Sonntag, 6. März 2011

Unter Hammer und Sichel

Aufmarsch-Allee in Vientiane, Hauptstadt der demokratischen Volksrepublik Laos, im Hintergrund der Triumph-Bogen.
Laos ist ein semi-sozialistisches Land. Erst spät, nach Ende des Vietnam-Krieges 1975, wurde es kommunistisch. Und schon elf Jahre später begann man notgedrungen mit ersten marktorientierten Reformen. Seitdem versucht Laos eine Mischung aus beidem, was dabei herausgekommen ist, fühlt sich für mich an wie eine bizarre Mischung aus Kuba und Thailand. Besonders stark ist dieser Eindruck in der Hauptstadt Vientiane.

Bevor ich die erreiche, ist aber erstmal fremdschämen angesagt. Wie in anderen Teilen der Welt auch, hört man in laotischen Überland-Bussen gern einheimische Folklore in bemerkbarer Lautstärke. Okay, wenn man sonst nur westlichen Pop-Honig im Ohr hat, mag das extrem befremdlich wirken. Aber dass die westlichen Traveller, die bestimmt die Hälfte der Reisegäste ausmachen, applaudieren, da die Musik zwischendurch mal stoppt, ist einfach nur peinlich.

Sozialistische Folklore im National-Museum.
Hammer und Sichel. Gelb auf rotem Grund. Überall. Die ganze Stadt hängt voll davon. Ich fange an zu glauben, Laos habe womöglich 1991 alle restlichen Flaggen-Bestände der UdSSR aufgekauft. Auf dass wir auch in 100 Jahren noch rote Fähnchen hissen können... Auch sonst hat die Stadt einiges von einer sozialistischen Kapitale: eine überbreite Aufmarsch-Allee, Marx- und Lenin-Portraits im National-Museum und einen Triumphbogen, über dessen architektonische Qualität man beim besten Willen nicht streiten kann.

Ich erkunde die Stadt zusammen mit Bart aus Warschau. Ich habe den Piloten einer polnischen Airline in Luang Prabang kennen gelernt. Er hat sich vor kurzem von seiner Freundin getrennt und genießt jetzt die Freiheit, alleine durch Indo-China zu reisen. "Das hätte sie nie mitgemacht", sagt er - und wirkt dabei ebenso erleichtert wie gut gelaunt. Wir verstehen uns auf Anhieb prima, in einer Art, wie es das nur selten gibt. Manchmal reicht ein Blick, um uns zu verständigen.

Das ist viel wert, besonders wenn man sich in einem derart ungewohnten Umfeld bewegt. Da ist etwa die gewöhnungsbedürftige Service-Mentalität offenbar staatlich gelenkter Branchen. Wir gehen in ein Reisebüro, um einen Flug nach Kabodscha zu buchen. Doch die beiden Mitarbeiter, die offenbar gerade ihr Mittagessen beendet haben, sehen sich nicht veranlasst, uns irgendwie weiterzuhelfen. "Flight is full", lautet die prompte Antwort auf unsere Bitte. Doch wir lassen uns nicht abwimmeln. Das sei völlig unmöglich, noch vor einer Viertelstunde sei der Flug im Internet als verfügbar angezeigt worden. Und so weiter und so weiter... Nach einiger Diskussion sehen die Kollegen doch ein, dass man uns schneller los wird, wenn man uns bedient. Eine weitere Viertelstunde später haben wir die Tickets.

Mönche beim Foto-Shooting.
Hammer und Sichel schmücken auch das Pressehaus.
Skurril auch das Nachtleben. Die reguläre Sperrstunde für Bars und Discotheken ist auf 23 Uhr (!) festgesetzt. Während in Europa die Teenies noch zu Hause vor dem Spiegel stehen, ist in Laos schon Schluss. Immerhin, einige wenige ausgewählte Läden dürfen länger öffnen, bis zwei oder drei Uhr nachts.

Zum Beispiel der hauseigene Club in einem der größeren Hotels am Platz. Dort stehen die Gäste - wie auch in den anderen Discotheken - um Stehtische herum. Eine Tanzfläche gibt es nicht. Wer zappeln will, tut das zwischen Hockern und Tischen. Die ganze Szenere wird nicht nur merkwürdig fremd, sie ist auch nicht eben kommunikativ. Die meisten Grüppchen bleiben unter sich.

Es sind diese Besonderheiten, die den Aufenthalt in der Hauptstadt am Mekong interessant machen. Denn ansonsten hat Vientiane nicht viel zu bieten. Alles wirkt ein bisschen provinziell und muffig. Ein heißer Kandidat im Wettbewerb "Langweiligste Haupstadt der Welt". Immerhin gibt es eine gute und vielfältige Restaurant-Szene, günstige Massage-Studios und einen kleinen Nachtmarkt. Das alles erinnert an das nahe Thailand jenseits des Mekongs und sorgt dafür, dass die Stadt trotz der vielen Hammer und Sicheln auch ein anderes Gesicht hat.

Wir verlassen die demokratische Volksrepublik schließlich mit einer russischen M60-Maschine von Laos Airline. Ich finde sie ja nicht so ganz vertrauenserweckend. Aber da Bart nach interessierter Musterung ohne Bedenken einsteigt, folge ich ihm einfach. Manchmal ist es ja doch ganz gut, einen Piloten an seiner Seite zu haben...  

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