Dienstag, 31. August 2010

Ohne alles im Nirgendwo

Ausgesetzt an irgendeiner Tankstelle - ohne Gepäck. Das passiert nicht nur Oma oder Schwiegermutter!

Gestern Nachmittag: Ich bin gestrandet an einer Gasolinera irgendwo zwischen Guatemala-City und der mexikanischen Grenze. Mein Gepäck reist ohne mich weiter in die Hauptstadt. Die Situation ist völlig außer Kontrolle geraten. Wie konnte das bloß passieren?


Eigentlich war alles ganz einfach: Von Mexico aus wollte ich zum Atitlan-See in Guatemala. Zunächst klappt auch alles gut, die Busse sind pünktlich, das Umsteigen funktioniert, auch an der Grenze gibt's keine Probleme. Doch leider hat der Busfahrer vergessen, dass ich unterwegs aussteigen will. Im Dorf Cocales hätte ich umsteigen müssen. Doch als ich bei der Bus-Hostess nachfrage, wann wir denn besagten Ort erreichen, sind wir l
ängst durchgefahren.

Was tun? Der Busfahrer entscheidet sich dafür, an einer Tankstelle anzuhalten. Dort versucht die Hostess herauszufinden, wie und wann ich zurück nach Cocales kommen könnte. Offenbar bekommt sie eine befriedigende Antwort - denn während ich noch mit einem Tankwart spreche, steigt sie wieder in den Bus. Der schließt die Türen und rauscht ab. Ohne mich - aber mit meinem Rucksack!

Jetzt erst lerne ich die Lunch-Tüte zu schätzen, die ich zu Beginn der Fahrt bekommen habe und sinnloser- wie glücklicherweise noch in der Hand halte. Darauf steht
nämlich die Telefon-Nummer des Bus-Unternehmens. Mit dem Handy des Tankwarts rufe ich dort an, und versuche mich verständlich zu machen. Gar nicht so einfach, denn mein aktiver Spanisch-Wortschaft umfasst gerade mal gefühlte 20 Wörter. Ich holper und stolper nur so durch die Sätze, aber am Ende des Telefonats gibt es einen Lichtblick: Man verspricht mir, mein Rucksack werde innerhalb einer Stunde zur Tankstelle gebracht.

So warte ich also bei strömendem Regen unter dem Dach der Tankstelle (Foto) - und hoffe! Wer weiß, ob der Rucksack wirklich kommt? Gerade in Guatemala kommt Gepäck besonders schnell weg, wenn man es nicht fest im Griff hat - ohne jemals wieder aufzutauchen, versteht sich. Doch tatsächlich passiert das kleine Wunder: Nach einer guten Stunde kommt ein Taxi-Fahrer und bringt mir meinen Rucksack. Welch Freude!


Besonderer Dank gilt den drei Jungs von der Tankstelle, die sich rührend um mich kümmern. Einer wartet gar noch mit mir im Regen auf den Bus, damit ich auch den richtigen erwische. Dass das Gefährt nach zehn Minuten Fahrt auf offener Strecke liegen bleibt, derweil es kräftig reinregnet, macht mir gar nichts aus. Hauptsache, ich habe meinen Rucksack!


Schließlich geht es doch weiter. Und nach nochmaligem Umsteigen und drei Stunden Fahrt erreiche ich - es ist längst dunkel - dann doch noch mein Ziel: Santiago Atitlan. Ich nehme die erstbeste Herberge. Das Zimmer hat Schimmel an den Wänden und in der Gemeinschaftsdusche gibts nur kaltes Wasser. Aber nach 26 Stunden Busfahrt sinke ich einfach nur zufrieden ins Bett...

Samstag, 28. August 2010

Aussichten und Ver Bote

Aurélien hat nur wenige Wochen Urlaub - und es deshalb eilig. Er macht Power-Sightseeing, und ich mache mit. Vorgestern Centro Historico Oaxaca, gestern Monte Alban, heute Mitla und weitere Orte. Wir nutzen die Zeit, solange sie trocken bleibt. Es ist Regenzeit in Mexico. Das bedeutet: Der Tag startet in der Regel trocken, mittags oder nachmittags fängt es dann an. Mal stärker, mal fisseliger - aber immer unangenehm. Diesmal haben wir Glück. Stets fängt der Regen erst an, wenn wir zurück im Hostel sind.

Das Power-Sightseeing hat sich gelohnt: Auf dem Monte Alban befinden sich die Ruinen der alten Zapoteken-Hauptstadt. Von allen Seiten des Hochplateaus aus gibt es eine grandiose Aussicht auf die umliegenden Täler und Berge (Foto oben).


In Mitla gibt es viele gut erhaltene Rauten-Muster zu besichtigen, eine Spezialität der Mizteken. Und im nahegelegenen Tula das angeblich größte Lebewesen der
Welt: einen 40 Meter hohen Baum, der die benachbarte Dorfkirche buchstäblich in den Schatten stellt. Dort mache ich auch das Foto des Tages von einer verunglückten Übersetzung ins Deutsche, zu lesen auf einem Hinweisschild: "Ver Boten Zweige abzubrechen".

Und das war es dann auch mit Mexico. Nach drei tollen Monaten wird es Zeit weiterzureisen (nicht nur, weil mein Visum ausläuft). Morgen mache ich mich auf den Weg nach Guatemala.


Mehr Bilder vom Monte Albán, Mitla und Tula

Donnerstag, 26. August 2010

Schunkel-Feeling in Oaxaca

Eine Stunde maximal, danach werde ich aggressiv. Das sollte nicht sein, das ist nicht sehr freundlich und tolerant, ich weiß. Aber ich habe mich dann einfach nicht richtig mehr unter Kontrolle, wenn die Musik zu lange spielt. Eigentlich mag ich die lateinamerikanischen Rhythmen sehr gerne. In Mexico aber gibt es eine ganz spezielle Abart: Banda. Wesentliches Merkmal ist der fröhliche Schunkel-Rhythmus. Häufig mit Tuba und anderen Blas-Instrumenten dargebracht, so dass manch ein Titel fast schon nach alpenländische Alm-Dudelei klingt. Ein Eindruck, der durch den Gesang freilich rasch entkräftet wird.

Die meist spanischsprachigen Texte sind dabei längst nicht immer so fröhlich, wie es die Schunkel- und Polka-Musik suggeriert. Ich habe mir mal einen kompletten Text von einem Mexicaner übersetzen lassen. Darin ging es um den Boss einer Drogen-Mafia, der sich über seine Probleme mit der Konkurrenz und der Polizei auslässt.

Für eine Weile ist das ja auch alles schön und gut. Aber länger als eine Stunde schunkeln meine Nerven nicht mit. Ein Problem ist das vor allem bei Busfahrten. Viele Fahrer lieben es, unterwegs laute Banda-Musik zu hören. Sie entspannt es, ich bin nach acht Stunden ein laufendes Stress-Hormon...

Nun gut, dieses Elend ist bald vorbei. Denn ich bin in Oaxaca, meiner letzten Station in Mexico. Hier wird noch kräftig geschunkelt. Doch schon in Guatemala ist Banda kein Thema mehr.

Die Stadt ist ein Highlight einer jeden Mexico-Reise. Besonders berühmt sind die historische Altstadt (Foto oben) und das Kunst-Handwerk, dessen bunt-naiver Stil sich längst auch bis Europa verbreitet hat. Auch eine Literatur-Szene gibt es - inklusive einer Art Bücherbummel (Foto rechts).

Ich erkunde die Stadt mit einem jungen Franzosen, Aurélien, den ich an der Pazifik-Küste kennengelernt habe. Soweit sich unsere Reiseroute überschneidet, reisen wir gemeinsam - das ist sicherer und billiger. Wir unterhalten uns auf Spanglish, weil er besser Spanisch und ich besser Englisch kann. Klingt komisch - aber funkioniert. Bloß das Wort für Schunkeln, das hat uns in beiden Sprachen gefehlt...

Mehr Fotos aus Oaxaca

Hörprobe Banda-Musik

Dienstag, 24. August 2010

Surfer im Regen

Busfahren ist in Mexico eine Wissenschaft für sich. Obwohl, eigentlich ist es das Gegenteil von Wissenschaft - ein Ratespiel. Während das Fernbus-System einen hohen Organisations-Grad hat, ist es mit den lokalen Bussen immer schwierig. Es gibt keine Fahrpläne, keine Netzpläne - und manchmal nicht mal Haltestellen. Für einen passionierten Bus- und Bahnfahrer wie mich ist das ein real gewordener Alptraum.

Es bleibt mir im Zweifelsfall nichts anderes übrig, als mich auf gut Glück an den Straßenrand zu stellen und darauf zu hoffen, dass der richtige Bus kommt. Die Endhaltestellen stehen auf der Windschutzscheibe, immerhin. Leider aber nicht die Route. Einmal habe ich eine Haltestelle daran erkannt, dass viele Menschen an der selben Stelle auf etwas warteten. Das hat den Vorteil, dass man fragen kann, wohin welcher Bus fährt. Meistens aber stehe ich am Straßenrand - wie bestellt und nicht abgeholt...


So jedenfalls war es bisher noch in den meisten mexikanischen Städten. Hier in Puerto Escondido ist das nicht anders, aber ich mache mir nichts draus. Denn das Taxifahren ist so günstig (höchstens zwei Euro pro Fahrt, dafür ist man in Düsseldorf noch nicht mal eingestiegen), dass ich auf das Busfahren gleich ganz verzichte.


Fortbewegungsmethode Nummer Eins ist hier sowieso das Surfen. Denn an diesem Küstenabschnitt gibt es derart hohe Wellen, dass blond gelockte Rausche-Engel aus aller Welt hierherkommen, um gemeinsam cool über das Wasser zu gleiten. Am ersten Tag schaue ich mir vom Strand aus an, wie das geht - und überlege ernsthaft, ob ich nicht auch mal einen Tages-Kurs ma
chen soll. Weil es aber an den folgenden Tagen große und kleine Hunde regnet, wird nichts draus.


Wegen des vielen Regens lungern auch die Surfer wie bedröppelte Pudel am Strand herum. Alternativ-Beschäftigungen gibt es hier nämlich nicht viele. Manche vertreiben sich die Zeit bei Yoga mit Hund (Foto), andere schauen den ganzen Tag wehmütig unter dem schützenden Dach der Strandbar aufs Meer hinaus.

Mir hingegen langt`s. Morgen breche ich meine Zelte hier ab und fahre weiter nach Oaxaca. Mit einem perfekt organisierten und ausgeschilderten Fernbus. Surfen lernen kann ich auch noch woanders...

Freitag, 20. August 2010

Verblühter Reichtum

Wie gesagt: Das Wissen in Mexico über das heutige Deutschland ist nur eingeschränkt vorhanden. Kein Wunder, die wenigsten Mexicaner waren jemals in Europa. Und wenn jemand etwas über Deutschland weiß, dann aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Das zeigt sich manchmal auch in etwas skurrilen Details. So etwa in dem Hostal, dessen Haustür nur mit einem Nummern-Code zu öffnen ist. Jeden Tag gibt es eine neue Nummer, stets handelt es sich dabei um historische Daten. Gestern war es 1789 für die französische Revolution, heute 1492 für die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus. Im Fundus habe man aber auch ganz besonders viele deutsche Daten, versichert mir der Hostal-Betreiber...

Nun also Acapulco. Ein Ort verblühten Reichtums. Seinerzeit, als ich Teenager war und leidenschaftlicher
Dynasty-Gucker, jetsettete Alexis Colby/Carrington regelmäßig nach Acapulco. Seither hat der Ort für mich den Beigeschmack von Glamour. Gehabt. Denn diese Zeiten sind schon lange vorbei. Heute erinnert Acapulco eher an Playa del Ingles auf Gran Canaria. Massen-Tourismus in 70er-Jahre-Hotels. Die Bucht ist nett, aber das war es auch schon. Deswegen breche ich nächste Nacht schon wieder auf - per Bus geht es diesmal nach Puerto Escondido.

Dienstag, 17. August 2010

Sog statt Trieb

Eigentlich war der Plan, keinen Plan zu haben. Sich bloß treiben zu lassen. Und tatsächlich ist diese Situation auch so eingetreten: Mein nächster fester Termin ist am 16. Dezember: der Flug von Buenos Aires nach Auckland. Schöne Aussichten. Und trotzdem klappt das nicht so recht mit dem Treibenlassen. Dazu fehlen Ruhe und Muße. Kaum, dass ich einen Ort einigermaßen erkundet, die Atmosphäre inhaliert und die Szenerie auch innerlich verortet habe, zieht es mich weiter. Das bedeutet: Wieder Rucksack packen, Bus fahren, aussteigen - Neues einsaugen. Und so weiter. Sog statt Trieb.
Zum Gefühl fehlender Ruhe mag auch beigetragen haben, dass ich zuletzt vor allem in größeren Städten unterwegs war... Jedenfalls freue ich mich auch deshalb jetzt auf die mexikanische Pazifikküste. Dort geht es bestimmt eine Nummer ruhiger zu. Einige Tage werde ich mich an der Küste entlang Richtung Süden vorarbeiten.

Ersten Küstenkontakt habe schon ich in den vorigen Tagen in Colima bekommen. Dort besuche ich Christian und seine Familie. Christian habe ich in Puerto Vallarta kennen gelernt. Er ist Zahntechniker und lebt in Guadalajara. Wir haben schon ein paar Ausflüge zusammen unternommen, unter anderem eine Destillerie-Besichtigung in Tequilla. (Seitdem kann ich diesem Mezcal sogar etwas abgewinnen...)

In Colima lebt Christians Tante, die uns über das Wochenende beherbergt. D
er Ort liegt rund 60 Kilometer vom Meer entfernt. Am gestrigen Sonntag haben wir einen Ausflug mit der ganzen Familie dorthin gemacht. Mit von der Partie: mehrere Tanten und Onkel und auch Oma (89, schlecht zu Fuß) und Kampfhund Donna (Foto Mitte). Mit zwei Autos gehts aus den Bergen zum Meer hinunter nach Cuyutlán, einem kleinen Ort an der Küste.

Das Strandleben ist sehr mexikanisch. Hier gibt es nur einheimische Ausflügler, keine ausländischen Touristen. Der Strand, der aus dunklem Sand besteht, ist von verschiedenen Betreibern mit Stühlen, Tischen und Sonnenschirmen bestückt worden. Die mexikanischen Familien rücken - so wie wir auch - mit Kühltruhen und Picknickkörben an. Man gruppiert sich um den Tisch und isst zusammen, derweil das Meer vor sich hinrauscht und die Kinder im Sand spielen (Foto oben). Unter anderem gibt es Tacos, verschiedene Salate und Kokosnüsse (außen grün und mit glibberigem Fruchtfleisch (Foto unten) - die in Deutschland bekannte, harte Variante mag man hier nicht: "Viel zu alt!").


Als Deutscher bin ich ein gefragter Gesprächspartner. Good old germany hat hier zwar einen guten Ruf, allerdings ich weiß nicht so recht weshalb. Denn die Mexikaner wissen ungefähr so viel von Deutschland wie die Deutschen umgekehrt von Mexico. Aber sie sind neugierig. Bereitwillig erkläre ich, dass ich die deutsche Einheit trotz aller Probleme für gelungen halte und dass ein deutscher Busfahrer zwar laut Wechselkurs viel mehr Geld verdient als sein mexikanischer Kollege - aber trotzdem auch Probleme haben kann, seine Familie über Wasser zu halten.

Auf Toilette gehen kann man übrigens in einer benachbarten Haus-Ruine, in dem die Örtlichkeiten noch halbwegs gepflegt. Ansonsten gibt es am Strand noch Mini-Pools zum Planschen für die ganz Kleinen - und leider zu wenig Mülleimer.


Alles in allem hat der Tag am Meer mit Familienanschluss großen Spaß gemacht - und Lust auf mehr. Wird es geben: Der Sog zieht mich schon wieder weiter - heute Nacht fahre ich in die Bucht von Acapulco...

Samstag, 14. August 2010

Kirche auf Pyramide


Wie es scheint, ist José, der als Anwalt arbeitet, wirklich gut im Geschäft. Für meinen heutigen Ausflug nach Cholula stellt er mir einen Wagen samt Fahrer. Der heißt Eduardo und freut sich offenbar über die Abwechslung. Gemeinsam fahren wir von Puebla in den zehn Kilometer entfernt liegenden Ort, der eine Besonderheit zu bieten hat, die nicht auf den ersten Blick erkennbar ist: die zweitgrößte Pyramide der Welt - nach der ägyptischen Cheops-Pyramide. Im Laufe der Jahrhunderte ist sie allerdings so zugewuchert, dass nicht mehr im Ansatz als solche zu erkennen ist. Das ging auch schon den spanischen Eroberern so, die auf den unscheinbaren Hügel eine Kirche bauten - angeblich ohne die Beschaffenheit ihres Baugrundes zu erkennen. Heute wirkt die ganze Konstruktion wie ein Sinnbild für die Geschichte von ganz Lateinamerika.

Leider sind die Tunnel, die zu Forschungszwecken in die Pyramide gebaut wurden, zurzeit wegen Renovierung geschlossen. Dennoch ist die Szenerie beeindruckend: die ausgegrabenen Teile der Pyramide - und über allem thront die katholische Kirche.


Von Cholula aus geht es zurück nach Puebla, ins staatliche Eisenbahnmuseum. Und danach fährt mich Eduardo sogar noch zum Busbahnhof. Noch nie während dieser Reise war ich so komfortabel unterwegs. Wenn ich morgen mit dem Übernacht-Bus in Colima ankomme, ist der Spuk auch leider schon wieder vorbei...

Freitag, 13. August 2010

Alte Geschichten in Puebla


Die Woche in Mexico-City - was die Einheimischen übrigens nur D.F. nennen (für Distrito Federal, zu Deutsch: Bundes-Bezirk) - ist mit rasender Geschwindigkeit rumgangen. Außer viel Sightseeing (z.B. die Pyramiden von Teotihuacan) habe ich mich vor allem mit Freunden getroffen. Etwa mit Thomas, einen deutschen Blog-Schreiber, dessen Internet-Tagebuch ich schon seit langem verfolge. Oder mit Miguel, einem peruanischen Landschaftsarchitekten, der seinem Aufbruch nach Brüssel entgegenfiebert, wo er bald studieren wird. Viele interessante Begegnungen! Die spannendste aber hat sich heute in Puebla ergeben. Dorthin bin ich gestern gereist. Die Stadt ist nur zweieinhalb Auto-Stunden von D.F. entfernt - und es lohnt sich. Nicht nur, weil auch hier das Centro Historico als Weltkulturerbe eingetragen ist und jede Menge Altes zu bieten hat.

Ich treffe mich hier mit José, der vor mehr als 20 Jahren als Austauschschüler bei uns in der Klasse war. Unfassbar: Obwohl er seit damals nicht mehr in Deutschland war und auch sonst keine Gelegenheit hat, seine Sprachkenntnisse zu üben, ist sein Deutsch immer noch genauso gut - fließend und dreimal besser als mein Spanisch, das ich immer noch nur brockweise herausbringe. Sein beeindruckendes Erinnerungsvermögen erstreckt sich derweil auch auf die alten Klassenkameraden und die Geschichten, die sich damals zugetragen haben. Mit jedem Tequilla werden die Erinnerungen lustiger. Und wir trinken einige davon... Dieses Bild ist denn auch schon im Stadium gehobener Lebensfreude entstanden. In diesem Sinne: Salud!

