Montag, 18. Oktober 2010

Hier gehts um die Nuss

"Du gehst mir auf die Nuss!" - "Sieh bloß zu, dass Du Land gewinnst!" Keine Ahnung, wie viele Traveller sich so oder so ähnlich gegenseitig angemacht haben nach ihrem Segeltrip von Panama nach Kolumbien... Aber es dürften einige gewesen sein - nach fünf Tagen an Bord einer bescheiden großen Segelyacht.

In meinem Fall ist sie 38 Fuß lang, Name: Maluco, Heimstatt für sechs zahlende Gäste plus das Gastgeber-Paar. Das reicht nicht mal für einen sicheren Schlafplatz unter Deck. Trotz allen Zusammenrückens muss immer jemand draußen schlafen. Ohne Regenschutz. In der Regenzeit.

Je 400 US-Dollar ist das wert: Andi (30) und Laura (25) aus London, die nächstes Jahr heiraten und in fünf Jahren Kinder haben wollen, Daniela (34) aus Utrecht, Dauer-Traveller James (33) aus Australien und Andi (22) aus Bayern. Wir haben nicht viel gemeinsam außer der Fähigkeit, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Und diese Fähigkeit ist auf einem Segelboot von unschätzbarem Wert!

Doch warum sollte man überhaupt von Panama nach Kolumbien segeln? Weil es keine Straße gibt. Kaum zu glauben, aber wahr: Der Panama-Kanal wurde vor mehr als 100 Jahren mit Blut, Schweiß und Tränen in die Landschaft gegraben. Für eine Straße von Mittel- nach Südamerika aber hat es nicht gereicht.

Man könnte fliegen, aber das geht schnell und freudlos. Bleibt also noch der Segeltrip, der sich unter Rucksack-Reisenden längst etabliert hat. Fast täglich läuft ein Boot aus. In unserem Fall das von Eileen und John aus Venezuela, die sich so in der Emigration ihren Lebensunterhalt verdienen.

An einem Mittwochmorgen legen wir ab - und steuern gleich mal in ein Gewitter. Wir Nicht-Seebären bleiben voller Ehrfurcht unter Deck. Das Boot neigt sich gefährlich zur Seite, Töpfe und sonstiges Geschirr fliegt uns um die Ohren. Meinen Laptop schiebe ich aus Sicherheitsgründen in den Backofen - mit Müh und Not. Zwei Stunden und viele Tabletten gegen Seekrankheit später beruhigt sich die Lage. Das macht doch schonmal Lust auf Meer!

Zum Glück wird die Lage dann wirklich sehr viel ruhiger. Wir schippern zwischen den San Blas-Inseln herum, die zwar offiziell zu Panama gehören, aber einen weitgehenden Autonomie-Status haben. Das einheimische Volk der Kuna zählt rund 25 000 Köpfe und die verteilen sich auf etwa 370 Inseln und Inselchen. Kleine karibische Paradiese.


Nuss-Schalen-Feeling

Dort ankern wir für drei Tage - an verschiedenen Inseln. So etwas nennt man wohl Easy-going: schnorcheln, lesen, liegen, schwimmen, lesen, liegen - und Eileen kocht für uns. Jetzt weiß ich, weshalb mein Kollege Peter ständig Segeln geht. Es ist einfach die gemütlichste Art der Fortbewegung!

Abends treffen wir uns auf einer der Inseln mit einer Gruppe von einer anderen Yacht, die ebenfalls dort ankert. Gemeinsam grillen wir Fisch. Dabei erfahren wir, dass es auch zu easy gehen kann. Deren Käpt'n trinkt zuviel, seit fünf Tagen sitzen die Guten hier schon fest und warten auf Weiterreise. Au wei!

Solche Probleme haben wir zum Glück nicht. Eileen und John sorgen gut für uns - und klären uns auch über die Eigenheiten der Kuna auf. Die sind ein friedliebendes, offenes und gastfreundliches Völkchen. Allerdings sollte man sie nicht einfach fotografieren, dafür wollen sie Geld. Und zwar genau einen US-Dollar, seit ein Kuna in Panama-City eine Postkarte von einem Kuna gesehen hat, die einen Dollar gekostet hat. So weit die Legende. Keine Mär freilich ist es, dass bei der Kokosnuss der Spaß aufhört. Wer sich als Tourist einfach eine Frucht nimmt, die ihm nicht gehört - und selbst wenn sie auf einem unbewohnten Eiland herumliegt - kriegt Ärger. Wenn es um die Nuss geht, kennen die Kuna kein Pardon...

Käpt'n John zerlegt einen Fisch, den wir von Bord aus gefangen haben.
Wir verlegen uns deshalb aufs Fischen. Käpt'n John weiß wie es geht - und auch, wie man die Beute zerlegt. Gegessen wird das Vieh roh...

Nach drei Tagen und zwei Nächten geht's dann zur Sache: Auf hohe See in Richtung Kolumbien. Die Wettervorhersage ist verheerend, doch wir haben Glück. Es bleibt überwiegend trocken. Die See ist unruhig, aber ganz dolle kommt es nicht. Das Boot bleibt in touristenverträglich-stabiler Lage - und ich die meiste Zeit unter Deck. Dort fühle ich mich sicher, auch wenn ich so nicht Segeln lernen kann. Das ist zwar irgendwie schade, aber erstmal gehts ums Überleben. Für die Kür ist dann später noch Zeit.

Nach 30 Stunden Hochsee-Schaukeln kommt der erlösende Ruf: Land in Sicht! Wir haben es geschafft! Und auch wenn wir zahlenden Gäste rein gar nichts zum Gelingen der Reise beigetragen haben, sind wir alle mächtig stolz! Zwar hat keiner von uns Segeln gelernt - aber wir haben uns auf kleinstem Raum vertragen, das ist doch auch schon was!

PS: Inzwischen bin ich schon ein paar Stunden von Bord, aber im Kleinhirn schaukelt es immer noch. Gibt es auch Pillen gegen Landkrankheit?

370 solcher Inseln bilden das autonome Gebiet der Kuna

2 Kommentare:

  1. Hallo, Ihr Lieben! Leider war die Kommentarfunktion falsch eingestellt, weshalb es nicht möglich war, hier auch nur eine Zeile zu hinterlassen. Der Fehler ist hiermit behoben... ;-)

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  2. Das das Kommentieren nun geht kommentiere ich mit einem: Super! Andrea

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