Samstag, 25. September 2010

Die Wohlstands-Schere und der Müll

Je ärmer ein Land, desto dreckiger ist es. Stimmt's? Stimmt nicht. Jedenfalls nicht in Lateinamerika. Da gilt Mexico, gemessen am Bruttosozialprodukt, als das produktivste, respektive reichste Land. Leider hat es trotzdem noch für keine wirksame Aufklärungskampagnen gereicht, die die Mexicaner dazu bringen könnten, ihren Müll nicht einfach dorthin zu werfen, wo Platz ist. Es ist allerhand, welche Dreckbänder sich etwa entlang vieler Überlandstraßen ziehen. Und wie viel Abfall auch in den innerstädtischen Straßen herumfliegt. Von den vielen wilden Müllkippen gar nicht zu reden.

Mehrmals war ich versucht, Übeltäter anzuschwatzen, die vor meinen Augen ihren Dreck in die Botanik befördert haben. Aber es ist wohl keine gute Idee, Einheimischen zu sagen, wie sie sich in ihrem Land zu benehmen haben...

Völlig anders ist das Bild in Guatemala, das als ärmstes lateinamerikanisches Land ausgewiesen wird und direkt an Mexico grenzt. Ob in Guatemala-City oder entlang der Straßen: Nur selten liegt Müll herum. Und nicht etwa, weil unzählige Putzkolonnen den Dreck aufräumen würden - die Menschen werfen ihren Kram einfach nicht in die Gegend. Im Vergleich dazu sieht es sogar in manchen deutschen Städten aus wie in einem Saustall.

Überhaupt sieht man in Guatemala die Armut längst nicht so deutlich wie anderswo. Vielleicht liegt es an der überwiegend noch traditionellen Lebensweise der Bevölkerung, die vor allem aus Nachfahren der Mayas besteht.

Wie anders ist das Bild in Honduras und in Nicaragua, wo ich mich zurzeit befinde. Der Anteil der indigenen Bevölkerung ist gering. Umgekehrt ist das Elend viel deutlicher sichtbar. Auch wird viel mehr gebettelt. Gestern in Granada etwa war ich mit einer Kolumbianerin und zwei Einheimischen unterwegs. Übrig gebliebene Chicken-Wings hatten wir uns von der Küche einpacken lassen. Um dieses Paket nun wurden wir angebettelt von e
inem verhältnismäßig jungen Mann, der nicht mal wissen konnte, was darin ist. Obwohl wir zunächst abgewunken hatten, blieb er minutenlang hartnäckig - bis wir im das Paket doch noch gaben. Wie groß muss die Not wohl sein?

Auch sonst ist die Armut überall spürbar. Zum Beispiel auf dem Zentralmarkt, auf d
em es so dreckig ist, dass ich dort keine Lebensmittel kaufen mag. Oder an der schwierigen Sicherheitslage: Dass es in Schnellrestaurants Security mit Maschinengewehren gibt, daran habe ich mich ja schon in Guatemala gewöhnt. Aber wenn hinter jedem Gast, der rein oder heraus will, die Tür abgeschlossen wird, ist das noch mal eine Nummer schärfer. Und dann die Kinderarbeit: Viele Jungen und Mädchen verdienen Geld, anstatt zur Schule zu gehen und zu spielen. So verkaufen Zehnjährige auch mitten in der Nacht Zigaretten und Kaugummis vor Discotheken. Oder bewachen Parkplätze. Oder musizieren auf der Straße.

In krassem Gegensatz dazu steht der Wohlstand der Touristen, von denen vor allem hier in Granada viele unterwegs sind. Mehrmals schon habe ich mich gefragt, ob es eigentlich vertretbar ist, in solch arme Ländern zu reisen. Oft bleibt dabei ein schaler Nachgeschmack. Dennoch denke ich, dass es unter dem Strich okay ist. Erstens betreibe ich keinen Elends-Tourismus, zweitens lasse ich Geld im Land - was sicher besser ist, als einen großen Bogen drumherum zu machen.

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