Mittwoch, 23. Februar 2011

China üben

Im Longshan-Tempel in Taipeh wird inmitten bunter, beleuchteter Papp-Figuren gebetet.
Bilaterale Beziehungen pflegen. Den eigenen Staatsbürgern helfen, den anderen die eigene Kultur erklären. Das sind die Aufgaben einer Botschaft, dachte ich bisher. Jetzt lerne ich es besser. "Visum für China, macht 55 Euro, bitte sehr!" Paling, die Kasse klingelt. "Danke, der Nächste bitte! Ein US-Amerikaner? Für Sie nur 130 Euro!" Paling. "Danke, der Nächste bitte!" Und so stehen sie alle in der langen Schlange, um in der chinesischen Botschaft in Bangkok ihr Geld abzuliefern. Und ich mittendrin. Paling, fast ein ganzes Tagesbudget ist auf einen Schlag weg. Damit die Staatsbediensten innerhalb von ein paar Stunden ein Stück Papier in den Pass kleben, das es in Ländern wie Thailand kostenlos gibt. 55 Euro nur fürs Einfach-Visum, für die anderen Varianten sind die Preise nach oben offen. Dagegen war der Eintritt in die DDR fast schon ein Schnäppchen.

Prost: Guido und ich stoßen in der Business Class an.
Aber meine finanziellen Maßstäbe geraten dieser Tage sowieso ins Wanken. Ich besuche meinen alten Freund Guido, der in Bangkok Karriere bei einer deutschen Touristik-Firma macht. Und mit einem Schlag bin ich in einer anderen Welt. Eben noch in der Sechs-Euro-Kabine in Georgetown ohne Intimsphäre und ohne Steckdose, schlafe ich jetzt in Guidos Gästezimmer mit eigenem Bad. Eben noch mit 20-Kilo-Rucksack hinten auf dem Taxi-Roller, fläze ich mich nun auf der Rückbank der Firmen-Limousine. Eben noch mit einem Händler um zehn Baht gefeilscht (ungerechnet knapp drei Cent), finde ich mich sogleich in einer gediegenen Bar bei Cocktail und Nüsschen wieder.

Hier trifft sich der Herr Direktor mit Kollegen zum Feierabendbier. Die Gespräche drehen sich darum, wie viel man seiner Putzfrau zahlt, welcher Fahrer am unzuverlässigsten ist und welcher Schneider am besten. Mir wird ganz schwindelig...

Aufstell-Fläche in der U-Bahn Taipeh: So viel Ordnung muss sein.
Und das ist erst der Anfang. Guido will übers Wochenende nach Taipeh fliegen, und nimmt mich mit. KLM Business Class, upper deck. Ich mache Bedenken geltend, bestehe auf Economy. Sie werden vom Tisch gewischt mit der Begründung, er habe keine Lust alleine in der Lobby zu sitzen. Das erinnert mich an die britische Comedy Absolutely Fabulous, als Patsy eine U-Bahnfahrt mit den Worten ablehnt, sie "habe nichts anzuziehen für die Öffentlichen."

Nachdem der Service an Bord fachmännisch gewürdigt, die fehlende First Class-Immigration am Flughafen von Taipeh beklagt und der Fahrer wegen Verspätung gerügt wurde, kann das Abenteuer Taiwan losgehen. Mitte März will ich die Volkrepublik bereisen, hier in der Republik kann ich jetzt schon mal üben. China üben.

Übung 1: Orientierung. Die Aufgabe ist gar nicht so schwer: Finde in der Innenstadt mit Hilfe eines Stadtplans zurück zum Hotel. Das Ergebnis ist verheerend. Zwei Stunden laufen wir vergeblich im Kreis. Zwar gibt es Schilder in chinesischer UND lateinischer Schrift, aber nicht genügend. "Hier waren wir schonmal", wird zur geflügelten Phrase.

Übung 2: Taxifahren. Hierbei stellen wir uns klüger an. Wir lassen uns im Hotel die Zieladresse in Mandarin auf einen Zettel schreiben. Dummerweise lässt uns der Fahrer trotzdem vor dem falschen Haus raus. Jetzt stehen wir im Dunkeln hilflos in einer unbekannten Gegend. Da spricht ein freundlicher und des Englischen kundiger Chinese die verunsicherten Langnasen an - und kann ihnen sogar den richtigen Weg weisen. Schwein gehabt.

Ohne Panzer lebend gestapelt: Schildkröten fertig zum Verzehr.
Übung 3: Essen. Ganz haarige Angelegenheit. In Thailand habe ich in Zweifelsfällen einfach auf die Bilder in den Speisekarten oder auf die Teller anderer Gäste gedeutet, wenn ich etwas wollte. Da ich auch weiterhin keine Schweineohren, Hühnerfüße oder Innereien essen will, fällt diese Methode in China aus. Besonders übel sind die Restaurants, in denen die lebenden Tiere noch durch die Scheibe auf den Teller glotzen, bevor sie gebraten oder fritiert auf ebenjenem landen - so wie die Schlangen, Ratten und gestapelten Schildkröten, schon ihres Panzers entledigt, die wir sahen... Unfassbar! Unessbar! Inzwischen stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob es in Peking wohl McDonalds gibt. Guido und ich haben in einer Pizzeria gegessen.

Trotzdem kommen wir im Großen und Ganzen gut durch. Rheinländer auf Reisen: Et hätt noch immer jot jejange... Wir schaffen es zur Chiang-Kai-Shek Memorial Hall (Verherrlichungstempel nach kommunistischem Vorbild), zum Taipeh 101 (zweithöchstes Gebäude der Welt, das mich übel geschwankt hat) und zum Longshan-Tempel, in dem die Gläubigen inmitten buntleuchtender Pappfiguren beten.

Auch fast noch lebendig: Chiang Kai Shek in Wachs.
Und das war es dann auch schon. Nach einer Woche in Bangkok und Taipeh ist meine Zeit mit Guido schon wieder vorbei. Mein nächstes Ziel ist Chiang Mai, auch dort wartet ein Freund auf mich: Schmalhans. Quasi auf den letzten Metern in Bangkok ist mir nämlich meine Kreditkarte abhanden gekommen. Nun reise ich vorerst mit geliehenem Geld weiter und muss finanziell kräftig auf die Bremse treten. Vielleicht sollte ich demnächst einfach mal eine Botschaft eröffnen!?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen