Montag, 28. März 2011

Licht-Orgie in Nanjing

Per Boot geht es fast eine Stunde lang vorbei an illuminierten Papp-Figuren.
Ich bezahle mit einem 100-Renminbi-Schein. So heißt das Geld in China, umgerechnet ist dieses Papier knapp elf Euro wert. Und was macht der Mitarbeiter an der Kasse? Er legt die Banknote tatsächlich in einen der hierzulande weit verbreiteten Geldzähl-Automaten. Der Schein wird durchgemangelt, das Display zeigt überraschenderweise eine Eins. Dieser Vorgang wiederholt sich zu meinem großen Erstaunen noch ein zweites und ein drittes Mal, dann erst ist der Mitarbeiter offenbar davon überzeugt, dass ich ihm EINEN Hunderter gegeben habe und beginnt, das Wechselgeld aus der Kasse nesteln.

Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass nicht nur Deutschland überbürokratisiert ist. Über den unfassbaren Aufwand, den man beim Geldtauschen betreibt, habe ich ja schon berichtet. Und auch sonst scheint es für jeden Vorgang des Lebens in China ein passendes Formular zu geben. Nun ja, das Zusammenleben von 1,3 Millarden Menschen will organisiert werden.

Diese Zahl ist so unglaublich groß, dass sie in meiner Vorstellung stets abstrakt gewesen ist. Jetzt aber gibt es ein Bild dazu. Entstanden ist es bei den Hochgeschwindigkeits-Zugfahrten von einer Fünf-Millionen-Metropole in die nächste. Es ist das Bild tausender Wohnsilos, das eines nach dem anderen an meinem Blick vorbeirauscht. Und es hört gar nicht mehr auf, so zersiedelt ist die Landschaft zwischen den Städten.

Die alte Stadtmauer von Nanjing vor Wohn-Silo.
Auf dem Weg nach Nanjing ist das nicht anders. Auch hier eine ähnliche Situation wie in Hangzhou und Suzhou: Die Innenstadt ist sauber, tiptop hergerichtet, alles auf dem Standard westlicher Industrieländer. Drumherum sind die Menschen in gigantischen Wohnsiedlungen aufgestapelt. 

Nanjing überrascht indes nicht nur mit seinem hübschen See und dem Hausberg, auf dem sich die Jugendlichen sonntags treffen, um Karten zu spielen. Aus dem Rahmen fällt vor allem die Licht-Orgie, die die Stadtväter allabendlich inszenieren.

Los geht es direkt nach Einbruch der Dunkelheit. Dann starten dutzende buntbeleuchtete Boote auf eine Kanal-Rundfahrt. Gut eine Stunde lang geht es an hell erleuchteten Häusern vorbei und unter illuminierten Brücken hindurch. Wo gerade nichts steht, an das man hätte Glühbirnen schrauben können, sind Figuren und Szenen aus Pappmasche hingestellt worden - von innen beleuchtet. Die Grenze zum Kitsch ist meilenweit überschritten, aber irgendwie hat's auch was. Vermutlich vor allem dann, wenn man sein Leben die meiste Zeit in einer chinesischen Vorstadt-Hochhaussiedlung verbringt... 

WAS SONST NOCH WAR
 
Noten-Terror. Zwei hübsche Innovationen gibt es an chinesischen Bankschaltern. Erstens befinden sich dort Sitzgelegenheiten, was freilich auch angebracht ist, da selbst kleinere Vorgänge fünf Stempel und drei Unterschriften erfordern (siehe oben). Und dann gibt es noch das kleine, graue Gerät vor der Sicherheits-Scheibe. Dort kann man dem Mitarbeiter am Ende des Vorgangs eine Note geben. Gut, Mittel und Schlecht - diese Varianten stehen grob übersetzt zur Auswahl. Eine Leucht-Skala zeigt den Durchschnitts-Wert an, den der Bankberater bisher erreicht hat. Drei von fünf Sternen leuchten mir diesmal entgegen. Die Chinesen scheinen bei der Benotung nicht ganz so zimperlich zu sein. Ich derweil könnte mir ein solches System problemlos auch in allen möglichen Lebensbereichen in Deutschland vorstellen. Wäre ich König, ich würde anfangen bei (und zwar in dieser Reihenfolge): Taxi-Fahrern, Ärzten, Mitarbeitern der Deutschen Bahn. Ergänzungswünsche nehme ich jederzeit gerne per E-Mail entgegen.

Freitag, 25. März 2011

Reise-Alltag auf Chinesisch

Die Innenstadt von Suzhou ist durchzogen von dutzenden Kanälen.

Von drei Zetteln hängt alles ab. Auf dem ersten steht, dass ich zum nördlichen Busbahnhof will. Auf dem zweiten, dass ich ein Ticket nach Suzhou (sprich: Sutscho) benötige. Und auf dem dritten, dass ich zum Lohas Youth House gefahren werden möchte. So haben es mir die Mitarbeiter meiner Herberge in Hangzhou (sprich: Hantscho) aufgeschrieben. Soweit ist alles klar für meine Weiterreise per Bus und Taxi.

Sollte es aber eine Rückfrage geben, eine Unklarheit, irgendetwas Unvorhergesehens, dann ist Improvisieren angesagt. Oft kann man ich mich per Handzeichen verständigen. Erstaunlich, wie viel man allein mit den Händen sagen kann... Und zur Not muss ich eben nach jemandem suchen, der ein bisschen Englisch spricht. Vor allem die Jüngeren können fast immer ein paar Brocken. Reise-Alltag in China: Irgendwie kommt man doch immer ans Ziel.

Beim Essen ist es genauso. Wenn es keine englische Speisekarte gibt, zeige ich auf Bilder, die verschiedene Speisen zeigen - ob sie nun an der Wand hängen oder in einer chinesisch-sprachigen Speisekarte abgebildet sind. Gibt es keine, kann man immer noch auf den Teller anderer Gäste zeigen. Hat zwar manchmal was von Lotterie, aber um Katze und Hund bin ich bis jetzt noch herumgekommen. Glaube ich jedenfalls... 

Bier gibt's auf das Zauberwort Tsingtao (sprich: Dschingdao) hin. Das ist der Name einer chinesischen Küsten-Stadt, früher von Deutschen besetzt, die dort eine Brauerei gegründet haben. Das Bier ist heute die bekannteste Marke in China.

Merke: Am Ende klappt doch fast alles. Solange man die Hotel-Adresse auf Chinesisch dabei hat, kann eigentlich nichts Grundlegendes schieflaufen. Klar, mehrmals habe ich mich schon verlaufen, weil es gerade mal keine Straßenschilder gab. Aber mit ein wenig Abenteuerlust und Improvisationstalent kommt man im Reich der Mitte erstaunlich gut durch. Und da in den Innenstädten auch immer ein Starbucks in der Nähe ist, sind die Nerven gegebenenfalls auch schnell wieder beruhigt.

Trotzdem lassen sich viele Touristen offenbar von den Sprachproblemen abschrecken, auch in Suzhou sehe ich fast keinen Europäer, Amerikaner sowieso nicht. Ein Jammer, denn auch diese Stadt ist ausgesprochen hübsch. Durchzogen von dutzenden Kanälen, wird es das Venedig Chinas genannt. Es gibt mehrere wunderschön hergerichtete Bereiche. Mit einem Mix aus Cafes und Restaurants in europäischem Stil, chinesischen Kreativ-Betrieben und heimeliger Beleuchtung in der Nacht. Wahrhaft zauberhaft!


Ich beginne mich zu fragen, weshalb Touristen überhaupt noch nach Thailand fahren, wenn sie doch auch nach China könnten. Günstig ist es hier ebenfalls, und es gibt so viel mehr zu sehen und zu erleben. Okay, Badeurlaub am Meer ist in dieser Gegend hier nicht drin... Trotzdem scheint mir China als Reise-Ziel noch völlig unterschätzt. Selbst dann, wenn man in der Fremde doch nur das Bekannte sucht.

WAS SONST NOCH WAR


Deutsch-Marx. Hitler. Oder irgendein Fußballer wie Beckenbauer oder Schweinsteiger. Das sind die Namen, die ich im fernen Ausland meist zu hören bekomme, wenn die Rede auf Deutschland kommt. Wobei Österreich stets eingemeindet wird. Oder muss man "eingereicht" sagen? (Sorry für den Kalauer, der musste!) Wie auch immer, eine neue Variante habe ich jetzt in China kennengelernt. Bei einem Plausch mit einem chinesischen Ehepaar auf einem Touristen-Boot wird mir erstmals Karl Marx als berühmter Deutscher serviert. Was ja irgendwie auch stimmt. Dass in der deutschen Wir-sind-stolz-drauf-Liste die Deutsch-Mark immer noch vor Deutsch-Marx rangiert, behalte ich bei dieser Gelegenheit allerdings für mich...


Der Tresen im Buchladen besteht aus Büchern.

Dienstag, 22. März 2011

Die KP ist schuld

Der Westlake in Hangzhou ist DIE Touristen-Attraktion in diesem Teil Chinas.

Ich glaube, die Parteitage der KP in China sind schuld. In den Tagesschau-Berichten sehen die immer aus wie UdSSR anno 1975. Eine bessere Erklärung habe ich leider nicht für meinen großen Irrtum. Um ehrlich zu sein: Ich habe nicht den blassesten Dunst, wieso ich noch bis vor kurzem glauben konnte, China sei auch nur ansatzweise kommunistisch. Das Einzige, was in diesem Lande augenscheinlich vom Kommunismus übrig ist, sind die Propaganda-Reklame-Motive aus den 50er- und 60er-Jahren, die als History-Kitsch bevorzugt Streichholzschachteln und Notizhefte zieren. 

Okay, es gab noch eine Situation, in der ich mich an DDR und Kuba erinnert gefühlt habe: Als ich bei der Bank of China thailändische Baht umtauschen wollte. Das hat 20 Minuten verbraucht sowie fünf Durchschläge. Drei Unterschriften waren nötig (u.a. um zu bestätigen, dass ich den aktuell gültigen Wechselkurs akzeptiere) und außerdem musste ich meinen Reisepass erklären. Kurios: Darin steht zwar in elf Sprachen, dass das Ding ein Reisepass ist (wahrscheinlich wegen der immensen Verwechslungsgefahr), aber die Nationalität gibt's nur in einer Sprache, nämlich auf Deutsch. Das Wort "german" taucht in dem ganzen Dokument nirgendwo auf. Mit "deutsch" können aber viele im Ausland (nicht nur in China) nichts anfangen. "Deutsch means german in german" ist mittlerweile einer meiner Lieblingssprüche...

