Sonntag, 30. Januar 2011

Vollschmarotzer in den Highlands

Eine Rafflesia: Die Blüte wächst neun Monate heran und blüht dann nur sieben Tage. Ein selten zu findender Vollschmarotzer.

Was mache ich eigentlich hier? Welcher Teufel hat mich bloß geritten, um die halbe Welt zu reisen, damit ich jetzt klatschnass und frierend durch den strömenden Regen laufe? Irgendwo im malaysischen Regenwald auf der Suche nach irgendeiner Blume. Weshalb bin ich nicht einfach zu Hause geblieben, daheim im kuscheligen Bett?

Wem das jetzt bekannt vorkommt, hat ein gutes Erinnerungsvermögen. Schon einmal bin ich bei strömendem Regen durch den Urwald gelaufen, derweil sich mein Weg in einen Bachlauf verwandelt hat. Schuhe nass, Hose nass, alles nass, alles kalt. Das war im Oktober in Kolumbien (siehe Eintrag über die Ciudad Perdida). Und eigentlich war ich der Meinung, dass einmal genug ist.

Nun also das Dejavu in den Cameron Highlands, dem Hochland im Westen Malaysias. Diesmal hat mich ein Superlativ in den Regenwald gelockt: Wir suchen die größte Blume der Welt. Das jedenfalls behauptet der Veranstalter der Ein-Tages-Tour. Und ich bin einer von zehn Touris, die die Rafflesia sehen wollen. Selbstverständlich hat niemand Wanderschuhe dabei, die wären auch viel zu schwer im Gepäck. Und genutzt hätten sie auch nichts, allenfalls Gummistiefel wären in dem Schlamm sinnvoll gewesen.

Die Schuhe sind bis heute noch nicht wieder trocken.
Trotzdem halten wir durch. Und irgendwann hat sie unser einheimischer Führer gefunden: eine wunderschöne rote Pflanze, die nach Aas riecht, um Fliegen anzulocken - zwecks Bestäubung. Die Blüten können bis zu einen Meter Durchmesser erreichen und wachsen zwischen neun Monaten und einem Jahr heran, um dann nur sieben Tage zu blühen. Weil es auch nicht sehr viele gibt, sind die Blumen nur sehr schwierig zu finden.

Blumen? Während wir auf dem Rückweg durch den glitschigen Schlamm balancieren eröffnet uns unser Guide, dass die Blume gar keine Blume ist, sondern bloß ein Pilz. Auf meine Frage, ob es sich wenigstens um den größten Pilz der Welt handele, verneint er. Es gebe wohl größere...

Egal, ich finde der Ausflug hat sich trotzdem gelohnt. Zumal die Internet-Recherche ergibt, dass es sích in Wirklichkeit um einen "zweihäusigen Vollschmarotzer" handelt, der von den Wolfsmilchgewächsen abstammt. Aber das sind Feinheiten, vorerst habe ich ein dringenderes Problem: Ich muss meine Schuhe trocknen. Und das gestaltet sich hier äußerst schwierig.

Ich habe mein Quartier im Ort Tanah Rata und hier regnet es seit drei Tagen ununterbrochen. Weil wir uns auf über 1000 Meter befinden, ist es zwar schön kühl - aber nichts trocknet. Zwei Tage ist der Ausflug in den Dschungel jetzt her und nicht mal meine Socken sind getrocknet, gewscheige denn die Schuhe. Im Gegenteil: Trockene Sachen werden feucht, obwohl sie im Zimmer liegen.

Deshalb ist hier nach drei abwechslungsreichen Tagen Schluss (besonders schön anzusehen sind die Teeplantagen, die von den britischen Kolonialherren einst angelegt wurden), bevor mir alles wegfault. Heute geht es weiter nach Georgetown auf der malaysischen Insel Penang. Dort will ich mir das chinesische Neujahrs-Fest ansehen. Warm und trocken soll es dort auch sein...