Mittwoch, 11. August 2010

Merkwürdiges aus Mexico-City

Ja, es stimmt schon. Mexico-City ist vor allem erstmal riesig, laut und ziemlich stinkig. Wahrscheinlich deshalb nehmen sich viele Besucher nicht sehr viel Zeit für die Stadt. Was ein Fehler ist. Denn zumindest im Zentrum hat sie ein ganz eigenes Flair. Liebenswert, verrückt, manchmal größenwahnsinnig - und immer wieder mit Sinn für große und kleine Skurriltitäten, denen man erst begegnet, wenn man mit Muse durch die Stadt stromert.

Da ist etwa der riesige Buddha, der auf einem Eckhaus im Stadtteil Condesa thront. Warum er von dort aus missmutig über die Straßenkreuzung blickt, wissen auch die Anwohner nicht. Nur so viel: Das Haus stehe derzeit leer. In wessen Auftrag die Gottheit mit frischem Weiß bepinselt wird, bleibt aber rätselhaft.

Ein anderes spirituelles Kunststück gibt es in der Parroquia de San Bernardino de Siena im Stadtteil Xochimilco zu bestaunen. In der Kirche beugt sich eine Heiligenfigur von ihrem Standplatz auf die Gläubigen herab - und schaut Ihnen in die Augen. Und es ist nicht irgendein Heiliger: Es scheint Jesus selbst zu sein. Zwar nicht genagelt, aber das Gesicht doch blutverschmiert. Hunderte von Heiligenstatuen habe ich in Dutzenden mexikanischen Kirchen schon gesehen, eine solche war noch nicht dabei.


Und dann steht da dieses Auto vor einem Hotel in der Avenida Veracruz. Am Lenker sitzt eine Puppe, draußen steckt eine Flügelschraube an dem Wagen, als wäre er eine Spieluhr. Wer dran dreht, erlebt eine Überraschung: Das Auto ist eine Spieluhr. Bei meinem Versuch gibt es ein Klavierstück zum Besten.

Rätselhaft bleibt auch die fortgesetzte Konkurrenz von Holländern und Deutschen, die in Mexico-City vom Fußball auf das Feld der Behandlung von Taubheit verlagert worden ist. Keine zwei Straßen voneinander versprechen zwei Institute Abhilfe, eines nach deutscher Methode, das andere nach niederländischer. Was beide Nationen überhaupt besonders dazu qualifiziert, bleibt so unentschieden wie das letzte Freundschaftsspiel.

Schade eigentlich, dass ich nicht mehr Zeit für diese Stadt habe. Morgen schon geht's weiter, dann nach Puebla...

Mehr Bilder aus Mexico-City

Samstag, 7. August 2010

Skurrile Freuden in Xochimilco

Der Mexikaner als solcher feiert gerne - und erfüllt zumindest in dieser Hinsicht so ziemlich jedes Klischee. Auf die Spitze getrieben wird das in Xochimilco. Nachdem ich mich ein paar Tage im Zentrum Mexico-Citys herumgetrieben habe, geht es heute in diesen Vorort. Dort gibt es schwimmende Gärten, die im 14. Jahrhundert von den Azteken angelegt wurden. Per Boot auf den Kanälen herumzuschippern, ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung der Hauptstädter am Wochenende. Auf bunten Holzflößen geht's Hin und Her. Je ein Gondoliere steuert diese "Trajineras".

Nun wäre der Spaß natürlich keiner, wenn es keinen Tequilla und keine Musik gäbe. Für beides wird gesorgt. Getränke und Essen reichen fliegende - pardon: schwimmende Händler, die mit ihren Booten zu Geschäftszwecken auf Tuchfühlung ko
mmen (Tuch wird übrigens auch verkauft). Auch die berüchtigten Marichachis schippern durch die Gegend. Werden sie von Ausflüglern angeheuert, steuern Sie bei - erst mit ihrem Boot, dann ihre Musik.