Kommunisten-Kitsch
Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich von Hangzhou (sprich: Handschou) erzählen. Diese Stadt ist einfach entzückend, wunderhübsch, geradezu reizend. Schade, dass diese Worte schon so abgegriffen sind. Sie hätte bessere verdient. Wegen der fein restaurierten Altstadt, vor allem aber für den Westlake. So heißt ein großer See, der mehr ist als nur ein Naherholungsgebiet. Eigentlich ist das ganze Areal ein einziger großer chinesischer Park. Mit Tempeln, kleinen Gärtchen, großen künstlichen Landschaftsbrücken, Aussichtstürmen - und alles wunderbar hergerichtet. 

Sechs Stunden laufe ich um den See herum und komme aus dem Staunen kaum raus. Überall gibt es etwas zu sehen, Ein-, Aus- und Durchblicke. Es ist Regenwetter, doch obwohl ich nach einer guten Weile nasse und kalte Füße habe, gehe ich immer weiter. Die Atmosphäre ist einzigartig. Finden offenbar auch die anderen Besucher, es spazieren noch einige mit Freude durch den Regen. Ich will gar nicht wissen, was hier im Sommer los ist. Die Stadt ist einer der Touristenmagneten hierzulande.

Allerdings nur für Chinesen. Westliche Ausländer? Fehlanzeige. Ich fühle mich nicht nur wie ein Exot, ich bin einer. Mehrmals werde ich von wildfremden Menschen gegrüßt, meist werde ich aber nur unverhohlen angegafft. Zwei Männer indes haben mich tatsächlich darum gebeten, dass ich mich mit ihnen fotografieren lasse. Gern geschehen!

Aber auch unglaublich! Denn das hier ist nicht hinterste Provinz, Hangzhou ist eine Millionenstadt nahe Shanghai und eine DER Touristen-Attraktionen. Einfach zu bereisen, sicher, günstig. Es müsste hier wimmeln von Europäern, Australiern und anderen Travellern. Doch die bevorzugen offenbar Thailand, warum auch immer. In diesem Sinne sende ich Grüße nach Patong Beach - und mache ich mich auf den Weg zu meinem nächsten Ziel: Suzhou, das Amsterdam Chinas. 

WAS SONST NOCH WAR


Glibber im Strohhalm. Die Wunderwerke der Lebensmittel-Chemie haben mich schon immer fasziniert. China bietet da eine große, neue Spielwiese. Besonders beeindruckt bin ich von der Götterspeise mit Fruchteinlage im Plastik-Töpfchen, die per Strohhalm eingesogen wird. Geschmacksrichtung? Weder schriftlich noch geschmacklich identifizierbar. Aber ich wünsche mir dringend die baldige Markteinführung in Deutschland!

Von wegen Langnasen. Angeblich werden westliche Ausländer von den Chinesen Langnasen genannt. Habe ich jedenfalls schon ein paar Mal in Deutschland gehört. Ob's stimmt? Zweimal frage ich bei passender Gelegenheit Einheimische. Reaktion in beiden Fällen ist lautes Lachen. Sie finden es lustig - und dementieren trotzdem. Hätten sie noch nie gehört, versichern sie glaubhaft. Aber wer weiß, vielleicht habe ich sie am Ende auf eine Idee gebracht!?

Blick über den See auf die Stadt.

Sonntag, 20. März 2011

China: Ich bin drin

Alles ist groß im modernen Shanghai: Blick in die Halle des Hauptbahnhofs.
Geschafft! Ich bin da! Shanghai Pudong International, ich habe soeben die Pass- und Visa-Kontrolle passiert. Alles ging glatt, ich bin drin! Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die chinesische Regierung ausländische Journalisten hat verprügeln und/oder festnehmen lassen. Die Staatsmacht ist nicht gut zu sprechen auf das freie Wort. Als ich das Visum beantragt habe, bin ich deshalb ein wenig von der Wahrheit abgewichen, was meinen Job und meinen Arbeitgeber angeht. Nach beidem wurde gefragt.

STEIGERT DIE PRODUKTION UND MEHRET DIE QUALITÄT!

Geprüft wurden meine Angaben offenbar nicht. Ich darf einreisen. Jetzt habe ich vier Wochen Zeit, um herauszufinden, wo China steht. Wie fühlt sich dieses Land an? Wie unfrei ist es? Wie modern ist es? Auf welchem Weg sind die Chinesen? Ich bin sehr gespannt.

Der erste Eindruck überrascht. Vordergründig wirkt Shanghai wie andere asiatische Metropolen, nicht viel anders als Singapur, Teipeh oder Hong Kong. Die Metro ist vollgepflastert mit Citibank-Werbung, wahlweise auch von Loreal. In den Einkaufsstraßen sehe ich so ziemlich alle internationalen Modemarken von Lacoste bis Zara, es gibt Kentucky Fried Chicken, Starbucks, McDonalds. Schmeckt so der Kommunismus?