Herrllich anzuschauen: Tee-Plantage in den Cameron Highlands.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Kuala Lumpur: Hauptstadt von irgendwas

Schön? Das liegt im Auge des Betrachters. Auf jeden Fall sind die Petronas-Türme ein Hingucker.
Kuala Lumpur? Ist das ein Staat oder die Hauptstadt von irgendwas? Wurde ich neulich tatsächlich gefragt. Und ich muss gestehen: Bis vor kurzem wusste ich es selbst nicht. Jetzt kann ich allen, die es wissen wollen, sagen: Kuala Lumpur ist die Hauptstadt von Malaysia und heißt übersetzt soviel wie: Zusammenfluss von zwei schlammigen Flüssen. Mit dieser beinahe poetischen Beschreibung ist auch schon fast alles gesagt.

Vielleicht noch soviel: Die beiden Bachläufe sind inzwischen komplett in Beton kanalisiert - und das Leben in dieser Stadt auch. Für Fußgänger ist nicht viel zu gewinnen. Es ist hier einfach nicht vorgesehen, dass sich die Menschen auf zwei Beinen statt auf Rädern fortbewegen. Und so wirkt Kuala Lumpur anfangs etwas sperrig. Es öffnet sich nicht sofort liebreizend wie Singapur. Es gibt keinen roten Teppich, der einen direkt an die nächste Kasse führt. Man muss sich die Stadt erkämpfen.

Shopping-Mall mit Achterbahn.
Überhaupt wirkt sie ein bisschen wie eine misslungene Kopie der Nachbar-Hauptstadt im Süden. Längst nicht so perfekt geleckt und adrett. Das darf man hier freilich nicht laut sagen. Singapur ist nicht sonderlich beliebt. Kein Wunder: Schließlich hat man jene Insel in den 60er-Jahren aus den gemeinsamen Verbund rausgeschmissen. Und jetzt liegen die Geschmähten im Vergleich weit vorne. Dumm gelaufen!

Eine Ausnahme allerdings gibt es: Im Bau irrsinniger Shopping-Center ist Malaysia mindestens ebenbürtig. Der Gipfel skurriler Malls trägt den Namen "Times Square". Es handelt sich um einen zehngeschossigen Konsumtempel mit integriertem Vergnügungspark - inklusive Karrussel, Raupe und Achterbahn. Mit Tempo 80 rauschen die Fahrgäste quasi an der Auslage vorbei.

Verwunderlich ist, dass die Bahn in einem Rutsch von Anfang bis Ende durchfährt. Man hätte doch auch in verschiedenen Stockwerken einen kurzen Halt zum Einkaufen machen können! Zum Beispiel direkt nach dem Looping. Ich höre schon die Stimme säuseln wie im Kaufhof-Aufzug: "Dritte Etage: Miederwaren, Trikotagen, Kotztüten". Und dann geht die Fahrt ungebremst weiter in den "Food-Court" zum Nochmal-Essen. Eine Traum-Mall für Models!

Im Vogelpark: Ungebetener Besuch zwickt mich ins Ohr.
Zugegeben, Kuala Lumpur hat auch noch den höheren Wolkenkratzer: die Petronas-Türme, die höchsten Zwillingstürme der Welt. Schön? Auf jeden Fall bemerkenswert! Wie sie im Sonnenlicht glitzern und im Dunkeln leuchten... Hat schon was! Keine Erklärung habe ich freilich dafür, warum sich hunderte Menschen am frühen Morgen stundenlang in eine Schlange einreihen, damit sie nachmittags vielleicht auf die Aussichtsetage dürfen. Das Panorama unterscheidet sich sicherlich nicht gar so dolle vom benachbarten Fernsehturm in selber Höhe. Bloß dass es da keine Schlange gibt...

Mir soll es egal sein. Ich fahre morgen sowieso weiter. Es geht in die Berge, in die Cameron Highlands...

Was sonst noch war: Meine schrägen Top 5
1. In Chinatown auf einer Litschi ausgerutscht und dabei das Handgelenk verstaucht. Merke: Mit den Armen ums Gleichgewicht zu rudern, sieht nicht nur lächerlich aus, wenn man einen 20-Kilo-Rucksack trägt, es ist auch vollkommen sinnlos.

