Montag, 28. März 2011

Licht-Orgie in Nanjing

Per Boot geht es fast eine Stunde lang vorbei an illuminierten Papp-Figuren.
Ich bezahle mit einem 100-Renminbi-Schein. So heißt das Geld in China, umgerechnet ist dieses Papier knapp elf Euro wert. Und was macht der Mitarbeiter an der Kasse? Er legt die Banknote tatsächlich in einen der hierzulande weit verbreiteten Geldzähl-Automaten. Der Schein wird durchgemangelt, das Display zeigt überraschenderweise eine Eins. Dieser Vorgang wiederholt sich zu meinem großen Erstaunen noch ein zweites und ein drittes Mal, dann erst ist der Mitarbeiter offenbar davon überzeugt, dass ich ihm EINEN Hunderter gegeben habe und beginnt, das Wechselgeld aus der Kasse nesteln.

Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass nicht nur Deutschland überbürokratisiert ist. Über den unfassbaren Aufwand, den man beim Geldtauschen betreibt, habe ich ja schon berichtet. Und auch sonst scheint es für jeden Vorgang des Lebens in China ein passendes Formular zu geben. Nun ja, das Zusammenleben von 1,3 Millarden Menschen will organisiert werden.

Diese Zahl ist so unglaublich groß, dass sie in meiner Vorstellung stets abstrakt gewesen ist. Jetzt aber gibt es ein Bild dazu. Entstanden ist es bei den Hochgeschwindigkeits-Zugfahrten von einer Fünf-Millionen-Metropole in die nächste. Es ist das Bild tausender Wohnsilos, das eines nach dem anderen an meinem Blick vorbeirauscht. Und es hört gar nicht mehr auf, so zersiedelt ist die Landschaft zwischen den Städten.

Die alte Stadtmauer von Nanjing vor Wohn-Silo.
Auf dem Weg nach Nanjing ist das nicht anders. Auch hier eine ähnliche Situation wie in Hangzhou und Suzhou: Die Innenstadt ist sauber, tiptop hergerichtet, alles auf dem Standard westlicher Industrieländer. Drumherum sind die Menschen in gigantischen Wohnsiedlungen aufgestapelt. 

Nanjing überrascht indes nicht nur mit seinem hübschen See und dem Hausberg, auf dem sich die Jugendlichen sonntags treffen, um Karten zu spielen. Aus dem Rahmen fällt vor allem die Licht-Orgie, die die Stadtväter allabendlich inszenieren.

Los geht es direkt nach Einbruch der Dunkelheit. Dann starten dutzende buntbeleuchtete Boote auf eine Kanal-Rundfahrt. Gut eine Stunde lang geht es an hell erleuchteten Häusern vorbei und unter illuminierten Brücken hindurch. Wo gerade nichts steht, an das man hätte Glühbirnen schrauben können, sind Figuren und Szenen aus Pappmasche hingestellt worden - von innen beleuchtet. Die Grenze zum Kitsch ist meilenweit überschritten, aber irgendwie hat's auch was. Vermutlich vor allem dann, wenn man sein Leben die meiste Zeit in einer chinesischen Vorstadt-Hochhaussiedlung verbringt... 

WAS SONST NOCH WAR
 
Noten-Terror. Zwei hübsche Innovationen gibt es an chinesischen Bankschaltern. Erstens befinden sich dort Sitzgelegenheiten, was freilich auch angebracht ist, da selbst kleinere Vorgänge fünf Stempel und drei Unterschriften erfordern (siehe oben). Und dann gibt es noch das kleine, graue Gerät vor der Sicherheits-Scheibe. Dort kann man dem Mitarbeiter am Ende des Vorgangs eine Note geben. Gut, Mittel und Schlecht - diese Varianten stehen grob übersetzt zur Auswahl. Eine Leucht-Skala zeigt den Durchschnitts-Wert an, den der Bankberater bisher erreicht hat. Drei von fünf Sternen leuchten mir diesmal entgegen. Die Chinesen scheinen bei der Benotung nicht ganz so zimperlich zu sein. Ich derweil könnte mir ein solches System problemlos auch in allen möglichen Lebensbereichen in Deutschland vorstellen. Wäre ich König, ich würde anfangen bei (und zwar in dieser Reihenfolge): Taxi-Fahrern, Ärzten, Mitarbeitern der Deutschen Bahn. Ergänzungswünsche nehme ich jederzeit gerne per E-Mail entgegen.

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