Donnerstag, 16. Dezember 2010

Sexy und übergeschnappt

Bunt bemalte Häuser im Stadtteil La Boca.
Ich habe ja schon viel Mist gelesen in den Lonely Planet-Reiseführern, aber die Beschreibung von Buenos Aires ist nicht nur originell, sie trifft auch noch zu. Die These: "Die Raffinesse eines geschliffenen Diamanten trifft auf den Charme eines unrasierten Casanovas. Der Geist eines durchgeknallten Wahnsinnigen paart sich mit der Attitüde eines berühmten Supermodels." Kurzum: Wenn Berlin arm, aber sexy ist, ist Buenos Aires sexy, aber übergeschnappt.

Straßenszene in San Telmo.
Eine Woche habe ich Zeit für diese Stadt, die den Abschluss meiner Reise durch Lateinamerika bildet. Zugegeben, eine Woche ist nicht genug für ein profundes Urteil. Aber ich erlebe mehr als einmal, dass den Porteños (so nennen sich die Hauptstädter) alles Diplomatische, also Takt, Zurückhaltung und Höflichkeit, völlig abgeht. Geh' aufs Ganze, jetzt oder nie - so lautet die Devise. Auch zugegeben: Das hat was!

Das alles spielt sich ab in einer Stadt, die ihre Blütezeit augenscheinlich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte, noch von dieser Zeit zehrt und auch noch ihren Duft verströmt. Die meisten Metro-Stationen stammen aus dieser Zeit ebenso viele zehn-, elf- oder gar zwölfgeschossige Häuser im Jugend- bzw. verwandten Stilen - mit hohen Decken!

Erst vor kurzem hat der Spiegel Buenos Aires zur spannendsten Stadt der Welt erklärt. Ob's stimmt? Ich versuche es herauszufinden - auf dem Antikmarkt von San Telmo, in den Kneipen von Palermo und im Hafen- und Künstlerviertel La Boca. Ich staune über die gut sanierten Viertel genauso wie über die maroden - und die erstaunlich vielen Müllhaufen auf den Gehwegen im Zentrum.

Andy und Laura (M.) haben für Karneval eingekauft.
Zum letzten Mal treffe ich dabei Laura und Andy aus London. Nachdem sich unsere Wege seit Panama immer wieder gekreuzt haben, laden die beiden "ze german" (ausgesprochen: "si german") - in Anspielung auf die deutsche Unfähigkeit ein englisches "th" auszusprechen - zum Abschiedsessen ein. Für das Paar geht's nach anderthalb Jahren auf Tour kurz vor Weihnachten zurück nach Hause. Vorher aber decken sie sich noch für Karneval ein: Mit Ledermasken auf dem Straßenmarkt von San Telmo.

Auch für mich steht ein Abschied an: Nach sechs Monaten verlasse ich Lateinamerika, morgen geht mein Flug nach Neuseeland. Ein bisschen wehmütig bin ich schon, denn ich habe mich sehr an diese Kultur gewöhnt. So verschieden die Länder von Mexico bis Argentinien auch alle sein mögen, so gibt es doch auch viel Gemeinsames - und wenn es nur der unvermeidliche Enrique Iglesias ist, der von Chihuahua bis Puerto Madryn "Cuando me enamoro" seufzt.

Sexy und übergeschnappt
Und so verlasse ich Buenos Aires mit dem Gefühl, dass das mit der aufregendsten Stadt womöglich seine Richtigkeit hat, dass Salsa und Reggaeton einen festen Platz im Schunkelzentrum meines Gehirns erobert haben - und dass ich auf jeden Fall nochmal mit mehr Zeit wiederkommen will, nach Buenos Aires und nach Lateinamerika!

Cogeré la libertad!

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