2. Apropos Chinatown: In jedem chinesischen Laden dieser Stadt läuft offenbar dasselbe Lied - wie ferngesteuert. Eine einfache Melodie, unterlegt mit einem eingängigen, leicht angestaubten Pop-Sound, gesungen von provozierend fröhlichen Frauen und Männern. Als wenn Deng Xio Ping eine Nationalhymne bestellt hätte. Oder handelt es sich womöglich doch um verschiedene Lieder, die bloß alle gleich klingen? Ich bin absolut ahnungslos...

3. Auch das noch: Nicht nur, dass am Eingang des großen (und auch uneingeschränkt empfehlenswerten) Vogelparks eine große Reklame des örtlichen Hähnchenbräters "Nuget Ayam" hängt (oberes Bild), bei Feierabend kommen mir die Mitarbeiter auch noch mit Kentucky Fried Chicken-Tüten entgegen. Da bekommt die Redewendung "Arbeit mit nach Hause nehmen" eine ganz neue Bedeutung (unteres Bild).


4. Nochmal Chinatown: Dort gibt's nicht nur billige Raubkopien von Calvin Klein bis Rolex, sondern auch das billigste Bier der Stadt (weil die Konfuzen damit weniger Probleme haben als die Muselmanen). Das führt - laut Kellner - vor allem drei Nationalitäten an die Tische: Deutsche, Österreicher und Engländer - in dieser Reihenfolge, das sagt wohl alles.

5. Hasen-Fratzen: Malaysia ist zwar ein islamisches Land, in Kuala Lumpur stellen aber Chinesen die Mehrheit. Die feiern bald Neujahr. Schon jetzt kündigt sich das Jahr des Hasen mit allerlei langohrigen Figuren an. Eine hässlicher als die andere. Zum Glück feiern die Konfuzen kein Ostern, das wäre dieses Jahr der absolute Overkill geworden. In einer Facebook-Foto-Galerie zeige ich die schlimmsten Hasen:

Bilder von hässlichen Hasen

    Samstag, 22. Januar 2011

    Singapur: Nichts ist unmöglich

    Moderner geht es nicht: Das vor wenigen Monaten eröffnete Hotel Marina Bay Sands mit Pool- und Palmenlandschaft auf dem Dach. Das Gebäude in Form einer Lotusblüte im Bildvordergrund soll nach Fertigstellung ein Museum beherbergen.
    Sitzung des Magistrats von Singapur. Der Beigeordnete für Sauberkeit hält einen zähen Vortrag über die Bedrohung der öffentlichen Ordnung durch illegal eingeführtes Kaugummi. Er schließt und gipfelt seine Ausführungen mit der Forderung, speziell dressierte Spürhunde zur Fahndung am Flughafen einzusetzen. Der Bürgermeister reißt sich gewaltsam aus seinem Halbdämmer. Genehmigt! Nächstes Thema!

    Jetzt ist der Polizeipräsident als Gastredner dran. Er berichtet über die neu gestartete Plakat-Kampagne: "Wenig Kriminalität meint nicht keine Kriminalität". Zwar gebe es in der Stadt de facto seit Jahren keine vorsätzlichen Straftaten mehr, allenfalls Affekt- und/oder Beziehungstaten. Aber man müsse der Bevölkerung doch demonstrieren, dass man irgendetwas tue. Ob die Stadt Werbeflächen in der U-Bahn dafür bereitstelle? Genehmigt! Nächstes Thema!

    Plakat zum Thema Kriminalität.
    Doch es gibt keines mehr. Die Tagesordnung ist leer. Es ist alles getan, was in der Macht der Behörden liegt. Jede Ecke Singapurs ist geputzt, alle Häuser renoviert, das Straßennetz saniert - und jedes freie Grundstück mit einer Shopping Mall bebaut. Ergo: Alle Arbeit ist erledigt. Der Bürgermeister beschließt deshalb, dass alle Behörden außer dem dem Sauberkeitsdezernat und dem Polizeipräsidium geschlossen und abgeschafft werden.

    Okay, ich war bei dieser Sitzung nicht dabei. Aber sehr viel anders kann es gar nicht gewesen sein. Schließlich kann man im Hinterzimmer der letzten Kaschemme von Chinatown alles auf den Kopf stellen, wird aber kein Staubkorn finden. Häuser, von denen der Putz blättert? In Singapur unbekannt. Schlaglöcher? Ein Fremdwort.

    Ein Vermögen beim Einkaufen loswerden kann man freilich schon, wenn man bloß die Straße kreuzt. Die berühmte Einkaufsstraße Orchard Road etwa ist an einer Kreuzung so hergerichtet, dass die Fußgänger nur per Unterführung queren können. Doch die Rolltreppe hinab führt direkt und ohne Unterbrechung ins vierte Tiefgeschoss einer unterirdischen Einkaufs-Mall. Wer wieder heraus will, muss vier einzelne Rolltreppen nach oben nehmen - und die sind natürlich so angeordnet, dass man jeweils eine Ehrenrunde durchs ganze Geschoss nehmen muss, vorbei an diversen attraktiven Sonderangeboten...

    Lust auf Currywurst: Guido und ich essen beim Deutschen.
    Ich übertreibe? Mag sein. Aber den Singapurern würde das gefallen. Sauberkeit und Modernität geht ihnen über alles. Auf einer Fläche, die gerade drei Mal so groß wie Düsseldorf ist, haben sie in den vergangenen zehn bis 20 Jahren eine der modernsten Städte der Welt hingestellt. Um historische Bausubstanz wurde dabei nicht viel Aufhebens gemacht. Ein paar zentrale Gebäude wurden immerhin stehen gelassen. Und zum Glück auch die drei historischen Viertel Chinatown, Little India und Arab Street. Sie bewahren der Stadt gegen all die Modernität Seele und Gesicht.

    Eine Woche lasse ich mich in der Stadt treiben und genieße sie. Nach sieben Monaten in Lateinamerika ist es ein ganz neues Gefühl, nachts überall alleine herumlaufen zu können, in jedes Taxi bedenkenlos einzusteigen. Natürlich weiß ich auch, welcher Preis für die Sicherheit gezahlt wird. Stichwörter: Menschenrechte, Zensur, Todesstrafe.

    Doch weil das erklärte Ziel ist, mehr Touristen anzulocken, sind einige gar zu strenge Sitten auch schon gelockert worden. Polizei sieht man selten, dafür inzwischen Fußgänger, die sich trauen, die Straße bei Rot zu überqueren.

    Das neue Jahr kommt bald: Chinatown ist voll von Hasen.
    Alles in allem hat es mir hier sehr gut gefallen. Und dank meines alten Freundes Guido bin ich jetzt auch wieder auf herzeigbaren Sohlen unterwegs. Der Gute arbeitet in Bangkok, war aber beruflich überraschend in Singapur. Meine ausgelatschten und einst weißen, zuletzt eher bräunlichen Turnschuhe waren ihm derart zuwider, dass er mich in den nächsten Schuhladen zitiert und dann mit einem niegelnagelneuen Paar beschenkt hat. Ich sehe schon fast wieder wie ein zivilisierter Mensch aus...

    Zugegeben, der Rest meiner Garderobe müsste nach mehr als acht Monaten auf Tour auch mal ausgetauscht werden. Aber das hebe ich mir fürs billigere Thailand auf. Dorthin mache ich mich morgen auf den Weg. Erste Etappe: per Zug nach Kuala Lumpur in Malaysia. Und so viel weiß ich jetzt schon: Am Bahnhof dort werde ich mir als Erstes einen Kaugummi genehmigen...

    Nichts ist unmöglich: Per Seilbahn geht es durchs Hochhaus - und dann weiter zur Vergüngungsinsel Sentosa.

    Sonntag, 16. Januar 2011

    Abrechnung

    Blick über das abendliche Melbourne aufs Meer.


    Endlich raus aus Australien! Ich sitze im Flieger nach Singapur. Zeit für eine Abrechnung. Unter dem Strich hatte ich zwar eine gute Zeit. Aber genau dort steht auch eine fette rote Zahl. Die Zeit in Down under hat mir ein fettes Loch in die Reisekasse gerissen. Australien war ja noch nie billig. Aber vor sechs Jahren, bei meinem vorherigen Besuch, fand ich die Preise wesentlich erträglicher.

