Donnerstag, 30. September 2010

Havanna, erster Tag

Unfassbar. Dieses Wort ist mir wahrscheinlich noch nie so oft durch den Kopf gegangen wie heute.

Unfassbar war schon die Einreise nach Kuba in der vergangenen Nacht. Die Grenz
-Offizielle mit dem Einreise-Stempel fand Auffälliges in meinem Reisepass (ich habe keine Ahnung, was das gewesen sein könnte) und bat mich vom Schalter zurückzutreten und zu warten. Ein herbeigerufener Kollege kam, fragte mich dies und das. Dann schien alles okay zu sein. Doch auch beim zweiten Versuch wurde ich wieder rausgewunken. Offenbar behagte den Aufpassern mein Beruf nicht. Meiner Zusicherung, ich sei Lokaljournalist im Urlaub, glaubte man dann letztlich doch. Beim dritten Versuch durfte ich einreisen. Kurz nach Mitternacht kam ich im Hotel an. Das Fernsehen zeigte gerade eine Rede von Fidel Castro.

Heute habe ich mich in der Stadt umgeschaut. Es ist unfassbar: Die Bausubstanz zerbröselt augenscheinlich schneller als die Gesundheit der herrschenden Brüder. Ich versuche, nicht allzu auffällig zu sein, während ich durch die Straßen der Innenstadt laufe, weil man als Tourist ständig angesprochen wird. Aber manchmal stehe mit offenem Mund vor den Ruinen einst herrschaftlicher Häuser. Jugendstil in Trümmern. Es sieht tatsächlich an manchen Stellen aus wie nach einem Krieg.

Wie ich da so stehe, werde ich prompt wieder angesprochen. "Amigo, willst Du was? Brauchst Du was? Ich zeige Dir was!" - das ist die übliche Masche, wie ich schon nach zwei Stunden Rundgang weiß. In diesem Fall will mir José - der wie alle anderen angeblich einen Freund in Deutschland hat (klassischer Gesprächs-Einstieg) - ein günstiges Zimmer vermieten. Ich ahne, wie die Sache weitergehen wird, lasse ich mich aber trotzdem darauf ein, weil ich auf diese Weise schon am ersten Tag einen kleinen Einblick bekommen kann, wie das Leben hinter den Trümmer-Fassaden aussieht.

Leben in Ruinen: Hinterhof eines mehrgeschossigen Mietshauses aus der Zeit der Jahrhundertwende, eine Holztreppe hinauf, die wackelt, als könnte sie jeden Moment einstürzen. Wo ist eigentlich das Treppenhaus? Sechs Menschen leben in einer kleinen Wohnung. Eine Frau liegt lethargisch auf dem Boden in der Küche, offenbar hat sie geschlafen. Man zeigt mir die Lebensmittel-Bezugsscheine, um mir zu beweisen, dass man hinten und vorne nicht klar kommt. Die kleine Tochter wird mir vorgeführt, für sie braucht man so dringend Milch-Pulver, das man sich nicht leisten kann. Klar: Jetzt bin ich dran, ich soll Milch-Pulver kaufen. Wer kann bei so viel Armut schon Nein sagen? Also gehen mein "Amigo" und ich einkaufen.

Mehr als ein halbes Dutzend Geschäfte klappern wir ab, weil es natürlich nicht bei Milchpulver bleibt. Auch Oliven-Öl braucht die Familie dringend, das aber ist nirgendwo aufzutreiben. Auch nicht in den Geschäfte, in denen man de facto mit US-Dollars bezahlen muss. Immerhin gibt es dort etwas zu kaufen. Die Läden, in denen man mit dem einheimischen Peso bezahlen kann, stehen manchmal nur sechs Waren exemplarisch in den Regalen. Sie sind dort erhältlich - mehr nicht. Die Einkaufs-Wunschliste wird derweil länger. Ich winke ab, denn ich habe definitiv genug verschenkt. Grußlos zieht mein Amigo ab. Auf Nimmerwiedersehen.

Also setze ich meinen Rundgang fort. Immerhin: Ich sehe auch Viertel, die einigermaßen intakt scheinen - vor allem außerhalb des Zentrums und der touristische Teil der Altstadt. Der größte Teil der Häuser aus der vorvorigen Jahrhundertwende bröselt freilich vor sich hin.

