Dienstag, 26. April 2011

Kalter Krieg mit Kirmes

Grenzwertig: Tourismus an der innerkoreanischen Grenze. Der Tisch steht exakt auf der Demarkationslinie.
Massen-Tourismus zur innerkoreanischen Grenze? So was kann eigentlich nur hochnotpeinlich sein. In diesem Bewusstsein habe ich die Tour gebucht. Kann man in Korea gewesen sein, ohne mal in den Norden geguckt zu haben? Das wäre wie ein Berlin-Besuch ohne Mauerbesichtigung! Also blättere ich umgerechnet rund 80 Euro auf den Tisch für den  Ganztages-Ausflug zum Kalten Krieg.

Den gibt's in Korea mit Kirmes.  Bei unserem ersten Stopp steigen wir zunächstmal in eine kleine Einschienenbahn um. Zu fünfzigst fahren wir unter die Erde. Es geht durch einen kleinen Zubringertunnel, dekoriert mit grünen Lichterketten, der uns zur eigentlichen Hauptattraktion bringen soll. "Wie Achterbahn, muss nur mal jemand die Bremsen lösen", fordert ein deutscher Teenager lautstark.

Fast wie Kirmes: Fahrt in den dritten Tunnel.
Volksfeststimmung im Grenzgebiet.
Unser Ziel ist der so genannte "Dritte Tunnel". Er wurde von den Nordkoreanern Anfang der 70er unter der Grenze hindurchgegraben, um im Kriegsfall rasch unbemerkt Soldaten in den Süden bringen zu können. Es war der dritte Tunnel dieser Art, der entdeckt wurde, daher der Name. Einige hundert Meter dürfen wir in gebückter Haltung hindurch gehen. Dann erreichen wir eine Stacheldrahtbarriere, die den unterirdischen Weg in den Norden versperrt. Sie ist mit einer roten Lichterkette verziert.

Danach geht es Schlag auf Schlag weiter: Von einem Hügel aus können wir nach Nord-Korea gucken. Meine Mit-Reisenden machen Fotos, bei denen sie in die Kamera grinsen. Gerne machen sie dabei das Victory-Zeichen. ich würde mich gerne fremdschämen. Aber wem gegenüber?

Dann fahren wir zu einem Geisterbahnhof, der einst als Startbahnhof in Richtung Norden gebaut wurde. Ein Symbol der Hoffnung. Süd-Koreas ehemaliger Ex-Präsident Kim Dae-jung hat vor elf Jahren den Nobelpreis für seine Sonnenscheinpolitik gegenüber dem Norden bekommen. Die Station ist ein Geisterbahnhof geblieben.

Und dann gibt's tatsächlich eine echte Kirmes. Ganz in der Nähe der Grenze. Dort, wo die Busladungen in großen Restaurants abgefüttert werden. Mehrere bunt blinkende Fahrgeschäfte stehen dort. Volksfeststimmung im Grenzgebiet, eine abseitige Idee. Von unserer Gruppe fährt allerdings niemand mit, dafür ist die Mittagspause viel zu knapp berechnet. Die Karrussels sind leer. Was die Szenerie nur noch absurder macht.

Tarnanzüge für Kids im Souvenir-Shop
Vollends skurril wird die Veranstaltung aber erst nach dem Mittagessen. Wir besuchen die  Joint Security Area (JSA), ein neutrales Gebiet - genau auf der Grenze -, wo die beiden Staaten Verhandlungen führen. Wenn sie sich denn gerade mal was zu sagen haben. Ansonsten sind hier Touristen unterwegs.

In der Hauptbaracke gibt es zwei Türen. Eine nach Norden, eine nach Süden. Bringt der Norden Touristen her, bewachen Soldaten der Volksarmee die Tür nach Süden - und in unserem Fall umgekehrt. Mitten durch den Raum verläuft die Demarkationslinie. Es darf fotografiert werden. Es gibt ein heilloses Durcheinander: Jeder will mal auf die Nordseite. Alle wollen fotografieren. Die Soldaten sind ein beliebtes Motiv. Man stellt sich an die Seite, lächelt in die Kamera - und baut sich auch in irgendwelchen Posen auf. Daneben.


Schätzungsweise vier Millionen Menschen sind durch den Korea-Krieg gestorben, davon drei Millionen Zivilisten. Im Souvenir-Shop des benachbarten Camp Bonifas, Ausgangspunkt der Tour in die JSA, gibt es Tarnanzüge für Kinder zu kaufen. Ob sie auch schick aussehen, kann man an 1,20 Meter großen Schaufensterpuppen sehen. 

Das war es dann.

Morgen geht es heim nach Deutschland.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen