Sonntag, 20. März 2011

China: Ich bin drin

Alles ist groß im modernen Shanghai: Blick in die Halle des Hauptbahnhofs.
Geschafft! Ich bin da! Shanghai Pudong International, ich habe soeben die Pass- und Visa-Kontrolle passiert. Alles ging glatt, ich bin drin! Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die chinesische Regierung ausländische Journalisten hat verprügeln und/oder festnehmen lassen. Die Staatsmacht ist nicht gut zu sprechen auf das freie Wort. Als ich das Visum beantragt habe, bin ich deshalb ein wenig von der Wahrheit abgewichen, was meinen Job und meinen Arbeitgeber angeht. Nach beidem wurde gefragt.

STEIGERT DIE PRODUKTION UND MEHRET DIE QUALITÄT!

Geprüft wurden meine Angaben offenbar nicht. Ich darf einreisen. Jetzt habe ich vier Wochen Zeit, um herauszufinden, wo China steht. Wie fühlt sich dieses Land an? Wie unfrei ist es? Wie modern ist es? Auf welchem Weg sind die Chinesen? Ich bin sehr gespannt.

Der erste Eindruck überrascht. Vordergründig wirkt Shanghai wie andere asiatische Metropolen, nicht viel anders als Singapur, Teipeh oder Hong Kong. Die Metro ist vollgepflastert mit Citibank-Werbung, wahlweise auch von Loreal. In den Einkaufsstraßen sehe ich so ziemlich alle internationalen Modemarken von Lacoste bis Zara, es gibt Kentucky Fried Chicken, Starbucks, McDonalds. Schmeckt so der Kommunismus?



Kritischer Blick in den Kochtopf.
VÖLKER HÖRT DIE SIGNALE!
 
Ansonsten fällt mir auf: Die Stadt ist extrem modern, an den prominenten Stellen herausgeputzt bis geleckt, womöglich noch als Folge der Expo im vorigen Jahr? Polizei ist präsent, aber nicht massiv. Das alltägliche Leben in der Stadt scheint bunt und frei. Frei? Das Wort kommt mir schwer an im Zusammenhang mit China. Aber genau so fühlt es sich an. Es gibt etwa eine verhältnismäßig große Schwulen- und Lesbenszene. Offen und für jedermann sichtbar. Mit stylischen Bars und Clubs, in denen sich die Chinesen wie selbstverständlich mit Ausländern unterhalten. Und keine Gedanken-Polizei ist in Sicht.

Nur an einer einzigen Stelle fühle ich mich stark eingeschränkt: im Internet. Weder Facebook ist erreichbar, noch Youtube, noch der Provider von meinem Blog. Letzteres ist vor allem problematisch. Aber über einen Umweg geht es weiter: Ich schicke Texte und Bilder per Mail an meinen Freund Miguel in Brüssel, der zwar kein Deutsch kann, aber die Software kennt - und für mich alles zusammenschraubt. Thank you very much, Miguel!

MAO ZEDONG WAR DER GRÖSSTE FÜHRER ALLER ZEITEN!

Ansonsten allerdings ist Internet (auch per Wifi) nicht nur weit verbreitet, sondern auch in weiten Teilen offenbar unzensiert. Zumindest kann ich kritische Wikipedia-Einträge sowohl von der deutschen als auch von der englischen Version problemlos abrufen. Blockiert sind augenscheinlich vor allem jene sozialen Netzwerke, von denen die Staatsmacht befürchtet, sie könnten der Organisation von Demonstrationen oder sonstigem Widerstand dienen. Andere, weniger populäre Netzwerke, sind indes problemlos zugänglich.

Mehrere Ausländer, die zum Teil schon seit Jahren hier leben und arbeiten, schwören auf Shanghai. Original-Zitat: "Life is good here!" Mir ist bewusst, dass die größte Stadt Chinas eine Ausnahmestellung hat und nicht gleichzusetzen ist mit dem Rest des Landes. Aber wenn Shanghai so etwas wie Modellcharakter hat und gleichsam eine Art Zielmarke darstellt, in welche Zukunft das Land steuern will, dann ist eines gewiss: Diese Zukunft ist nicht kommunistisch. Ob sie auch nur ansatzweise demokratisch ist, ob Handel tatsächlich zwangsläufig zu Wandel führt, muss in China freilich erst noch bewiesen werden. 
 

Die historische Altstadt von Zhouzuang.

NUR DIE SOZIALISTISCHE MARKTWIRTSCHAFT BRINGT WOHLSTAND FÜR ALLE!

WAS SONST NOCH WAR

Unglaublich bizarr ist das kleine Elektromobil der Polizei, das auf der Promenade am Jangtse-Fluss Patrouille fährt. Hin und her, und das stets mit Musik. Beim ersten Mal läuft chinesische Folklore, beim zweiten Mal Techno. Als die Karre wieder an mir vorbei schradelt, läuft tatsächlich der Song "Deutschland" von den Prinzen. Laut schallt es über die Promenade: "Wir sind überall die Besten, natürlich auch im Bett - und zu Hunden und Katzen besonders nett."


Ich freunde mich mit einem Taiwanesen an, der ebenfalls durch China reist. Das hat den doppelten Vorteil, dass ich einen Sprachkundigen an meiner Seite habe und gleichzeitig jemanden, der mir die chinesische Mentalität mit dem Blick von außen erklären kann. Etwa, warum schamloses Vordrängeln überall an der Tagesordnung ist. "Wer sich in China nicht bemerkbar macht, geht unter. Wer darauf wartet, dass man ihm  hilft, kann lange warten", sagt er. Besonders arg ist es in der Metro: Wann immer sich die Türen der Züge öffnen, ist Kampf angesagt. Keiner der Einsteigenden wartet darauf, ob jemand aussteigen will. Vom Kind bis zur Großmutter: Alle drängeln sie mit Macht herein, um einen Sitzplatz zu bekommen. Wer raus will, muss deshalb die Ellenbogen einsetzen - oder eine Station weiterfahren...

PS: VIELE GRÜSSE AN DEN ZENSOR, DER DIESEN TEXT LESEN MUSSTE!

1 Kommentar:

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