    Besonders reingehauen haben Essen und Internet. Selbst in Imbiss-Restaurants gibt's nichts unter zehn Dollar, Kneipen-Essen startet ab 15 Dollar. Selbst wenn ich im Supermarkt eingekauft habe, ging (fast) nichts unter zehn Dollar pro Mahlzeit. Einzige Alternative: McDonalds. Dort habe ich vermutlich so viele Burger verdrückt wie zuvor in zwei Jahren nicht. Meine persönliche Supersize-Diät. *hust

    Wucher-Wifi: Sogar diese Preise wurden noch erhöht.
    Ein Grund für die allgemein hohen Preise mag der Wechselkurs sein. Inzwischen hat der Aussie-Dollar den Greenback überflügelt und auch im Verhältnis zum Euro ist er viel teurer geworden. Für den Wahnwitz beim Internet kann das aber kein Grund sein. Fast auf der ganzen Welt gibt es Wifi in Hotels und Restaurants umsonst. Die Wucherer von Oz nehmen locker auch mal 20 Dollar für 24 Stunden oder 40 Dollar für drei Tage - Volumenbeschränkung inklusive. In Deutschland gäbe es zu dem Preis eine Monats-Flatrate.

    Aber auch sonst liegt bei den Aussies einiges im Argen, was mir beim ersten Besuch damals gar nicht so aufgefallen war. Jetzt ist der Blick schärfer. Zu sehen sind ein immer noch beschämender Umgang mit den Aboriginies (das hilflose Alkohol-Verbot in deren Gemeinden löst offensichtlich kein Problem!), ekelhafte Toiletten-Gewohnheiten (wo bleibt eigentlich die WC-Nanny?) und bisweilen auch eine schwierige Service-Mentalität (es gibt tatsächlich Hotels, in dem man ein Handtuch nicht mal gegen Bezahlung bekommt!).

    Schatten-Seiten eines Landes, das eigentlich als sonniges Paradies gilt und deren Einwohner eine rustikale Farmer-Art pflegen, die zum Selbstverständnis Australiens gehört - und natürlich auch ihren Charme hat. Jede Münze hat eben zwei Seiten. Meine freilich sind ausgegeben. Und deshalb freue ich mich jetzt auf Singapur.

    Nachtrag: Bin seit 24 Stunden in der Stadt. Essen ist gut und billig. Internet im Hotel gratis. Und die Menschen ausgesprochen hilfsbereit. Eine wahre Wohltat!

    Freitag, 14. Januar 2011

    Scheinheilige

    Entlarvend: Abdel-Samad (li.) und Broder in Burka.
    Zwei Mal herzlich gelacht heute. Zwei Mal gehts um Religion.

    Beim ersten Mal funzt es im Humorzentrum bei einer neuen Folge von "Entweder Broder". Die ist zwar eigentlich schon ein paar Wochen alt, aber in Sachen TV hänge ich immer ein bisschen hinterher.

    Wieder entlarven Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad Scheinheilige aller Religionen. Diesmal besuchen sie einen evangelischen Tier-Gottesdienst, eine katholische Auto-Segnung - und schließlich kaspert sich Broder in einer schwarzen Burka über das Oktoberfest, wo er mit mohamedanischen Teenagern darüber diskutiert, weshalb eine Frau keinen Sex vor der Ehe haben sollten. "Die Ehre wird beschmutzt, wenn sie entjungfert wird. Das ist so! Das ist echt so! Das ist ätzend: Sie wollen doch keine Frau heiraten, die keine Jungfrau ist!" - "Also, meine Frau war nicht Jungfrau, als ich geheiratet habe." - "Ja, also! Das ist doch ätzend, oder?" - "Nö!"

    Als Kontrast gibt's dann das Youtube-Video zu sehen, das ein pseudoreligiöses Stuttgart 21-Massen-Gelöbnis zeigt. Unglaublich!

