit Sicherheit aber auch an den Temperaturen, dass ich nach dieser Geschichte erstmal krank werde. Bogotá liegt auf 2600 Metern Höhe - und entsprechend kalt ist es. Nachts friere ich unter fünf Decken. Jetzt hilft nur noch strenge Bettruhe: Fünf Tage hüte ich das Bett. Tatsächlich wünsche ich mich in dieser Zeit zurück in mein eigenes.

Gold-Engel
Stadt-Esel
Dann geht es endlich besser, die Lebensgeister kehren zurück: Ich mache noch ein bisschen Sightseeing (unter anderem im berühmten Gold-Museum), stürze mich noch einmal ins Nachtleben (siehe Eintrag vom 6. November) und bereite nach mehr als zehn Tagen in Bogotá meinen Abflug vor. Weil ich hier so viel Zeit verloren habe, fällt der Ausflug zum Amazonas leider aus. Auch die peruanische Hauptstadt Lima muss ich mir ein andermal anschauen. Dort werde ich nur umsteigen - direkt nach Cusco und Machu Picchu.

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