Und so schunkelt man also, bewegt von Wellenschlag und Tequilla, zwischen den Gärten hin und her. Dazu gibt's beliebte mexikanische Volkswaisen, die aus allen Himmelsrichtungen ins Ohr dringen und bei gegenseiter Überlagerung zu einem eigenartigen Klangteppich mutieren. Auch so kann man einen Nachmittag verbringen...

Dienstag, 3. August 2010

Was sonst noch gefährlich ist

Erkenntnis heute: Auch wer kleinerer Statur ist, lebt nicht unbedingt sicherer in Mexico. Dafür sorgen allein schon die unzähligen Stolperfallen im Gehweg. Mal sind es nur mittelprächtige Löcher, gerade klein genug, um sie zu übersehen - aber groß genug, um arglose Passanten zu Fall zu bringen. Und dann gibt es da noch die ominösen großen, schwarzen Löcher, bei denen kein Grund zu erkennen ist. Man sollte dort mal nach den Familienvätern suchen, die bloß Zigaretten holen wollten (Foto rechts).

Nun sind all diese Risiken einigermaßen zu beherrschen, wenn man seine sechs Sinne beisammen hat. Problematisch aber wird es, wenn die anderweitig in Anspruch genommen sind. Zum Beispiel rund um den Marktplatz irgendeiner mexikanischen Kleinstadt. Enge Gänge, ein dichtes Gewusel von Menschen. Irgende
in lateinamerikanischer, endlos stampfender Rhythmus vermischt sich mit den Klängen einer mexikanischen Mariachi-Band - weil die CD-Händler sich wie üblich gegenseitig zu übertönen versuchen. Meine Ohren sind schon mal beschäftigt. Meine Nase auch, leider wird der lockende Geruch des Süßwaren-Standes von einem nahe gelegenen Abwasser verderbt.

Das alles führt zur kompletten Überforderung des Gehirns. Die Gefahren-Meldungen werden werden nur noch per Reflex abgearbeitet. Achtung Anstoßgefahr oben: Gefährlich niedrige Klappe am Taco-Stand! Achtung Stolperfalle unten: Fehlende Gehwegplatten! Achtung Diebe von hinten: Haben die beiden Kerle eben nicht
nach meiner Tasche geschielt? Achtung, vorne liegt eine handvoll Hund im Weg! Abgeschnittene Stromleitung auf Augenhöhe! Schirmständer bedroht rechten Fuß! Ich kann diese Musik nicht mehr hören! Warum stinkt das so?


Es ist immer wie ein kleines Wunder, heil aus einem solchen Gewimmel heraus zu kommen. Nie mehr werde ich auf seelenlose Einkaufs-Malls schimpfen. Saubere, übersichtliche, geregelte, organisierte tolle Flanier-Paradiese sind das! Vor allem das in León, wo ich heute auf dem Weg von Guanajuato nach Mexico-City Station mache. Dieser wunderbar seelenlose und sterile Riesenklotz beinhaltet sogar eine Eisbahn. Auf wackeligen Beinen drehe ich ein paar Runden - und fühle mich herrlich sicher!

Sonntag, 1. August 2010

Zu groß für alles

Mexico ist nicht für Menschen mit Körpergröße 1,85 gemacht. Das merke ich tagtäglich aufs Neue. Von den kurzen Betten und anderen Unbequemlichkeiten mal abgesehen, befindet man sich auf dieser Höhe in ständiger Gefahr. Zu niedrige Treppenaufgänge haben mir schon zwei mittelschwere Beulen eingebracht. Und erst die Duschköpfe...

Ebenfalls auf Augenhöhe befindet sich manch ein Stracheldraht, der ein Grundstück unzugänglich machen soll. Ich wage es nicht mir auszumalen, ich würde einen jener Straßenabschnitte betrunken passieren.


Und dann sind da noch die Taco-Stände auf den Straßen, deren aufgeklappte Dächer selten über 1,70 kommen. Ein ständiger Quell des Ärgers für einen mittelgroß gewachsenen Europäer... Trost hole ich mir heute bei Cristus Rey, der drittgrößten Jesus-Statue auf der Welt. Immerhin rund 20 Meter hoch thront sie auf einem Berg nahe Guanajuato.