Unfassbar: In der Innenstadt gibt es an manchen Stellen so wenig Verkehr, dass Katzen unversehrt Hauptverkehrsstraßen überqueren und Hunde gefahrlos mitten auf die Straße machen können. Der Motorisierungsgrad ist insgesamt so gering, dass die
City ganz anders klingt als die meisten anderen Großstädte. Statt des verkehrsbedingten Rund-um-die-Uhr-Dauer-Brummens, das bestenfalls nachts etwas abschwilllt, hört man in Havanna Menschenstimmen. Reden, schimpfen, schreien, lachen - auf dem Balkon meines Hotelzimmers im fünften Stock höre ich das aus allen Richtungen.

Zwischen unfassbar und schwer genießbar schwankt das Abendessen im Hotel-Restaurant. Vor allem erinnert es stark an die DDR - es fehlen nur die geblümten Plastik-Tischdecken. Die Karte listet je vier Vorspeisen und Hauptgerichte auf. Die Hälfte davon gibt es nicht, zum Beispiel kein Obst und kein Gemüse - obwohl man auch hier mit "konvertiblen Pesos", also de facto mit US-Dollars bezahlt.

Nach dem Essen gehe ich nochmal vor die Tür. Doch in den dusteren Straßen finde ich keine Kneipe oder etwas Ähnliches. Auch die Idee, sich von einem Taxi zu einer Discothek fahren zu lassen, ist keine gute Idee. Dort angekommen, bieten mir zwei einschlägig tätige Frauen ihre Dienste an. Der Bar-Mann will mich morgen zu sich nach Hause einladen, wo es einen tollen Blick aufs Meer gibt, ganz selbstlos versteht sich. Ich lehne dankend ab und gebe die Hoffnung auf, dass noch ein zweiter Gast kommen könnte. Mit einem Taxi geht es nach Hause.

So sitze ich zum Abschluss des Tages also noch einmal auf dem Hotel-Balkon - mitten in der Innenstadt - und höre jetzt sogar Grillen zirpen, die irgendwo in einer Haus-Ruine sitzen müssen. Es mag sein, das ich mich in zwei, drei Tagen ein wenig an den "Way of life" in Kuba gewöhnt habe. Dass ich mich sicher durch die Stadt bewege, die mir noch vor kurzem fremd war, und ihre Vorzüge entdecke - so wie es auch in anderen Städten gewesen ist. Und natürlich weiß ich auch, weshalb hier alles so ist, wie es ist. Doch eine Stadt, in der jeder - aber auch wirklich jeder - versucht, Geld aus Dir rauszuschütteln, fühlt sich bis bis jetzt nicht gut an. Unfassbar...

Montag, 27. September 2010

Pizza im Nirgendwo

Zwei Vulkane ragen aus dem Nicaragua-See, dem zehntgrößten See der Welt. Der größere der beiden ist fast 2000 Meter hoch. Wer den Tagesmarsch hinauf gemacht hat, berichtet von spektakulären Aussichten. Die aber gibt's dieser Tage nicht: Es regnet, die Vulkane sind in Wolken verhüllt, ein Aufstieg wäre witzlos.

Also genieße ich bloß die Abgeschiedenheit des Insel-Lebens. Und das íst sehr abgeschieden. Unterkunft beziehe ich in einer Lodge, weit hinter der letzten befestigten Straße. Mitten in der Botanik, direkt am Seeufer, dort gibt es Hängematten, einen Billardtisch und manchmal sogar Strom. Ich bin der einzige Gast. Auf Du und Du mit den Kröten (extrem laut) und anderem Getier. Ich lese, höre Musik und bade im See. Die Herbergsmutter kocht für mich.


Am nächsten Nachmittag kommen doch noch andere Touristen, junge Engländer. Abends machen wir uns auf den Weg, um eine Pizza im Nirgendwo zu essen. In irgendeiner benachbarten Lodge soll es einen Pizza-Ofen geben, der alle paar Tage befeu
ert wird. Wer kommt, kriegt was ab. Also stolpern wir im Dunkeln über Schlamm und Stein, finden tatsächlich den richtigen Abzweig - dann geht es bergauf, unbeleuchtete Wege, Stufen hier, Brückchen dort. Keiner weiß, wo wir sind - aber irgendwann riecht es tatsächlich nach Pizza... Ziel gefunden!

