Dienstag, 12. April 2011

Und um die Ecke regiert Ronald McDonald

Chinesische Fernseh-Nachrichten auf dem Großbildschirm, wenige hundert Meter vom Tiananmen-Platz entfernt.

Endlich habe ich es gefunden. Das China, das ich erwartet habe. Lange habe ich es vergeblich gesucht. Doch hier, auf dem Tiananmen-Platz im Zentrum von Peking, ist alles so, wie ich es aus den Geschichtsbüchern und den Fernsehnachrichten kenne. Hier schlägt das Herz von Rotchina.

Kommunisten-Symbole in allen Himmelrichtungen. An der "Great hall of the people" im Osten, wo der Volkskongress tagt, hängen rote Wappen, genauso am National-Museum gegenüber. Am Tor des himmlischen Friedens im Norden hängt wie eh und je das riesige Mao-Porträt. Auf der Südseite wird der mumifizierte Leichnam des "großen Führers" in einer Gedenkhalle zur Schau gestellt.

Das Mao-Portrait hängt noch: Tor des himmlischen Friedens.
Alles Blendwerk! Bloße Dekoration! Hinter den Fassaden passiert dies: Im National-Museum wird zur Wiedereröffnung nach Komplett-Renovierung eine Schau über die europäische Aufklärung gezeigt ("Kunst ist die Tochter der Freiheit"). Parallel dazu ist eine Diskussion im Gange, ob man Maos Leiche nicht doch endgültig irgendwo beisetzen sollte, um die alberne Leichenschau zu beenden.

Allein die roten Banner an der "Great hall of the people" sind durch die Realität gedeckt: Dahinter steht der uneingeschränkte Machtanspruch der KP. Doch nur wenige hundert Meter vom großen Mao-Portrait entfernt regiert jemand ganz anderes: Ronald McDonald. Das Logo des us-amerikanischen Klopsbraters prangt nicht zufällig um die Ecke. Es steht stellvertretend für den offenbar fast abgeschlossenen Umbau der einstigen Plan- in eine Kapitalwirtschaft.

Die ganze Deko am zentralen Platz wirkt fast nur noch wie folkloristischer Kitsch, dessen Zweck es ist, die Nation geeint und ruhig zu halten. Es würde mich nicht wundern, wenn eines Tages der Staatspräsident mit einer Leiter anrückt, die roten Symbole abhängt und den staunenenden Beobachtern mit einem Augenzwinkern nur ein Wort zuruft: "Fertig!"


Landschaft und Bauwerk in seltener Ha:rmonie: die Chinesische Mauer, zwei Autostunden von Peking entfernt.

Okay, jetzt habe ich doch arg vereinfacht. So einfach ist die Sache freilich nicht. Denn der Kapitalismus bringt auch eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich mit sich, an die sich nicht alle gewöhnen wollen. Vor einer Entladung diesen sich verstärkenden Spannungen hat die Staatsmacht offenbar am meisten Angst. Den Weg zu Demokratie und Meinungsfreiheit wird sie deshalb nicht rasch gehen, Unterdrückung wird an der Tagesordnung bleiben. Ob dieser Spagat gelingen kann? Immerhin: Es scheint mir ein  Kunststück, dass er überhaupt bis hierher gelungen ist... 

Ich habe erfüllte Tage in Peking. Selbstverständlich stehen Verbotene Stadt und die Chinesische Mauer auf dem Besuchsplan. Vor allem Letztere hat tolle Ansichten, die ganze Szenerie ist unfassbar harmonisch. Und ich staune über den neuen, europäisch angehauchten, urbanen Lifestyle der jungen Chinesen. Eines scheint mir sicher zu sein: So langsam der Wandel in gesellschaftlicher Hinsicht auch voran kommt - auch er ist unumkehrbar.


WAS SONST NOCH WAR

Rauchen und rotzen. Beim Ausflug zur Chinesischen Mauer lerne ich eine Polin kennen, die schon seit Jahren in Peking lebt. Sie bestätigt, was ich schon ahnte: Als Ausländer lebt man gut im Reich der Mitte, solange man mit Politik nichts am Hut hat. Es gibt nur zwei Umstände, an die man sich nicht gewöhnen kann: Da ist zum einen das lautstarke Rotzen der Chinesen in allen Lebenslagen. Auch Großmütter und Kinder bringen dabei Geräusche zustande, als würden sie ihre Nieren durch die Nase hochziehen wollen. Ausgespuckt wird auf den Fußboden - in geschlossenen Räumen alternativ auch in Mülleimer. Es ist wirklich widerlich! Und dann ist da noch das allgemeine Vordrängeln, das offenbar zum guten Ton gehört. Marke frech bis unverschämt siegt. Fahrgäste aus Bus und Bahn erst aussteigen lassen? Ist in den Augen vieler Chinesen offenbar eine völlig unnötige Höflichkeit...

Was mir sonst noch auffällt: Die Chinesen rauchen, was die Lungen hergeben. Und zwar überall, auch in Restaurants. Nichtrauchergesetze gibt es offenbar keine. Auch Rauchen beim Sport wird offenbar nicht als Widerspruch empfunden (siehe Foto). Der ehemalige und nun dauerhaft entwöhnte Voll-Schmoker wünscht frohes Husten!

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