Donnerstag, 25. November 2010

Sehr morbider Charme

Blick vom Balkon der Casa Kreyenberg auf das nächtliche Valparaiso.
Von Wuppertal bis Lüderitz wird so mancher Stadt unterstellt, sie hätte einen morbiden Charme. Für Valparaiso in Chile allerdings würde ich das sofort unterschreiben. Nicht nur, weil sie seit ihrer Blütezeit vor rund 100 Jahren reichlich Patina angesetzt hat, sondern auch weil die Naturgewalten hier ausgerechnet dem Friedhof so zugesetzt haben, dass es fast schon makaber ist.

Valparaiso liegt mehr als fünf Autostunden vom Epizentrum des großen Erdbebens im Frühjahr entfernt. Größere Schäden an der Bausubstanz hat es augenscheinlich nicht gegeben. Erstaunlich ist dafür, wie stark der Friedhof in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Andrea bekommt einen Knochen in die Hand gedrückt.
Eigentlich ist er wegen der großen Schäden nur noch für Angehörige geöffnet. Doch Andrea, Martin und ich haben Glück: Wie wir vor dem verschlossenen Tor stehen (nachmittags ist die Anlage komplett geschlossen), kommt einer der Wächter und bietet uns eine Führung über das Gelände an. Das macht er offenbar öfters, auch wenn es nicht erlaubt ist. Aber dem Mann ist vermutlich einigermaßen langweilig. Und auf diese Weise kann er sich auch noch das eine oder andere Taschengeld dazu verdienen.

Wie auch immer: Wir staunen über die Verwüstungen. Umgestürzte Kreuze, eingestürzte Grabkammern, zertrümmerte Grabplatten. Hier und da lugen Knochen aus den Trümmern. Einen Unterarmknochen bekommt Andrea prompt in die Hand gedrückt. Irgendwie ganz schön gruselig. Ich will gar nicht wissen, was die Wachhunde hier schon so alles angestellt haben...

15 dieser Aufzüge sind noch in Betrieb.
Berühmt ist die Stadt ansonsten für ihre öffentlichen Aufzüge, mit denen man die höher gelegenen Viertel erreichen kann. Gebaut wurden sie Ende des 19. Jahrhunderts, und den entsprechenden Charme haben sie noch.

Wie überhaupt die halbe Stadt wie ein Freiluftmuseum wirkt - mit all ihren wellblechverkleideten Häusern aus der Zeit der vorvorigen Jahrhundertwende. Kein Wunder, dass sie Unesco-Weltkulturerbe ist.

Auch viele Deutsche scheinen sich seinerzeit hier niedergelassen zu haben. Wir residieren etwa in der Casa Kreyenberg, einem alten deutschen Haus mit herrlichem Blick über die Stadt. Leider nur eine Nacht, dann geht es schon wieder weiter...

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