Wir sitzen draußen unter einem Baum, im Schein einer einzelnen Glühbirne, essen, trinken Bier und unterhalten uns mit den Gästen, die hier auch übernachten. Nach drei Stunden gehts wieder zurück. Natürlich verlaufen wir uns mehrmals... Noch nie habe ich so viel Aufwand betrieben, um eine Pizza zu essen - aber es hat auch noch nie so viel Spaß gemacht!

Samstag, 25. September 2010

Die Wohlstands-Schere und der Müll

Je ärmer ein Land, desto dreckiger ist es. Stimmt's? Stimmt nicht. Jedenfalls nicht in Lateinamerika. Da gilt Mexico, gemessen am Bruttosozialprodukt, als das produktivste, respektive reichste Land. Leider hat es trotzdem noch für keine wirksame Aufklärungskampagnen gereicht, die die Mexicaner dazu bringen könnten, ihren Müll nicht einfach dorthin zu werfen, wo Platz ist. Es ist allerhand, welche Dreckbänder sich etwa entlang vieler Überlandstraßen ziehen. Und wie viel Abfall auch in den innerstädtischen Straßen herumfliegt. Von den vielen wilden Müllkippen gar nicht zu reden.

Mehrmals war ich versucht, Übeltäter anzuschwatzen, die vor meinen Augen ihren Dreck in die Botanik befördert haben. Aber es ist wohl keine gute Idee, Einheimischen zu sagen, wie sie sich in ihrem Land zu benehmen haben...

Völlig anders ist das Bild in Guatemala, das als ärmstes lateinamerikanisches Land ausgewiesen wird und direkt an Mexico grenzt. Ob in Guatemala-City oder entlang der Straßen: Nur selten liegt Müll herum. Und nicht etwa, weil unzählige Putzkolonnen den Dreck aufräumen würden - die Menschen werfen ihren Kram einfach nicht in die Gegend. Im Vergleich dazu sieht es sogar in manchen deutschen Städten aus wie in einem Saustall.

Überhaupt sieht man in Guatemala die Armut längst nicht so deutlich wie anderswo. Vielleicht liegt es an der überwiegend noch traditionellen Lebensweise der Bevölkerung, die vor allem aus Nachfahren der Mayas besteht.

Wie anders ist das Bild in Honduras und in Nicaragua, wo ich mich zurzeit befinde. Der Anteil der indigenen Bevölkerung ist gering. Umgekehrt ist das Elend viel deutlicher sichtbar. Auch wird viel mehr gebettelt. Gestern in Granada etwa war ich mit einer Kolumbianerin und zwei Einheimischen unterwegs. Übrig gebliebene Chicken-Wings hatten wir uns von der Küche einpacken lassen. Um dieses Paket nun wurden wir angebettelt von e
inem verhältnismäßig jungen Mann, der nicht mal wissen konnte, was darin ist. Obwohl wir zunächst abgewunken hatten, blieb er minutenlang hartnäckig - bis wir im das Paket doch noch gaben. Wie groß muss die Not wohl sein?

Auch sonst ist die Armut überall spürbar. Zum Beispiel auf dem Zentralmarkt, auf d
em es so dreckig ist, dass ich dort keine Lebensmittel kaufen mag. Oder an der schwierigen Sicherheitslage: Dass es in Schnellrestaurants Security mit Maschinengewehren gibt, daran habe ich mich ja schon in Guatemala gewöhnt. Aber wenn hinter jedem Gast, der rein oder heraus will, die Tür abgeschlossen wird, ist das noch mal eine Nummer schärfer. Und dann die Kinderarbeit: Viele Jungen und Mädchen verdienen Geld, anstatt zur Schule zu gehen und zu spielen. So verkaufen Zehnjährige auch mitten in der Nacht Zigaretten und Kaugummis vor Discotheken. Oder bewachen Parkplätze. Oder musizieren auf der Straße.

In krassem Gegensatz dazu steht der Wohlstand der Touristen, von denen vor allem hier in Granada viele unterwegs sind. Mehrmals schon habe ich mich gefragt, ob es eigentlich vertretbar ist, in solch arme Ländern zu reisen. Oft bleibt dabei ein schaler Nachgeschmack. Dennoch denke ich, dass es unter dem Strich okay ist. Erstens betreibe ich keinen Elends-Tourismus, zweitens lasse ich Geld im Land - was sicher besser ist, als einen großen Bogen drumherum zu machen.