    Dann lese ich Thomas Mann "Joseph und seine Brüder". Darin wird Religionsstifter Jaakob als feiger Betrüger und Schwächling präsentiert, der seine Erweckung in einem feuchten Traum empfängt, derweil er schlafend an einem Stein lehnt, "dessen Form an das Zeugungsglied gemahnte". Am nächsten
    Morgen richtet er "den Stein, auf dem er geschlafen, gerade auf, als ein Denkmal, goß reichlich Öl darüber und sprach dabei: ,Beth-el, Beth-el soll diese Stätte heißen (...), denn Gott, der König, hat sich hier enthüllt dem Erniedrigten.'" Unfassbar!

    Ich glaube, am Ende halte ich es mit Broder, der sagt: "Man muss die Religion re-privatisieren. Religion ist wie Sex. Ich möchte niemandem beim Beten zuschauen. Mach, was Du willst - aber mach die Tür zu!"

    Donnerstag, 13. Januar 2011

    Das rote Herz ergrünt

    Als würde er in der Sonne rosten: der Ayers Rock.
    Land unter in Down under! (Sorry, der Elfmeter musste rein!) Das ganze Land kennt nur noch ein Thema: die seit Wochen andauernden Überschwemmungen im Nordosten des Landes, die mit der Flutung Brisbanes ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Zeitungen drucken Sonder-Ausgaben, die Fernseh-Reporter berichten aus dem Kanu, die Gouverneurin von Queensland bricht vor laufenden Kameras in Tränen aus und bei der großen Spenden-Gala am Samstagabend rückt die Nation demonstrativ zusammen.

    Hier in Melbourne ist die Lage zum Glück noch einigermaßen entspannt. Der Yarra-River steigt ebenfalls, wird aber wohl nicht über die Ufer treten. Trotzdem zeigen die regionalen TV-Nachrichten per Computer-Simulation, welche Stadtteile als erste absaufen würden. Die Tennisspieler der am Montag startenden Melbourne Open sammeln Spenden bei einem karitativen Auftritt.

    Das Fernsehen berichtet rund um die Uhr über die Flut.
    Auch anderswo führt der viel Regen zu ungewöhnlichen Ansichten. Etwa im Outback, wo ich die vergangenen fünf Tage verbracht habe. Sogar dort hat es geregnet. Das rote Herz Australiens ist ergrünt. Die sonst wüstenähnliche Landschaft gleicht zurzeit eher der Lüneburger Heide.

    Drei Tage dauert die Tour zum Kings Canyon, den Olgas-Bergen und Ayers Rock. Wobei mich Letzterer überrascht, denn ich hatte ihn im dringenden Verdacht, einfach bloß ein Felsen zu sein, der in der Gegend rumsteht. Doch die Aussichten sind außerordentlich. Auf den ersten Blick hat das Gestein eine glatte, rote Oberfläche. Aus der Nähe dann sieht es aus, als würde es rosten. In wunderbarem Konstrast dazu stehen die Löcher, Sprünge und Risse, die den Fels durchziehen. Wir umrunden Ayers Rock, staunen über die vielen unterschiedlichen bizarren Formationen - und werden von den Schauern buchstäblich kalt erwischt.

    Hunderte schauen zu: Sonnenuntergang im grünen Outback.
    Zum Sonnenuntergang formieren sich rund 500 Touristen verschiedener Alters- und Geld-Klassen in einigen Kilometern Entfernung, um den Felsen von dort aus erröten zu sehen. In den exklusiven Runden werden Champagner und Häppchen dazu gereicht, es gibt Klapp-Stühle. Wir haben Dosen-Bier. Pech: In den letzten zehn Minuten schiebt sich eine dicke Wolke vor die Sonne. Schee ist es trotzdem...

    1500 Kilometer reißen wir in den drei Tagen ab. Geschlafen wird unter freiem Himmel am Lagerfeuer in einer Art Outdoor-Schlafsack. Und obwohl behauptet wird, Australien sei das Land mit den meisten todbringenden Tieren, bekomme ich nicht mal eine Schlange zu sehen.

    Und daraus wird wohl auch nichts mehr. Seit heute bin ich zurück in Melbourne - und ziemlich froh, dass ich einen Abstecher an die Ostküste erst gar nicht geplant hatte...Cheers!
    Noch nie gesehen schön: der Kings Canyon.

