Montag, 25. Oktober 2010

In der verlorenen Stadt

Die zentralen Plattformen in der Ciudad Perdida. Darauf standen Häuser aus Holz und Lehm.
Was mache ich eigentlich hier? Welcher Teufel hat mich bloß geritten, um die halbe Welt zu reisen, damit ich jetzt klatschnass und frierend im strömenden Regen sitze? Irgendwo im kolumbianischen Regenwald gestrandet, es gibt kein Vor und kein Zurück. Weshalb bin ich nicht einfach zu Hause geblieben, daheim im kuscheligen Bett?

Es hat gerade mal zwei Stunden gedauert, um das Hochgefühl des Morgens gen Nullpunkt sinken zu lassen. Hoch, das sind die Ruinen der verlorenen Stadt, der Ciudad Perdida. Sie ist neben Machu Picchu die größte präkolumbische Stadt in Südamerika. Drei Tage lang sind ich und 13 andere Touristen durch den Dschungel gestapft, um dorthin zu gelangen. Weil es keine andere Möglichkeit gibt, denn die Ruinen liegen abseits aller Verkehrswege.

Ein Kogi-Mädchen verkauft Gatorade im Regenwald.
Und so sind wir sind durch Bachläufe gewatet, über Baumstämme geklettert, haben in Hängematten geschlafen. Und manches Mal baff gestaunt. Zum Beispiel als wir am zweiten Tag mitten im Regenwald plötzlich vor einem Kiosk standen. Das Angebot ist freilich arg begrenzt: Es gibt dort Gatorade-Limonade zu kaufen, sonst nichts. Die Szenerie war so bizarr, dass ich jeden Moment Kurt Felix oder zumindest Guido Cantz erwartete, mit versteckter Kamera aus dem Busch springend. Kann das wahr sein? So ähnlich muss sich Reinhold Messner seinerzeit am Matterhorn-Kiosk gefühlt haben, der eigens für ihn aufgebaut war.

Aber im Regenwald Kolumbiens gibt es keine versteckten Kameras. Nur ein paar geschäftstüchtige Kogi-Indianer, die die Gatorade-Flaschen eigens hierher schleppen, um sie für umgerechnet zwei Euro an Touristen zu verkaufen. Die schlagen allein schon um der Skurilität willen kräftig zu. Ein lohnendes Geschäft!

Heute, am Morgen des vierten Tages, sind wir dann endlich angekommen in der verlorenen Stadt. Was für ein Anblick! Dutzende von Terrassen haben die Tayrona-Indianer zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert an den Hängen der Sierra Nevada de Santa Marta angelegt. Darauf standen die Hütten aus Holz und Lehm, die nicht mehr erhalten sind. Verbunden sind die Plattformen durch diverse Treppen. Das gesamte System erstreckt sich über 300 Höhenmeter - bis auf 1200 Meter Höhe. Die Tayrona wollten den Göttern im Himmel so nah sein wie möglich. Sehr beeindruckend!

Die Wege verwandeln sich in kleine Bäche.
Doch schon wenige Stunden später sind diese Eindrücke buchstäblich ersoffen - wir sind auf dem Rückweg von dem starken Regen überrascht worden. Klar, hier regnet es fast jeden Tag, aber nicht in dieser Heftigkeit. Zum Problem werden vor allem die kleinen Bäche, die wir überqueren müssen. Bei den größeren Flüssen gibt es Vorrichtungen - zum Beispiel Seile, an denen man sich festhalten kann. An einer Stelle haben die Kogi-Indianer sogar eine Art Seilbahn über den Fluss gespannt. In einem wackeligen Metall-Käfig schweben wir über die Fluten.

Doch an den kleinen Bächen, die man normalerweise mit drei Schritten durchquert hat, gibt es nichts dergleichen. Einmal behelfen wir uns, indem wir über einen umgestürzten Baumstamm balancieren und dann noch etwas durchs Wasser waten. Doch mit jeder Minute wird es ärger, die Wassermassen doller. 

Kurz vor dem Camp, in dem wir diese Nacht verbringen wollen, ist dann Endstation. Die Vorhut unserer Gruppe hat es vor einer halben Stunde noch geschafft, den letzten Bach vorm Ziel zu durchqueren. Doch wir sind zu spät. Das Wasser steht zu hoch und seine Kraft ist zu gewaltig. Gerade mal 20 Meter weiter gibt es große Felsen im Bach. Wer vom Wasser mitgerissen wird, könnte sich dort schwer verletzen.

Die Reiseführer sagen, selbst wenn der Regen sofort aufhöre, dauere es zwei bis drei Stunden bis der Fluss wieder passierbar ist. Aber in einer Stunde wird es schon dunkel. Umkehren geht auch nicht, weil die hinter uns liegenden Flüsse inzwischen vermutlich auch zu stark angeschwollen sind. Die Stimmung nähert sich dem Nullpunkt. Ich denke an mein kuschelig warmes Bett daheim.
Mittels einer selbst gebastelten Seilbahn überqueren wir schließlich die reißenden Fluten.
Doch zum Glück sind wir in Begleitung von Profis. Nach einiger Bedenkzeit entscheiden sich unsere Reiseführer für den Bau einer provisorischen Seilbahn. Da unsere Vorhut ja schon auf der anderen Seite des Ufers ist, gelingt es, sich gegenseitig Seile zuzuwerfen. Damit und mit ein paar Stöcken basteln die Dschungel-Experten tatsächlich eine funktionierende Seilbahn. Einer nach dem anderen steigt in die Schlinge und wird rüber gezogen - schließlich sogar noch unser Gepäck. Klar, dabei bleibt nichts trocken. Und trotzdem sind alle glücklich, als wir ein paar Minuten später am wärmenden Feuer sitzen.

Weshalb bin ich nicht einfach zu Hause geblieben? Jetzt weiß ich es wieder!

2 Kommentare:

  1. Muy buenas fotos, aun que no se aleman pero las cosas que puedo entender son profundas

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