Mittwoch, 22. September 2010

Ritt auf dem Vulkan

Ich habe ja schon eine ganze Reihe von Aktivitäten hinter mir, die in Deutschland längst verboten wären. Einen unterirdischen Wasserfall raufkraxeln, nur mit einer Kerze in der Hand? Undenkbar daheim. Das gilt vermutlich auch fürs Vulcano Boarding - das in Ermangelung geeigneter Vulkane in Deutschland allerdings sowieso keine Zukunft hat. In Nicaragua freilich erfreut sich diese Sportart wachsender Beliebtheit.

Tägliche Touren werden von verschiedenen Veranstaltern angeboten, Ziel ist der Vulkan Cerro Negro in der Nähe von León, einem hübschen Städtchen aus der Kolonialzeit. Das Besondere: Auf einer Seite des Vulkans ist die Asche fast so fein wie Sand. Mit Hilfe speziell konstruierter Holzbretter rasen vergnügungssüchtige Tweens (vorwiegend Europäer) den Buckel runter. Es heißt, die Rekordgeschwindigkeit liege bei 80 Stundenkilometern.

Klingt skurril, also bin ich mit von der Partie. Auch wenn ich auf die Abfahrt selbst gar nicht so scharf bin. Geschwindigkeitsrausch ist nicht meine Sache. Aber zunächst geht sowieso alles ganz langsam. Der Aufstieg mit Brett dauert allein schon rund eine Stunde. Aber er lohnt sich, weil die Aussicht spektakulär ist. Wir schauen in einen Vulkan mit zwei Kratern, die von verschiedenen Ausbrüchen herrühren.


Dann gehts los: Erst gibts eine kurze Einführung ins Vulcano-Boarding - wie wird gelenkt, wie gebremst -, dann müssen wir extrem modische Mehrzweck-Anzüge in orange anlegen. Dazu noch eine Taucherbrille, damit wir bei der Abfahrt keine Asche in die Augen bekommen. Einer nach dem anderen rutscht hernach den Vulkan herunter. Mir ist die Sache nicht ganz geheuer, weshalb ich mich aufs Bremsen verlege. Mit handgestoppten 29 Stundenkilometern holpere ich die etwa 400 Meter lange Strecke hinab. Nach etwa drei Minuten ist alles vorbei.

Für mich ist das Ganze ein sehr begrenzter Spaß. Schnell mag
ich nicht. Asche im Mund auch nicht. Die anderen sind da schon mit mehr Begeisterung dabei. Der Mutigste bringt es immerhin auf 53 km/h. Auch den einen oder anderen Sturz gibt es. Aber der Untergrund ist so weich, dass niemandem etwas passiert. Die Stimmung ist heiter bis ausgelassen. Auch bei mir, denn ich bin froh, dass ich heile unten bin - wenn mir auch attestiert wird, dass ich der zweitlangsamste von 27 war.

Olympisch wird diese Sportart nie, so viel ist sicher. Ob man sie überhaupt braucht, da bin ich vermutlich anderer Meinung als die jungen amüsierfreudigen Europäer. Aber zumindest war die Aussicht toll...


Mehr Infos über Vulkan-Boarding gibt's hier

Samstag, 18. September 2010

So schön sieht die Hölle aus

Weißer Sandstrand, türkisblaues Wasser, die Sonne scheint - so sieht in Honduras die Hölle aus. Zumindest auf der Karibik-Insel Utila. So perfekt auch alles hier wirkt, Menschen halten es dort nicht aus. Und deshalb ist auch niemand da, wie das Bild oben beweist. Ein leerer Traumstrand, perfekt für jedes Katalog-Bild. Was man darauf nicht sehen kann sind die Myriaden von Sandfliegen, die dort heimisch sind. Sollte es ein Mensch wagen, sich dort stellenweise unverhüllt aufzuhalten, ist er des Wahnsinns fette Beute. Die winzigen Fliegen, die US-Amerikaner nennen sie auch "No-see-um", fallen in Heerschaaren über ihre Opfer her. Die sehen ein paar Stunden später schlimmer aus als ein Kind mit Masern. Ein Biss je Quadratzentimeter Körperfläche ist an Füßen und Beinen keine Seltenheit.