    Freitag, 7. Januar 2011

    Pinguin-Parade

    Fotos darf man keine machen von der Pinguin-Parade, dafür gibt's im Souvenir-Shop alles rund um den Vogel.
    Große Teile von Australien sind abgesoffen, und die Fluten scheinen immer noch kein Ende zu nehmen. Doch Melbourne ist zum Glück weit weg. Hier scheint die Sonne warm vom Himmel - ich kann mein Sightseeing-Programm trockenen Fußes fortsetzen. Gestern Abend stand etwas ganz besonders Skurriles auf dem Programm: die Pinguin-Parade auf Phillip Island.

    Nach den vielen Pinguinen, die ich rund um Puerto Madryn gesehen habe, wollte ich mir das eigentlich schenken, nach mehrfacher Empfehlung durch andere Reisenden bin ich dann doch hin. Zum Glück. Sonst könnte ich nicht von diesem unfassbaren Strand-Auftrieb berichten, den die Spezies Mensch dort veranstaltet. Im Stile einer Open-Air-Show wird hier dem Pinguin an sich gehuldigt.

    Manche fotografieren sich auch einfach vorm Werbeplakat.
    Der Anlass ist banal: Jeden Abend kehren  tausende Pinguine aus dem Meer zu ihren Nester zurück, wobei sie ein paar hundert Meter über Strand und durchs Gesträuch watscheln. Man hätte - wie in Argentinien - einfach ein paar Stege durch die Pinguin-Kolonie anlegen können, und gut wär's. Stattdessen ganz großes Kino: Wie in demselben müssen alle Besucher erstmal durch eine große Eingangshalle - vorbei an Popcorn-, Eis- und Pommes-Ständen, natürlich dem Souvenir-Shop und, ja auch das gibt's, einer kleinen Ecke mit Infos über Pinguine. Direkt neben den Toiletten. Wie praktisch.

    Weil bei dem Event keine Fotos gemacht werden dürfen, drängeln sich ganze Familien in der Blue-Box, um sich per digitaler Technik und für zehn Dollar neben ein paar Pinguinen platzieren zu lassen. Maßstabsgetreu oder nicht, völlig egal.

    Ist die Haupthalle passiert, trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer für die Vip-Tickets 14 Dollar, beziehungsweise für die Super-Vip-Tickets 44 Dollar Aufschlag bezahlt hat (inklusive Kalt-Getränk!), darf in einen separaten Bereich am Strand, mit besserem Blick auf die Pinguine.

    Der Pöbel (inklusive meiner selbst) veranstaltet derweil eine Menschen-Parade. Über diverse Stege geht es im Gänse-Marsch zu den zwei großen Beton-Tribünen, die am Strand aufgebaut sind. Es sind deutlich mehr als 1000 Erwachsene und Kinder, mit Bussen aus Melbourne herangekarrt, die sich dort um den besten Blick drängeln. Für Rollstuhlfahrer gibt es extra Plätze. Mehrere Ordner sorgen dafür, dass im Lichte der großen Scheinwerfer alles seinen geregelten Gang geht.

    Auch auf die Pinguine ist Verlass. Es ist noch ein Restlicht der Dämmerung vorhanden, als die ersten Gruppen wie angekündigt um 21.15 Uhr aus dem Wasser auftauchen und an den Strand watscheln. Ein Raunen geht durch die Reihen, obwohl die Tierchen bestimmt an die hundert Meter weit von der ersten Sitzreihe entfernt sind. Wer hinten und oben steht, erkennt nur ein paar laufende Punkte, die hintereinander her wackeln.

    Kurz danach kommt Bewegung in die Angelegenheit. Das Publikum verteilt sich auf dem ganzen Gelände, um die Pinguine von Näherem zu betrachten. Das ist möglich, weil die Stege an deren Hauptrouten aufgebaut wurden. Von den vielen Menschen hinter den Zäunen lassen sich die Vögel nicht stören, zielstrebig laufen sie in Richtung ihrer Nester. Auf der anderen Seite werden Eis und sonstige Snacks verzehrt. Kinder lachen und spielen fangen. Volksfeststimmung. Das "award-winning experience" ist ein echtes Spektakel.

