Dienstag, 5. Oktober 2010

Wie dunnemals

Die Autobahn erinnert an den autofreien Sontag einst in Deutschland: Es sind derart wenige Fahrzeuge unterwegs, dass man sich fragt, weshalb Kuba überhaupt Autobahnnen gebaut hat. Da sich die wenigsten Kubaner ein fahrtüchtiges Auto leisten können, hätte es eine einfache Landstraße auch getan. Sei es drum. So ist der Bus, der mich gestern von Viñales nach Trinidad gebracht hat, vielleicht ein paar Minuten früher dort angekommen. Und Platz für Radfahrer war auch noch (Foto)...

Trindidad ist ein kleiner, hübscher Ort, der sich seit Kolon
ialzeiten kaum verändert hat. Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Städtchen wie Antigua (Guatemala) oder Granada (Nicaragua) geht es hier auch noch fast so genauso gemächlich zu wie anno dunnemals. Kein McDo, kein Starbucks, kein Burger King - und auch nur relativ wenige Touristen.

Diese allerdings müssen ständig auf der Hut sein. Gerade eben habe ich auf der Plaza Mayor mit einem deutschen Pärchen gesprochen, die sichtlich froh waren, mal mit einem Landsmann zu sprechen, der es ebenso satt hat, ständig behumpst zu werden. Die beiden schätzen ihren "Schaden" nach ein paar Tagen auf Kuba auf mehr als 50 CUC (also US-Dollar). Meine Verluste dürften in ähnlicher Größenordnung liegen, obwohl ich mich nach Kräften wehre.

Meistens allerdings ist das vergeblich. In der Höhlen-Disco gestern Abend (sie ist tatsächlich in eine echte Tropfstein-Höhle gebaut), hat mir der Barkeeper zum Beispiel das Bier trotz ausdrücklicher Bitte nicht zum regulären Preis verkaufen wollen, sondern einen Aufschlag von 0,75 Cent verlangt. Da kann man sich auf den Kopf stellen, das Geld wird einkassiert.

Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat Yohanka, meine Zimmer-Wirtin. Bei ihr habe ich es gewagt, einmal nicht vorher nach dem Preis für etwas zu fragen. Hinterher sollte ich dann zwölf US-Dollar für ein paar gewaschene Kleidungsstücke zahlen. Nach meinem Protest rückte sie zwar davon ab. Aber das Vertrauensverhältnis ist dahin, ich bin bedient.

Bei dieser Geschäftstüchtigkeit ist es kein Wunder, dass Yohankas Familie einen bemerkenswerten Lebensstandard hat. Sogar Computer und Spiele-Konsole gibt es, während nur drei Straßen weiter die Menschen in Armut leben. Wer reich oder arm ist, hat indessen nichts mit Leistung zu tun, sondern nur mit der Frage, ob man Zugang zu CUC hat. Wer mag es also den Ärmeren verdenken, dass sie auch versuchen, den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen?


Trotzdem habe ich die Nase voll und frage mich, wie lange eine Gesellschaft eine solche Ungerechtigkeit aushält? Vor allem die jüngeren Kubaner wirken unzufrieden. In der Disco lief etwa ein Song einer Band aus Havanna, darin geht es um eine us-amerikanisch/kubanische Romanze, die mangels Reisefreiheit keine Chance hat.

Doch eine Umsturzbewegung wie seinerzeit in der DDR ist nicht erkennbar. Ein Grund mag sein, dass der Staat durch die Insellage gegen Informationen von außen besser abgeschottet ist als es der Arbeiter- und Bauernstaat war. Sogar gegen das Internet: Es heißt, weniger als zwei Prozent der Bevölkerung hätten Zugang. Nein, es riecht nicht nach Revolution...

PS: Ein mir bis dato unbekanntes Insekt lerne ich am Strand von Trinidad kennen. Sieht fast aus wie ein kleiner Krebs, kneift aber netterweise nicht...

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