Zwar kursieren unter den Reisenden Geheim-Rezepte, wie man die Fliegen austricksen könnten. Die Rede ist von einer dick aufgetragenen Mischung aus Insekten-Repellent und Sonnencreme, in der die Biester - wenn sie nur dick genug ist - unverrichteter Dinge festkleben und ertrinken. Doch der Selbsttest hat ergeben: Die Pampe wirkt zwar, verleidet dem Träger den Aufenthalt am Strand aber genauso.


Kurz und gut: Strand ist nicht. Dafür erfülle ich mir einen anderen lang gehegten Traum: Ich mache endlich einen Tauchkurs. Dafür ist die Insel ideal. Es gibt hier das zweitgrößte zusammenhängende Riff nach dem Great Barrier Reef in Australien - und die Tauchkurse sind günstig wie nirgendwo sonst. Deshalb ist die Insel auch voll von Backpacker-Touristen.

Dreieinhalb Tage dauert die Variante für Anfänger. Erst üben wir im Seichten, später geht es sogar schon auf 18 Meter runter. Das reicht zwar noch nicht für einen gepflegten Tiefenrausch, ist aber trotzdem ein großer Spaß. Beinahe schwerelos durch eine andere Welt zu schweben, ist eine ganz neue Erfahrung.


Auch einen Hai bekomme ich zu sehen. Er ruht nur zehn Meter von unserer Übungsfläche entfernt unter einem überhängenden Korallenriff, während ich zum x-ten Mal übe, wie man eine vollgelaufene Taucherbrille unter Wasser wieder frei bekommt. Auf Du und Du mit dem Hai, auch eine neue Erfahrung.


Morgen breche ich wieder auf, nächstes Ziel ist Leon in Nicaragua. Mit dem Tauchen bin ich aber noch lange nicht fertig....

Samstag, 11. September 2010

Sooo viel Regen

Aus Deutschland kommt bestimmt schon seit einer Woche eine Mail nach der anderen: Geht es Dir gut, lebst Du noch? Kein Wunder, wenn sogar die Tagesschau in Deutschland über die starken Regenfälle in Guatemala berichtet. Ich glaube, es war amTag nachdem ich nach Guatemala-City gefahren bin, dass in der Nähe der Hauptstadt ein Bus von einem Erdrutsch verschüttet worden ist - mehr als 30 Menschen starben.

Und auch danach hielten die teilweise sehr starken Regenfälle an. Schon auf meinem Weg von Guatemala-City nach Cobán sah ich vom Bus aus viele Straßenschäden (Foto oben). Zum Teil waren die Wege von Erdrutschen blockiert, teilweise war auch die halbe Straße weggesackt. Die Fahrt dauerte deswegen auch länger als üblich.


Nicht viel anders sah die Sache jetzt aus, da ich von Cobán in Guatemala nach Copán in Honduras gefahren bin. Kurz hinter der Grenze etwa liegt ein Felsblock in der Größe eines Lastwagens auf der Fahrbahn. Nicht auszudenken, wenn...


Andere Reisende erzählen mir, dass sie eine Woche am Atitlan-See festhingen, weil die Straßen nicht passierbar waren. Da war ich zum Glück gerade schon weg.


An sich sind die Regenfälle nicht ungewöhnlich, schließlich ist gerade Regenzeit. Aber der Regen ist besonders heftig in dieser Saison. Immerhin war es heute nicht ganz so schlimm. Ich habe mir die Maya-Ruinen in Copán im Trockenen anschauen können. Berühmt sind sie für ihre reiche Ornamentik auf Gebäuden und Skulpturen - auch Totenköpfe gehören zum künstlerischen Programm.

Mehr als die Ruinen gibt es hier allerdings nicht zu sehen, deshalb geht es schon morgen weiter: zu den Bay Islands. Dort will ich endlich tauchen lernen.

Donnerstag, 9. September 2010

Beim Paradies rechts um die Ecke

Ein echter Geheim-Tipp ist der Ort nicht mehr. Schon seit zwei, drei Jahren steht er auf dem Reiseplan einiger Guatemala-Touristen: Semuc Champey. Das bedeutet ungefähr so viel wie: "Dort, wo das Wasser verschwindet". Gemeint ist die Stelle, die auf dem Foto oben zu sehen ist: mehrere türkisgrüne Wasserbecken, in denen die Besucher schwimmen können. Beim "verschwundenen Wasser" handelt es sich allerdings nicht um das Wasser in den Becken, sondern um den Fluß, der an dieser Stelle des Tals unterirdisch fließt - unter den natürlichen Wasserbassins, die von Regenwasser gespeist werden. Ein abgeschiedener, friedlicher und wunderschöner Ort. Das Paradies muss gleich irgendwo rechts um die Ecke sein...