    Man hätte es wie in Argentinien auch einfach auf das Wesentliche beschränken können. Aber in dieser Hinsicht sind die Aussies den Amis ähnlich: Sie lieben das Hohe, Schnelle, Weite. So viel Vogel muss sein...

    Die Homepage zur Show
    (garantiert ohne Fotos von den Beton-Tribünen auf der Startseite)

    Dienstag, 4. Januar 2011

    Aussies ganz speziell

    Bizarre Felsformationen an der Great Ocean Road - vom Helikopter aus gesehen.
    Endlich wieder eine richtige Metropole. Nach all den gar nicht urbanen Städten in Neuseeland ist Melbourne eine echte Wohltat. Das genieße ich - und mache die ersten Tage nach meiner Ankunft gar nichts. Ich lasse mich einfach treiben. Spazieren am Yarra-River, Straßenbahn-Fahren in der City, Sonnenbaden am Strand von St. Kilda. Fühlt sich so die perfekte Stadt an?

    Känguru, vom Fotograf mühsam erpirscht.
    Auf jeden Fall ist Melbourne nah dran. Das Einzige, was beim Sich-treiben-lassen nervt, sind die ewig langen Rot-Phasen für Fußgänger an allen Ampeln. Der gemeine Rheinländer bleibt ja wenigstens dann noch stehen, wenn Kinder in der Nähe sind. Von wegen Vorbildfunktion und so. Hierzulande laufen die vermeintlichen Vorbilder entnervt mitsamt ihren Plagen an der Hand über Rot. Und wir reden nicht von verkehrsberuhigten Dorfgassen...

    Dass die Australier ein spezielles Völkchen sind, wird mir auch an Silvester wieder erinnerlich. Private Feuerwerkskörper sind verboten, Alkohol auf der Straße auch. Es gibt zwei, drei öffentliche Feuerwerke als Ersatz, mehr nicht. "This is a No-alcohol-event" verkünden stattdessen mobile digitale Anzeigetafeln überall. Und die Aussies halten sich weitgehend dran. Ein paar Straßen in der City sind für die feiernden Massen gesperrt - wer durchläuft, darf sich sicher fühlen wie in Abrahams Schoss.

    Wunderlicher Waldschrat
    Keinerlei Blindgänger in Sicht! Weder pyrotechnischer, noch menschlicher Art. Ich bekomme keine Raketen ins Gesicht geschossen, auch will sich niemand mit mir prügeln. Sehr angenehm! In Deutschland leider undenkbar, wobei die Brauer vermutlich schneller auf den Barrikaden wären als die Feuerwerks-Importeure...

    Genug rumgelungert! Es gibt noch so viel zu sehen, dass für Nichtstun keine Zeit ist. Die Grand Ocean Road ist etwa so ein Highlight, das man nicht versäumen sollte, wenn man schon hier ist. Gestern morgen also breche ich mit 15 anderen Travellern zu einer zweitägigen Tour auf. Sie lohnt sich doppelt: Weil unsere Tour-Guidein (oder wie heißt die weibliche Form von Guide?) Jude einen super Job macht und viele Extras einbaut - und weil die Truppe nett ist. Spätestens seit dem Salar de Uyuni weiß ich, dass doofe Mit-Reisende viel vermiesen können. 

    Diesmal nicht. Gemeinsam bestaunen vier Finninen, drei Engländer, drei Italiener und je eine Kanadierin, Schwedin, Niederländerin, Südafrikanerin, Chinesin und "ze german" die wunderschönen Felsformationen entlang der Küste. Wir wandern am Strand, klettern in Höhlen herum, suchen im Busch nach Kängurus und fliegen mit dem Hubschrauber über die Küste (natürlich gegen Aufpreis). Tolle Aussichten, von denen ich bestimmt gleich träumen werde! Downunder gefällt mir immer besser...
    Der letzte Schrei bei den Aussies ist Kite-Surfen mit Drachen - hier am Strand von St. Kilda vor der Melbourne-Skyline.