Kritischer Blick in den Kochtopf.
VÖLKER HÖRT DIE SIGNALE!
 
Ansonsten fällt mir auf: Die Stadt ist extrem modern, an den prominenten Stellen herausgeputzt bis geleckt, womöglich noch als Folge der Expo im vorigen Jahr? Polizei ist präsent, aber nicht massiv. Das alltägliche Leben in der Stadt scheint bunt und frei. Frei? Das Wort kommt mir schwer an im Zusammenhang mit China. Aber genau so fühlt es sich an. Es gibt etwa eine verhältnismäßig große Schwulen- und Lesbenszene. Offen und für jedermann sichtbar. Mit stylischen Bars und Clubs, in denen sich die Chinesen wie selbstverständlich mit Ausländern unterhalten. Und keine Gedanken-Polizei ist in Sicht.

Nur an einer einzigen Stelle fühle ich mich stark eingeschränkt: im Internet. Weder Facebook ist erreichbar, noch Youtube, noch der Provider von meinem Blog. Letzteres ist vor allem problematisch. Aber über einen Umweg geht es weiter: Ich schicke Texte und Bilder per Mail an meinen Freund Miguel in Brüssel, der zwar kein Deutsch kann, aber die Software kennt - und für mich alles zusammenschraubt. Thank you very much, Miguel!

MAO ZEDONG WAR DER GRÖSSTE FÜHRER ALLER ZEITEN!

Ansonsten allerdings ist Internet (auch per Wifi) nicht nur weit verbreitet, sondern auch in weiten Teilen offenbar unzensiert. Zumindest kann ich kritische Wikipedia-Einträge sowohl von der deutschen als auch von der englischen Version problemlos abrufen. Blockiert sind augenscheinlich vor allem jene sozialen Netzwerke, von denen die Staatsmacht befürchtet, sie könnten der Organisation von Demonstrationen oder sonstigem Widerstand dienen. Andere, weniger populäre Netzwerke, sind indes problemlos zugänglich.

Mehrere Ausländer, die zum Teil schon seit Jahren hier leben und arbeiten, schwören auf Shanghai. Original-Zitat: "Life is good here!" Mir ist bewusst, dass die größte Stadt Chinas eine Ausnahmestellung hat und nicht gleichzusetzen ist mit dem Rest des Landes. Aber wenn Shanghai so etwas wie Modellcharakter hat und gleichsam eine Art Zielmarke darstellt, in welche Zukunft das Land steuern will, dann ist eines gewiss: Diese Zukunft ist nicht kommunistisch. Ob sie auch nur ansatzweise demokratisch ist, ob Handel tatsächlich zwangsläufig zu Wandel führt, muss in China freilich erst noch bewiesen werden. 
 

Die historische Altstadt von Zhouzuang.

NUR DIE SOZIALISTISCHE MARKTWIRTSCHAFT BRINGT WOHLSTAND FÜR ALLE!

WAS SONST NOCH WAR

Unglaublich bizarr ist das kleine Elektromobil der Polizei, das auf der Promenade am Jangtse-Fluss Patrouille fährt. Hin und her, und das stets mit Musik. Beim ersten Mal läuft chinesische Folklore, beim zweiten Mal Techno. Als die Karre wieder an mir vorbei schradelt, läuft tatsächlich der Song "Deutschland" von den Prinzen. Laut schallt es über die Promenade: "Wir sind überall die Besten, natürlich auch im Bett - und zu Hunden und Katzen besonders nett."


Ich freunde mich mit einem Taiwanesen an, der ebenfalls durch China reist. Das hat den doppelten Vorteil, dass ich einen Sprachkundigen an meiner Seite habe und gleichzeitig jemanden, der mir die chinesische Mentalität mit dem Blick von außen erklären kann. Etwa, warum schamloses Vordrängeln überall an der Tagesordnung ist. "Wer sich in China nicht bemerkbar macht, geht unter. Wer darauf wartet, dass man ihm  hilft, kann lange warten", sagt er. Besonders arg ist es in der Metro: Wann immer sich die Türen der Züge öffnen, ist Kampf angesagt. Keiner der Einsteigenden wartet darauf, ob jemand aussteigen will. Vom Kind bis zur Großmutter: Alle drängeln sie mit Macht herein, um einen Sitzplatz zu bekommen. Wer raus will, muss deshalb die Ellenbogen einsetzen - oder eine Station weiterfahren...

PS: VIELE GRÜSSE AN DEN ZENSOR, DER DIESEN TEXT LESEN MUSSTE!

Montag, 14. März 2011

Hong Kong hochgestapelt

Auch das ist Hong Kong: Unzählige Leuchtreklamen...
Wohnsilos. Hunderte davon. Eines hässlicher als das andere. Millionen Menschen hochgestapelt. Das ist Hong Kong außerhalb des inneren Zentrums. Das ist Hong Kong, wenn man mit einer der herrlich altmodischen Doppeldecker-Straßenbahnen bis zur Endhaltestelle fährt. Hier gibt es keine Banker in grauen Anzügen, hier tummeln sich die Bewohner der Wohnsilos auf den Straßen. Es ist Markt, hunderte sind unterwegs, um Lebensmittel zu kaufen. Es ist wuselig, laut und eng. 

Es ist ein wohltuender Kontrast zur glitzernd-kühlen Fassade, die sich die Stadt im Zentrum zugelegt hat. Die ist fast schon ein bisschen langweilig. So viel Stahl und Glas, wie wohl in jedem Finanzzentrum dieser Welt... Zugegeben, schaut man vom Stadtteil Kowloon über die Meerenge auf die gegenüberliegende Hong Kong Island, ist die Szenerie imposant, bei Nacht sogar spektakulär. Die riesigen Reklametafeln, die illuminierten Hochhäuser, dazu Laser-und Schweinwerfer-Effekte bei der allabendlichen Lichtershow - ob einem das gefällt oder nicht, es ist einzigartig. Ein Hingucker!

...und unzählige Wohn-Silos.
Ich bin indes weniger feudal untergebracht. In einem 15-geschossigen Riesenhaus im Zentrum von Kowloon, errichtet vermutlich in den 60er-Jahren. Meine Herberge nimmt einen bescheidenen Teil der dritten Etage ein. Zu erreichen über zwei kleine, hoffnungslos überlastete Aufzüge. Man muss fünf Minuten Schlange stehen, um ein Plätzchen im Winz-Lift zu ergattern. Mein Bett steht in einem kleinen fensterlosen Zimmerchen mit gekachelten Wänden. Im platzsparenden Bauen sind die Hong Kong-Chinesen offenbar wahre Meister.

Aber zum Schlafen ist es okay und ich bin ohnehin nur drei volle Tage hier in der Stadt. Ein Großteil dieser Zeit geht übrigens fürs Internet drauf. Zum einen verfolge ich intensiv der Verlauf der Katastrophe in Japan, die mich womöglich zur Änderung meiner Reiseroute zwingt. Zum anderen will ich so viel wie möglich erledigen, bevor ich morgen nach China fliege. Keine Ahnung, ob und wie viel Internet es dort überhaupt gibt. Also sauge und sende ich nochmal Daten, was die Leitungen her geben. Fast komme ich mir vor wie ein Süchtiger, der an seiner letzten Zigarette nuckelt...

Sollte der Blog an dieser Stelle enden und nicht aktualisiert Dann melde ich mich aus Japan wieder - oder wohin immer mich British Airways umbuchen lässt. Vorsichtshalber sage ich einfach mal: Tschüss und bis bald!

werden, dann war es mit der Internet-Zensur noch schlimmer als gedacht.
Herrlicher Blick vom Peak auf den Sonnenuntergang.

WAS SONST NOCH WAR

Merke: Man wird in Hong Kong nicht verstanden, wenn man nach Chinatown fragt.

Andere Länder, andere Sitten: Manche davon sind freilich schwer zu verstehen. So wie die Angwohnheit vieler Asiaten zwischen Malaysia und China, nicht nur regelmäßig und völlig ungeniert auf die Straße zu rotzen, sondern jene Masse zuvor auch noch lautstark aus den tiefsten Tiefen des Körpers zu befördern. Unfassbar, welche Geräusche Menschen produzieren können! Die Damen der Schöpfung liegen in dieser Disziplin übrigens gleichauf. Unerhört? Schön wär's!

Freitag, 11. März 2011

Verschnaufpause in Bangkok

Zwei Tage Bangkok. Verschnaufpause bei Guido, bevor heute Abend mein Flieger nach Hong Kong startet. Gerade noch rechtzeitig kam auch die neue Kreditkarte an. Es kann also weitergehen.

Vor Abflug war ich noch ein bisschen einkaufen, Klamotten sind in Thailand sehr günstig. Vor allem T-Shirts gibt's in allen Formen, Farben und mit jedem nur erdenklichen Aufdruck. Auf dem Nachtmarkt von Silom besonders beliebt sind blöde Sprüche. Mein Favorit in der nach unten offenen Geschmacks-Skala:

"No, don't want a f*?kn Tuk Tuk, Suit or Massage."

Leider gibt's kein "Herrgott, schmeiß Hirn vom Himmel"-Shirt.

Mittwoch, 9. März 2011

Heile Welt in Siem Reap

Baum überwuchert Gebäude: der Ta Prohm-Tempel unweit von Angkor Wat.
Kambodscha ist ein geschundenes Land. Zwar wird seit einigen Jahren relativ wenig geschossen, auch weil sich die Roten Khmer mittlerweile aufgelöst haben, aber längst ist nicht alles in Ordnung. Korruption, Armut, Kinderarbeit, mangelhaftes Rechtssystem, die Lebenserwartung immer noch unter 60 - nur einige Stichwörter von vielen. Bloß in Siem Reap herrscht heile Welt. Für die Touristen. Sie kommen in Strömen, um die heiligen Tempel um Angkor Wat zu sehen, die sich ganz in der Nähe befinden.

Es sind derart viele, dass Macchu Pichu dagegen fast wie eine öde Einsiedelei wirkt. Bart und ich fangen mit einem Sonnenuntergang an: Als heißer Tipp wird eine auf einem Hügel gelegene Tempelanlage westlich von Angkor Wat gehandelt, dort soll der Sunset besonders schön sein. Der Tipp ist so heiß, dass sich dort oben die Menschen, weil es so voll ist, beinahe gegenseitig herunterschubsen. In nur fünf Minuten bin ich ungewollt mehrere Dutzend Male "aus Versehen" mitfotografiert worden - es ist unmöglich, allen Kameras aus dem Wege zu gehen. Etwas frustriert fahren wir vorzeitig zurück in den Ort.

Gedrängel auf Tempel: Hunderte warten auf den Sunset...
...manchem Beobachter entgleiten derweil die Gesichtszüge.
Dort lernen wir die Pub Street kennen, die ist, wie sie heißt - eine Kopie der einschlägigen Vergnügungsmeilen von Playa del Ingles bis Patong Beach. Dass sie sich mitten in Kambodscha befindet, merkt man allenfalls an den verstümmelten Minenopfern, die auf der Straße musizieren und um Spenden bitten.

Durch diese heile Welt muss man also durch, wenn man das Unesco-Weltkulturerbe mit den dutzenden Tempelanlagen sehen will. Diese freilich lohnen sich, vor allem an den beiden folgenden Nachmittagen kommen wir auf unsere Kosten. Während sich die meisten anderen Touristen zum Sonnenuntergang auf irgendeinem anderen heiß gehandelten Aussichtspunkt versammeln (obwohl die Sonne regelmäßig schon eine halbe Stunde vor Termin in den Wolken verschwindet), genießen wir es, beinahe allein durch andere Tempelruinen zu spazieren. Mitten im Wald, in leichtem Dämmerlicht, bezaubernd! Mehrmals fühle ich mich an die Maya-Ruinen in Mexiko und Guatemala erinnert.

Fisch-Spa: Die kleinen Kerle kitzeln mächtig.
Ansonsten versuchen wir erst gar nicht, der rummeligen Parallel-Welt in Siem Reap zu entgehen, sondern stürzen uns mitten hinein. Womöglich haben wir nach Vientiane noch Nachholbedarf... Hier versuche ich auch etwas, was es in Thailand an jeder Ecke gibt, ich aber noch nie probiert habe: Fisch-Spa. Ich tunke meine Füße also in ein Aquarium mit vielen kleinen beziehungsweise mittelgroßen Putzerfischer. Die machen sich auch prompt an die Arbeit. Das kitzelt derart arg, dass es mich beinahe zerreißt. Ansonsten ist die Sache zwar absolut nutzlos, aber den Lacher war's wert...

Heute morgen haben sich dann unsere Wege nach einer gemeinsamen Woche wieder getrennt: Bart fährt weiter nach Vietnam, ich zurück nach Bangkok zu Guido. Der Umweg hat zwei Gründe: einerseits geht es wegen meines China-Visums nicht anders, zum anderen wird meine neue Kreditkarte zu Guidos Adresse geschickt. Ob sie wohl rechtzeitig dort ankommt?

Sonntag, 6. März 2011

Unter Hammer und Sichel

Aufmarsch-Allee in Vientiane, Hauptstadt der demokratischen Volksrepublik Laos, im Hintergrund der Triumph-Bogen.
Laos ist ein semi-sozialistisches Land. Erst spät, nach Ende des Vietnam-Krieges 1975, wurde es kommunistisch. Und schon elf Jahre später begann man notgedrungen mit ersten marktorientierten Reformen. Seitdem versucht Laos eine Mischung aus beidem, was dabei herausgekommen ist, fühlt sich für mich an wie eine bizarre Mischung aus Kuba und Thailand. Besonders stark ist dieser Eindruck in der Hauptstadt Vientiane.

Bevor ich die erreiche, ist aber erstmal fremdschämen angesagt. Wie in anderen Teilen der Welt auch, hört man in laotischen Überland-Bussen gern einheimische Folklore in bemerkbarer Lautstärke. Okay, wenn man sonst nur westlichen Pop-Honig im Ohr hat, mag das extrem befremdlich wirken. Aber dass die westlichen Traveller, die bestimmt die Hälfte der Reisegäste ausmachen, applaudieren, da die Musik zwischendurch mal stoppt, ist einfach nur peinlich.

Sozialistische Folklore im National-Museum.
Hammer und Sichel. Gelb auf rotem Grund. Überall. Die ganze Stadt hängt voll davon. Ich fange an zu glauben, Laos habe womöglich 1991 alle restlichen Flaggen-Bestände der UdSSR aufgekauft. Auf dass wir auch in 100 Jahren noch rote Fähnchen hissen können... Auch sonst hat die Stadt einiges von einer sozialistischen Kapitale: eine überbreite Aufmarsch-Allee, Marx- und Lenin-Portraits im National-Museum und einen Triumphbogen, über dessen architektonische Qualität man beim besten Willen nicht streiten kann.

Ich erkunde die Stadt zusammen mit Bart aus Warschau. Ich habe den Piloten einer polnischen Airline in Luang Prabang kennen gelernt. Er hat sich vor kurzem von seiner Freundin getrennt und genießt jetzt die Freiheit, alleine durch Indo-China zu reisen. "Das hätte sie nie mitgemacht", sagt er - und wirkt dabei ebenso erleichtert wie gut gelaunt. Wir verstehen uns auf Anhieb prima, in einer Art, wie es das nur selten gibt. Manchmal reicht ein Blick, um uns zu verständigen.

Das ist viel wert, besonders wenn man sich in einem derart ungewohnten Umfeld bewegt. Da ist etwa die gewöhnungsbedürftige Service-Mentalität offenbar staatlich gelenkter Branchen. Wir gehen in ein Reisebüro, um einen Flug nach Kabodscha zu buchen. Doch die beiden Mitarbeiter, die offenbar gerade ihr Mittagessen beendet haben, sehen sich nicht veranlasst, uns irgendwie weiterzuhelfen. "Flight is full", lautet die prompte Antwort auf unsere Bitte. Doch wir lassen uns nicht abwimmeln. Das sei völlig unmöglich, noch vor einer Viertelstunde sei der Flug im Internet als verfügbar angezeigt worden. Und so weiter und so weiter... Nach einiger Diskussion sehen die Kollegen doch ein, dass man uns schneller los wird, wenn man uns bedient. Eine weitere Viertelstunde später haben wir die Tickets.

Mönche beim Foto-Shooting.
Hammer und Sichel schmücken auch das Pressehaus.
Skurril auch das Nachtleben. Die reguläre Sperrstunde für Bars und Discotheken ist auf 23 Uhr (!) festgesetzt. Während in Europa die Teenies noch zu Hause vor dem Spiegel stehen, ist in Laos schon Schluss. Immerhin, einige wenige ausgewählte Läden dürfen länger öffnen, bis zwei oder drei Uhr nachts.

Zum Beispiel der hauseigene Club in einem der größeren Hotels am Platz. Dort stehen die Gäste - wie auch in den anderen Discotheken - um Stehtische herum. Eine Tanzfläche gibt es nicht. Wer zappeln will, tut das zwischen Hockern und Tischen. Die ganze Szenere wird nicht nur merkwürdig fremd, sie ist auch nicht eben kommunikativ. Die meisten Grüppchen bleiben unter sich.

Es sind diese Besonderheiten, die den Aufenthalt in der Hauptstadt am Mekong interessant machen. Denn ansonsten hat Vientiane nicht viel zu bieten. Alles wirkt ein bisschen provinziell und muffig. Ein heißer Kandidat im Wettbewerb "Langweiligste Haupstadt der Welt". Immerhin gibt es eine gute und vielfältige Restaurant-Szene, günstige Massage-Studios und einen kleinen Nachtmarkt. Das alles erinnert an das nahe Thailand jenseits des Mekongs und sorgt dafür, dass die Stadt trotz der vielen Hammer und Sicheln auch ein anderes Gesicht hat.

Wir verlassen die demokratische Volksrepublik schließlich mit einer russischen M60-Maschine von Laos Airline. Ich finde sie ja nicht so ganz vertrauenserweckend. Aber da Bart nach interessierter Musterung ohne Bedenken einsteigt, folge ich ihm einfach. Manchmal ist es ja doch ganz gut, einen Piloten an seiner Seite zu haben...  

Freitag, 4. März 2011

Ein Strom wie ein Traum

Traumhaft: Der Mekong bei Luang Prabang.
Laos hat nichts. Kaum Bodenschätze. Wenig Industrie. Und keine besonderen Touristenattraktionen. Außer Luang Prabang. Die alte Königsstadt ist für europäische Verhältnisse eher eine Kleinstadt mit ihren knapp 50.000 Einwohnern - und doch auch die viertgrößte Stadt des Landes.

Vor allem aber ist sie hübsch. Liebevoll restaurierte Häuser, alte Tempel, eingebettet in eine wunderschöne Landschaft, das macht einigen Reiz. Direkt am Mekong gelegen, duckt sich die Stadt niedrig hinter den Bäumen weg, und auch sonst ist die Flusslandschaft nicht zugebaut. Ein Traum: Es sieht aus, als würde der Strom wie seit Urzeiten völlig unberührt dahinfließen.

Kontraste: Touristen-Viertel in Luang Prabang...
...und eine Bäuerin bei der Feldarbeit.
Der fein herausgeputzte Ort steht damit freilich in großem Kontrast zum Rest des Landes, das zu den ärmsten der Erde gehört. Immerhin: Es gibt genug zu essen, keiner muss verhungern. Aber die Infrastruktur ist auf einem ziemlich erbärmlichen Niveau. Das gilt für alle Bereiche: das Gesundheitswesen (die Lebenserwartung liegt laut Wikipedia bei 54 Jahren), die Kommunikationstechnik (Wifi ist auch in den größeren Orten quasi unbekannt) oder etwa die Verkehrsinfrastruktur (nicht mal 15 Prozent des Straßennetzes sind überhaupt asphaltiert).

Letzteres erlebe ich hautnah. Der Nachtbus nach Luang Prabang hat seine erste Panne 500 Meter nach Abfahrt. Nach einer Stunde Wartezeit geht es dann weiter auf die extrem kurvenreiche Strecke durch die Berge. Um eine Distanz von 217 Kilometern Luftlinie zu überwinden, haben wir schließlich elf Stunden gebraucht.

Was sonst noch war

Trauma mit Hut. Ich habe die seltsame Angewohnheit, Käppis zu verlieren. Mittlerweile nimmt die Sache skurrile Ausmaße an. Zuletzt hatte ich es in Boliviens Hauptstadt La Paz gewagt, eine trendy Kopfbedeckung zu kaufen. Fünf Stunden später vergaß ich sie in einem Reisebüro. Vorläufiger Höhepunkt einer ganzen Reihe von Verlusten. Als ich dann kurze Zeit später in der bolivianischen Salzwüste dringend einen Hut als Sonnenschutz brauchte, war ich gezwungen, das einzig gerade verfügbare Exemplar zu kaufen: einen potthässlichen Touristen-Deckel, Marke Tante Gerda.

Hut: Hässlich, aber nicht los zu werden.
In den folgenden Monaten habe ich oft darüber nachgedacht, diese optische Zumutung wegzuwerfen. Stattdessen habe ich darauf vertraut, dass ich das Ding ja sowieso irgendwann verlieren werde. Pustekuchen. Der Deckel bleibt mir treu. Das neue Käppi, das ich in Luang Prabang zu kaufen gewagt habe, habe ich hingegen schon nach ein paar Stunden wieder verloren. So was nennt man wohl eine selbsterfüllende Prophezeiung... Gemein!

Dienstag, 1. März 2011

Zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzip

Es ist fast wie fliegen. Scheinbar schwerelos gleite ich über das Tal. Etwa 30 Meter unter mir windet sich ein kleiner Fluss durch den Urwald. Links und rechts sind bewaldete Berge zu sehen. Zzzzzzzzzzzzzzzzzip, nach 20 Sekunden habe ich wieder festen Boden unter den Füßen. Willkommen zum Gibbon Experience in Laos!

Mit den Affen hat alles angefangen. Gibbons gucken, das war wesentlicher Bestandteil eines innovativen Konzeptes, mit dem der Dschungel vor Raubbau geschützt werden sollte. Seit 2004 ist die Organisation Animo von der laotischen Regierung damit betraut. Mitten im Urwald wurden mehrere Baumhäuser gebaut, von denen aus man Gibbons sehen und hören kann. Wenn denn welche da sind. Das aber ist offenbar immer seltener der Fall, wenn man den einschlägigen Internet-Kommentaren glauben darf. Womöglich haben die vielen menschlichen Besucher die Affen verschreckt?


Bis zu vier achtköpfige Gruppen sind gleichzeitig auf dem Areal unterwegs. Wer mitmachen will, muss sich Tage im Voraus anmelden, denn die Touren sind auch ohne Gibbons überaus beliebt. Der Grund: Der Urwald ist durchzogen mit Zip-Lines. Dabei handelt es sich um eine Art Seilrutsche, ähnlich den Tarzan-Seilbahnen auf deutschen Spielplätzen. In der Erwachsenen-Version sind die Seile allerdings mehrere hundert Meter lang und über ganze Täler gespannt. Man hängt in einem Harness am Seil, eine Hand liegt auf der Bremse. Wer sie dort nicht hat, droht am Ende des Seils gegen einen Baum zu knallen. Es heißt, das passiere öfter.

Das Baumhaus ist nur per Zip-Line erreichbar.
Das ist die Schattenseite. Das Licht sieht so aus: Es ist ein Riesen-Spaß, sich auf diese Weise fortzubewegen. Fliegen ist toll! Kreischend und jauchzend rauschen die Touristen durch den Regenwald. Kein Wunder, wenn die Gibbons ruhigere Gegenden bevorzugen. Wir jedenfalls sehen keine und hören auch keine...

Das tut dem Spaß freilich keinen Abbruch. Zumal der Abenteuer-Faktor noch erheblich durch unsere Unterkünfte gesteigert wird. Wir schlafen in zwei- bzw. dreistöckigen Baumhäusern, bestimmt 20 Meter über dem Boden. Auch sie sind nur per Zip-Line erreichbar. Der Clou: Es gibt sogar fließend Wasser, geduscht wird mit kilometerweitem Blick über den Dschungel. Essen und Getränke "fliegen" unsere Tour-Guides aus nahe gelegenen Küchen ein, die von Einheimischen betrieben werden.

Und so wandern und gleiten wir durch den Dschungel. Zweieinhalb Tage dauert der Spaß, dann schweben wir zurück in die Zivilisation. Ebenjener hat allerdings auch einen stolzen Preis. 220 Euro sind für laotische Verhältnisse ziemlich gepfeffert. Immerhin versprechen die Organisatoren, den Gewinn zum Schutz des Urwaldes einzusetzen. Ich hoffe mal, dass das stimmt. In diesem Fall hätte die ganze Sache sogar dann einen Sinn, wenn die Kritiker recht haben. Und zwar jene, die meinen, es handele sich beim Gibbon Experience nur um einen verkappten Funsport-Park. So oder so: Gibbons werde ich wohl erst beim nächsten Besuch im Zoo zu sehen bekommen...

Homepage vom Gibbon Experience

Im Baumhaus gibt's gar fließend Wasser, geduscht wird mit Blick auf den Urwald (hinter dem Bretterverschlag im Bildhintergrund).