Unterwegs bin ich mit Katel, einer französischen Bekannten von Aurélien, der sich schon wieder auf dem Rückweg nach Europa befindet. Ganz in der Nähe von Semuc Champey übernachte ich dann auch - in einem kleinen Outdoor-Camp, weit ab vom Schuss und herrlich friedlich.


Am nächsten Tag geht es dann auf eine ungewöhnliche Höhlen-Erkundung: und zwar den Lauf eines anderen unterirdischen Flusses entlang. Das heißt: Mit der Kerze in der Hand schwimmen wir durch verschiedene Höhlen. Immer wieder müssen wir über Felsen kraxeln, einmal sogar einen kleinen Wasserfall hinauf. Ein Riesen-Spaß, auch wenn ich mir mehrere Male die Haxen an Felsen unterhalb der Wasseroberfläche stoße.


Gerne würde ich länger bleiben. Aber ich hänge meinem Zeitplan schon arg hinterher. Morgen mache ich mich deshalb wieder auf den Weg, diesmal in Richtung Honduras.

Montag, 6. September 2010

Hauptstadt ohne Herz

Es gibt viele gute Gründe, Guatemala-City nicht zu besuchen. Einer ist die hohe Kriminalitätsrate. Schon alleine wegen ihr machen die meisten Touristen einen großen Bogen um die Stadt. Wer trotzdem hinein muss, etwa weil er von hier abfliegt, quartiert sich in einem Hotel nahe des Flughafens ein (bezeichnenderweise befinden sich die meisten Herbergen dort) - hinter hohen Mauern und viel Stracheldraht.

Mein Plan, sich die Hauptstadt trotzdem
anzuschauen, eben weil es die Hauptstadt ist, stößt bei anderen Travellern auf Unverständnis. Mir ist das egal, ich folge einer Empfehlung und niste mich in einem kleinen Hotel im Centro Historico ein. Den ersten Abend wage ich keinen Schritt vor die Tür. Am nächsten Morgen aber gehe ich auf Erkundungstour. Es heißt, tagsüber sei die Innenstadt zumindest in den belebten Straßen einigermaßen sicher. Wenn man zu Fuß geht. Vor dem Benutzen der öffentlichen Busse wird sogar auf der Homepage des Auswärtigen Amtes gewarnt.

Was ich zu sehen bekomme, erschreckt mich einigermaßen. Die City ist in einem heruntergekommenen Zustand wie osteuropäische Städte 1989. Die historischen Häuser sind großenteils abruchreif. Zum Teil stehen nur noch die Außenmauern, die Flächen dahinter wurden für Parkplätze planiert. Die neueren Gebäude sind - bis auf wenige Ausnahmen - in kaum besserem Zustand. Grau und marode - aber vergittert und mit Stacheldraht versehen. Und zwar komplett, selbst wenn sich Geschäfte darin befinden. Ob Bäckerei, Drogerie, Kiosk oder Wäscherei, alle Läden sind vergittert. Waren- und Geldaustausch werden durch Luken erledigt.

Sogar der zentrale Platz macht einen trostlo
sen Eindruck. Optisch beherrscht wird er neben der obligatorischen Kathedrale vom Palacio Nacional (Foto oben). Einem Gebäude, dessen Baustil bei Fertigstellung 1943 schon seit Jahrzehnten überholt war - anscheindend das Werk eines übergeschnappten Diktators. Auf der Plaza selbst ist nicht viel los, viel Platz für die vielen Tauben.

Dabei ist es nicht so, dass es in Guatemala-City gar kein Geld gäbe. Doch die Vergnügungs-Viertel und Einkaufszentren und Kinopaläste (mit Luxus-Sälen, wo man Filme in der Horizontalen sieht und sich das Sushi an den Platz bringen lässt) befinden sich alle außerhalb
des Zentrums. Es scheint, als habe die Metropole ihr Herz vergessen. Jedenfalls behandelt sie es stiefmütterlich. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass die Haupteinflugschneise quer über die Innenstadt verläuft. Das sollte sich mal in Europa jemand einfallen lassen...

Andere Touristen sind erwartungsgemaß nicht zu sehen. Entsprechend viele Blicke ziehe ich auf mich. Der Höhepunkt
ereignet sich abends in einem Club. Ich gehe eine Treppe hinauf, dort stehen ein halbes Dutzend Menschen, munter palierend. Als sie mich gewahr werden, erstirbt das Gespräch schlagartig. Sechs Augenpaare stieren mich an als wäre ich Jesus höchstselbst. Einer versucht mir die allgemeine Verwunderung später damit zu erklären, dass ich zum Erstaunen aller "gewaschen und gut gekleidet" sei. In der Regel seien nämlich die einzigen Touristen, die sich in die Stadt trauten, Hippies...

Und trotzdem: Zwischen all de
m Dreck der Autos (manche Busse scheinen Spirtus zu verbrennen) und den heruntergekommenen Häusern gibt es auch Oasen. So wie das kleine Museum für Musikautomaten, das sich in einem sanierten Kolonialgebäude mit sattgrünem Garten befindet (Foto links: Direktor German Rodriguez). Ich habe viele ausgesprochene Menschen kennengelernt. Und am Wochenende blüht selbst die Plaza Central auf. Es gibt Musik, die Menschen tanzen. Doch, sogar Guatemala-City hat auch ein freundliches Gesicht.

Donnerstag, 2. September 2010

Am See

Es ist eigentlich ein unbotmäßiger Vergleich. Aber in diesem Fall passt er einfach: Wie gut es jemandem geht, erkennt man (wahrscheinlich nicht nur in Zentral-Amerika) wie bei den Pferden - an den Zähnen.

In Deutschland ist man den Anblick von Zahnlücken bestenfalls noch bei Kindern gewohnt. In Mexico ist das schon anders: Selbst bei Menschen der Mittelschicht sind fehlende Beißer völlig normal. Immerhin: Schneidezähne sind fast immer vorhanden, o
b nun echte oder falsche. Dafür wird noch gesorgt. Doch bei den Backenzähnen liegt einiges im Argen, tun sich riesige Lücken auf.

Noch ärger sieht die Sache hier in Guatemala aus. Da haben selbst Menschen, die kaum älter sind als ich, keine Schneidezähne mehr. Es ist für mich jedesmal ein bisschen erschreckend, wenn einem die Armut zahnlos anlächelt...


Guatemala ist ein armes Land. Die Folgen des Bürgerkrieges, der bis 1996 das Land verheert hat, noch deutlich zu spüren. Die Durchschnitts-Löhne sind niedrig, das Preis-Niveau entsprechend. Die Unterkunft in Santiago Atitlán etwa hat mich 3,50 Euro gekostet für eine Nacht. Wie gesagt, dafür gibts kein Warmwasser, aber Schimmel an den Wänden. Ein Hotel für Guatemalteken, ausländische Übernachtungsgäste gibt es hier augenscheinlich nicht. Die konzentrieren sich auf die beiden Haupt-Orte Panajachel und San Pedro. In Santiago kommen nur Tagestouristen mit dem Boot vorbei. Als ich morgens durch den Ort laufe, bin ich der offenbar der einzige Fremde. Entsprechend intensiv werde ich hier und da gemustert...

Nicht deshalb wechsele ich nach Panajachel. Dort is
t die Infrastruktur besser. Geldautomaten, Reisebüros, Fitness-Studio und Restaurants, die abgekochtes Wasser verwenden - es ist einfach bequemer.

Von dort aus erkunde ich die anderen Ortschaften am See. Es sind herrliche Ausflüge, weil der See wunderschön gelegen ist - inmitten eines uralten, riesigen Vulkankraters. Umgeben von mehreren anderen Vulkanen, die ebenfalls erloschen sind. Und in den Kirchen gibt es mal wieder herrlich skurrile Heiligenfiguren zu sehen (Foto).

Zwischendurch treffe ich Aurélien wieder. Ihn hat es mittlerweile auch hierher verschlagen. Gemeinsam trinken wir Bier mit Seeblick.
Herrlich entspannt ist das alles, doch trotzdem muss es weitergehen. Morgen gibt es das Kontrast-Programm, ich werde nach Guatemala-City fahren.